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Neurobiologie

„Altruismus-Gen“ entdeckt

COMT-Gen beeinflusst Hirnstoffwechsel und Grad der Selbstlosigkeit

Wenn Sie Anderen gerne etwas Gutes tun, sind vielleicht Ihre Gene dafür verantwortlich. Das legen zumindest die Ergebnisse einer Studie nahe, die Forscher der Universität Bonn durchgeführt haben. Eine winzige Änderung in einer bestimmten Erbanlage geht demnach mit einer höheren Bereitschaft zu selbstlosem Handeln einher. Die Resultate sind jetzt in der Zeitschrift „Social Cognitive & Affective Neuroscience“ erschienen.

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Wer altruistisch handelt, stellt sich selbst zugunsten der Allgemeinheit und anderen Menschen zurück. Diese Form der Selbstlosigkeit ist aber nicht immer nur Ausdruck eines besonders moralisch oder ethisch denkenden Menschen, denn auch viele Tierarten, darunter Menschenaffen, aber auch Ameisen oder Bienen zeigen altruistisches Verhalten. Zwillingstudien legen nahe, dass unsere Neigung zu mehr oder weniger Altruismus auch angeboren sein kann. Was aber genau in unserem Genom dafür verantwortlich ist, war nicht bekannt.

Hier sind nun Forscher um Martin Reuter, Professor für Psychologie an der Universität Bonn, einen Schritt weiter gekommen. In einem Experiment hatten sie ihre Studenten zu einem „Merkfähigkeitstest“ eingeladen: Die rund 100 Teilnehmer sollten sich Zahlenfolgen einprägen und anschließend möglichst korrekt wiedergeben. Dafür bekamen sie die Summe von fünf Euro. Sie konnten ihr hart verdientes Geld im Anschluss mit nach Hause nehmen oder einen beliebigen Teil

davon für einen wohltätigen Zweck spenden.

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Genvergleich bei Spendern und „Egoisten“

Diese Entscheidung erfolgte freiwillig und in scheinbarer Anonymität. „Wir wussten aber stets, wie viel Geld zuvor in der Kasse gewesen war, und konnten daher den gespendeten Betrag errechnen“, erklärt Reuter. Zuvor hatten die Wissenschaftler ihre Probanden zu einem Wangenabstrich gebeten. Aus den dabei entnommenen Zellen konnten sie DNA für genetische Analysen gewinnen. Sie konzentrierten sich dabei auf eine Erbanlage, das so genannte COMT-Gen. Es enthält die Bauanleitung für ein Enzym, das bestimmte Botenstoffe im Gehirn inaktiviert. Der wohl bekannteste dieser Botenstoffe ist das Dopamin.

Seit fast 15 Jahren ist bekannt, dass es zwei verschiedene Varianten des COMT-Gens gibt: COMT-Val und COMT-Met. Die beiden Versionen, die in der Bevölkerung etwa gleich häufig vorkommen, unterscheiden sich nur in einem einzigen Baustein. Bei Menschen mit der COMT-Val-Variante arbeitet das zugehörige Enzym bis zu viermal effektiver. Es wird also drastisch mehr Dopamin im Gehirn der

Betroffenen inaktiviert.

Mini-Mutation beeinflusst Verhalten

Diese Mini-Mutation hat auch Auswirkungen auf das Verhalten: „Studenten mit dem COMT-Val-Gen spendeten im Schnitt doppelt so viel Geld wie Kommilitonen mit der COMT-Met-Variante“, erläutert Reuter. Es ist das erste Mal, dass Forscher einen Zusammenhang zwischen einer speziellen Erbanlage und altruistischen Handlungen feststellen konnten. Allerdings wusste man bereits aus Zwillingsstudien, dass altruistisches Verhalten zum Teil auch durch unsere Gene beeinflusst wird.

Dass sich die Bonner Wissenschaftler bei ihrer Analyse auf das COMT-Gen konzentrierten, hat seinen guten Grund: Schon seit einigen Jahren ist bekannt, dass Dopamin bei Tieren und Menschen an der Steuerung des Sozialverhalten beteiligt ist. So beeinflusst der Botenstoff zusammen mit Substanzen wie dem Neuropeptid Vasopressin Sexualität und Bindungsbereitschaft. Dopamin hängt zudem mit positiver Emotionalität zusammen. Auch die Eigenschaft, sich durch Anreize motivieren zu lassen, wird durch diesen wichtigen Neurotransmitter gesteuert.

(Universität Bonn, 08.11.2010 – NPO)

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