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Biologie

Affen: Stress im Mutterleib beschleunigt das Wachstum

Vorgeburtliche Belastungen sorgen für eine frühere Geschlechtsreife

Wie sich diese zwei Assammakaken entwickeln, hängt auch davon ab, wie gestresst ihre Mütter während der Schwangerschaft waren. © Kittisak Srithorn

Belastung mit Folgen: Mütterlicher Stress während der Schwangerschaft lässt Affenjunge schneller wachsen. Die Tiere werden dadurch früher geschlechtsreif und können schneller Nachwuchs zeugen. Damit kompensieren sie eine womöglich geringere Lebenserwartung durch die vorgeburtliche Entwicklungsstörung, wie Forscher berichten. Auch beim Menschen kann Stress im Mutterleib die Geschlechtsreife beeinflussen.

Die Phase im Mutterleib prägt unsere Entwicklung und die von anderen Säugetieren so stark wie keine Phase nach ihr. Eng verbunden mit dem mütterlichen Organismus bekommt das Ungeborene alles mit, was auch die Mutter bewegt oder sie belastet. Ist die Mutter während der Schwangerschaft oft gestresst, kann das nicht nur das Wachstum des Fötus und den Geburtstermin beeinflussen.

Die Belastungen können sich auch auf die spätere Gesundheit des Nachwuchses auswirken. Unklar ist bisher jedoch, ob diese mütterliche Einflussnahme ausschließlich als krankhafte Pathologie zu verstehen ist oder auch als Anpassungsstrategie. Sprich: Können Mütter ihr Ungeborenes im Uterus so umprogrammieren, dass es für das Leben da draußen besser gewappnet ist?

Steile Wachstumskurve

Um dieser Frage nachzugehen, haben Wissenschaftler um Andreas Berghänel vom Deutschen Primatenzentrum erstmals untersucht, wie sich vorgeburtlicher Stress auf Affenbabys in freier Wildbahn auswirkt. Dafür begleiteten sie an ihrer Feldstation im Nordosten Thailands Makaken-Mütter durch die Schwangerschaft. Zudem beobachteten sie deren Jungen während der ersten anderthalb Lebensjahre.

Die Ergebnisse bestätigten: Stresseffekte in der Schwangerschaft treten offenbar auch bei Affen auf. Wurde der Nachwuchs in Zeiten mit natürlich vorkommender Nahrungsknappheit ausgetragen, erlebten die Mütter physiologischen Stress. Das zeigte sich an den aus Kot ermittelten Hormonspiegeln der Tiere. Gleichzeitig schien sich diese messbare Belastung der Mütter bei den jungen Makaken auf das Wachstum auszuwirken: Die Jungtiere wuchsen schneller.

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Im immergrünen Bergwald Thailands wird ein Makakenjunges von der Mutter gesäugt. © Andreas Berghänel

Frühe Geschlechtsreife als Vorteil

Tatsächlich könnten die durch den Stress belasteten Affen von dieser Entwicklungsbeschleunigung profitieren: „Eine verkürzte Lebenserwartung durch vorgeburtliche Entwicklungsstörungen führt hier zu einem beschleunigten Lebenszyklus. Der Nachwuchs wächst schneller und wird schneller geschlechtsreif, um selbst früher und schneller Nachwuchs zu erzeugen“, erklärt Berghänel.

Trotz widriger Bedingungen durch die schwierige Schwangerschaft und eine womöglich stressige Umwelt wird so sichergestellt, dass die Affen ihr Erbgut weitergeben können. Auch beim Menschen findet sich im Zusammenhang mit einer gestörten Frühentwicklung häufig eine vorverlagerte Geschlechtsreife.

Trotzdem sind die Forscher überrascht, wie sehr sich der Lebenszyklus der Affen durch den Stress beschleunigt – und damit ihre Chance auf Fortpflanzung steigert: „Das ist erstaunlich. Wir hatten eher damit gerechnet, dass die schlechten Bedingungen während der Tragzeit ausschließlich negative Folgen für die Jungen haben“, sagt Berghänels Kollegin Julia Ostner.

Schlechte Motorik und schwaches Immunsystem

Allerdings ist das beschleunigte Wachstum nur eine der Folgen der vorgeburtlichen Belastung. So zeigten die Affenjungen auch eine verzögerte motorische Entwicklung: Sie lernten später als ihre Altersgenossen, an einem Bein von einem Ast zu baumeln, rückwärts zu hüpfen oder im Kronendach des Waldes mindestens fünf Meter weit zu springen.

Als unter den Affen eine Bindehautentzündung ausbrach, waren deren äußerliche Zeichen bei den Jungen umso länger zu sehen, je stressiger die Schwangerschaft ihrer Mütter war. Demnach scheint auch das Immunsystem negativ beeinträchtigt zu sein.

Alternativer Lebensweg?

Im Laufe der kommenden Jahre wollen die Wissenschaftler nun klären, ob die Fortpflanzungsrate der im Mutterleib gestressten Makaken tatsächlich höher ist als bei ihren Artgenossen – und ob die Tiere früher sterben. Bestätigen sich diese Erwartungen, unterstützt das Beispiel der Makaken die Theorie, dass gestresste Mütter ihr Ungeborenes auf einen alternativen Lebensweg schicken. (Proceedings of the Royal Society B, 2016; doi: 10.1098/rspb.2016.1304)

(Deutsches Primatenzentrum GmbH (DPZ)/ Leibniz-Institut für Primatenforschung, 21.09.2016 – DAL)

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