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Evolution

Am Anfang war der Wurm…

Urzeitliche Embryos widerlegen bisherige evolutionsbiologische Annahmen

Mehr als 500 Millionen Jahre alter Embryo von Markuelia secunda: Als schwarzer Punkt auf dem Zahnstocher (Foto); in der Oberflächen-Analyse mit Elektronenraster-Mikroskopie (grün); in einem virtuellen Schnitt, basierend auf der tomografischen Mikroskopie mit Synchrotronstrahlung (braun); wobei rechts der Schwanz des Embryos (blau) hervorgehoben wurde. So sah vermutlich die Markuelia aus, der Kopf ist links (e). © Universität Bristol / Paul Scherrer Institut

Möglicherweise müssen bestehende Theorien zur Entwicklungsgeschichte zukünftig in Teilen umgeschrieben werden. Denn neue anatomische Studien mithilfe von Schichtaufnahmen fossiler Wurm-Embryos haben bisherige Annahmen über Verwandtschaftverhältnisse an der Basis des Tierstammbaums über den Haufen geworfen. Die Ergebnisse der Studie sind jetzt in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature erschienen.

Vor einigen Jahren wurden in China und Sibirien versteinerte Embryos entdeckt, die aus der Geburtsstunde der Urlebewesen stammen. Diese fossilen Überreste sind etwa einen halben Millimeter gross und über 500 Millionen Jahre alt. Sie bieten der Paläontologie eine großartige Gelegenheit, die Evolution besser zu verstehen. Fossilien bilden den einzigen direkten Zugang zur Entstehungsgeschichte des Lebens auf der Erde. Bis vor kurzem war es aber nicht möglich, aus Versteinerungsprozessen die embryologische Veränderungen herauszulesen und damit die mächtigsten Mechanismen der Stammesentwicklung zu ermitteln.

Blick ins Innere ohne Zerstörung

Die am Paul Scherrer Institut (PSI) in der Schweiz vorhandene, einzigartige Technik der Tomografie mit Synchrotronstrahlung erlaubt es, das Innere von Proben darzustellen, ohne sie zu zerschneiden oder gar zu zerstören. Auf diesem Weg bestimmte ein internationales Forschungsteam auch die Struktur des urzeitlichen Embryos unbeschädigt. Die Analyse lieferte fundamental neue Einblicke in Anatomie, Entwicklung und Versteinerung von Embryos primitiver Tiere. Die Forschenden haben damit Informationen gewonnen, mit denen sich etablierte embryologische Entstehungstheorien überprüfen und gegebenenfalls verwerfen lassen.

Im Rahmen eines internationalen Forschungsprojekts unter Leitung der englischen Universität Bristol, an dem massgeblich auch Wissenschaftler des PSI, des schwedischen Museums der Naturgeschichte Stockholm und der chinesischen Universität Beijing beteiligt waren, wurde die Anatomie des Markuelia-Embryos enträtselt. Markuelia ist nicht nur der älteste bekannte Embryo eines komplexen Tieres. Was den fossilen Wurm darüberhinaus so bedeutend macht, ist seine verwandtschaftliche Nähe zum Stammvater zwei der wichtigsten entwicklungsgenetischen Tiermodelle: des Fadenwurms Caenorhabditis elegans und der Taufliege Drosophila melanogaster.

Wacklige Entwicklungstheorie

Die Untersuchungen am PSI haben gezeigt, dass die Ähnlichkeit zwischen Markuelia und Fadenwurm nur oberflächlich ist. Die Tomografie hat ein Endgeäse (mundartige Öffnung) mit einziehbaren Zähnen sichtbar gemacht, was Markuelia näher zum Stamm der Gliederfüssler (Arthropoden; Spinnen und Krebse) rückt. Der direkte Entwicklungsverlauf der Markuelia widerspricht zudem der seit Jahren anerkannten Theorie, dass die Metamorphose über die Larve zum geschlechtsreifen Tier (indirekter Entwicklungsverlauf) ein besonderes primitives Merkmal von Tieren darstellt. Die Erkenntnisse aus den neu entdeckten versteinerten Embryos lassen diesen Widerspruch noch deutlicher zu Tage treten.

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(Paul-Scherrer-Institut, 11.08.2006 – NPO)

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