Fast 40 Prozent aller Heimbewohner in Deutschland erhalten Medikamente, die für alte Menschen potenziell gefährlich sein können. Zu diesem Ergebnis ist jetzt eine deutsche Wissenschaftlerin laut einem Bericht der Fernsehsendung „Report Mainz“ gekommen.
{1r}
In der so genannten Priscus-Liste hat die Forscherin zusammen mit Kollegen insgesamt 83 häufig verschriebene Medikamente aufgelistet, die für ältere Menschen eine Bedrohung darstellen können. Die Liste wurde im Auftrag des Bundesforschungsministeriums erstellt.
Besonders beim Einsatz einiger Schmerzmedikamente und Psychopharmaka drohen danach inakzeptable Risiken wie Nierenschädigungen, Magenblutungen und erhöhtes Sturzrisiko. In „Report Mainz“ sagte Professorin Dr. Petra Thürmann von der Universität Witten/Herdecke gestern, dass auch etwa 15 Prozent bis 20 Prozent der älteren Menschen, die zuhause leben, solche Medikamente erhalten.
Risiko für Wechsel- und Nebenwirkungen steigt
Nicht alle Medikamente, die jungen Patienten helfen, sind auch für ältere Menschen geeignet. Schon gar nicht, wenn zehn oder mehr unterschiedliche Präparate auf einmal eingenommen werden. Da aber eine Krankheit im Alter oft nicht isoliert auftritt, müssen ältere Patienten häufig eine Reihe von unterschiedlichen Arzneimitteln gegen verschiedene Erkrankungen einnehmen, was das Risiko für Wechsel- und Nebenwirkungen deutlich erhöht.
Deshalb haben die Forscher der Universität Witten/Herdecke um Thürmann die Medikamente für den deutschen Markt zusammengestellt, die für ältere Menschen problematisch sein können. Gedacht ist die Liste, die gestern im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht wurde, als Hilfestellung für Ärzte und Apotheker zum Schutz ihrer älteren Patienten.
„Wir bieten den Ärzten auch Informationen darüber, bei welchen Erkrankungen ein Medikament wenn möglich nicht verwendet werden sollte“, erklärt Thürmann. Das heißt praktisch: Hat ein älterer Patient zum Beispiel eine schlechte Nierenfunktion, sollte der Arzt auf die Verschreibung bestimmter Schmerzmittel verzichten. „So können Nebenwirkungen minimiert werden“, sagt Thürmann.
Liste benennt Behandlungsalternativen
Sofern vorhanden, benennt die Liste auch alternative Wirkstoffe, die weniger riskant für alte Menschen sind. „In manchen Fällen ist die Verordnung eines potenziell ungeeigneten Stoffes nicht zu vermeiden, etwa, weil es keine wirksamen Alternativen gibt. In solchen Fällen gibt es dann eine Empfehlung, wie die Dosis angepasst werden könnte und welche Maßnahmen sich eignen, um den Verlauf der Therapie zu kontrollieren“, so Thürmann weiter.
Die Aufstellung umfasst insgesamt 83 für ältere Menschen potenziell ungeeignete Arzneimittel, darunter zum Beispiel eine Reihe von Schmerzmitteln. Für die Bestandsaufnahme haben Thürmann und die Apothekerin Stefanie Holt die wissenschaftliche Literatur auf Informationen zu gefährlichen Arzneistoffen für Ältere durchsucht.
Arzneimittel werden bei Älteren langsamer abgebaut
„Daraus entstand eine vorläufige Liste, die anschließend 27 Experten aus verschiedenen Fachrichtungen unabhängig voneinander bewertet und kommentiert haben. So ist in mehreren Befragungsrunden unsere Liste entstanden“, beschreibt Thürmann die Vorgehensweise.
Nötig ist die Liste besonders deshalb, weil der Körper älterer Menschen häufig anders auf ein bestimmtes Medikament reagiert als der junger Menschen. Mit der Zeit verändert sich der Stoffwechsel, so dass im Alter Arzneimittel meist langsamer abgebaut werden und oftmals stärker wirken – auch dadurch steigt das Risiko für Nebenwirkungen.
(idw – Universität Witten/Herdecke/Report Mainz, 10.08.2010 – DLO)