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Paläontologie

Ist dies das älteste Landfossil?

635 Millionen Jahre alte Fäden sprechen für frühe Kolonisierung des Landes durch Pilze

Fossilfäden
Diese verzweigten Fäden sind 635 Millionen Jahre alt und könnten Relikte früher urzeitlicher Landpilze sein. © Andrew Czaja/ University of Cincinnati

Uralte Fädchen: In China haben Paläontologen die möglicherweise ältesten Fossilien einer terrestrischen Lebensform entdeckt. Es handelt sich um 635 Millionen Jahre Fadenstrukturen, die organische Merkmale aufweisen und den Hyphen und Sporen einigen heutiger Pilze ähneln. Sollte es sich tatsächlich um frühe Pilze handeln, wäre dies der früheste Fossil-Beleg für eine Besiedlung des Landes durch Organismen, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.

Pilze sind die zweitgrößte Organismengruppe und eine der ältesten Lebensformen unseres Planeten. Genvergleiche legen nahe, dass die ersten Pilze schon vor mindestens 1,5 Milliarden Jahren entstanden. Die bisher ältesten eindeutig als Pilz erkennbaren Fossilien stammen aus der Zeit vor rund 800 Millionen Jahren. Diese fädigen Ur-Pilze lebten wahrscheinlich am Rand einer urzeitlichen Küstenlagune und könnten daher schon erste Anpassungen an zeitweiliges Trockenfallen ihres Lebensraums besessen haben.

Wann besiedelten die ersten Pilze das Land?

Wann die Pilze das Land eroberten, ist jedoch bislang unklar. Einige Forscher gehen davon aus, dass dies erst gemeinsam mit den ersten Pflanzen geschah, andere halten die Pilze für die ersten mehrzelligen Landbewohner. Das bisher älteste Fossil eines Landpilzes stammt aus der Zeit vor rund 410 Millionen Jahren und damit aus einer Zeit, als es schon erste Landpflanzen gab.

Doch jetzt haben Forscher um Tian Gan von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften im Süden Chinas Fossilien entdeckt, die den Landgang der Pilze deutlich weiter in die Vergangenheit verschieben könnte. Denn diese Fossilien wurden in einer Gesteinsformation gefunden, die vor 635 Millionen Jahren an Land lag. „Es war eine ganz zufällige Entdeckung, aber dann wurde uns klar, dass dies das Fossil sein könnte, nachdem Wissenschaftler schon so lange suchen“, sagt Gan.

Pilzfäden
Mikroskop-Aufnahmen der Fäden mit ihren kugelförmigen Anhängen sowie von A-förmigen Verbindungsstellen zwischen einzelnen Filamenten. © Gan et al./ Nature Communications, CC-by-sa 4.0

Verzweigte Fäden mit rundlichen Auswüchsen

Die Fossilien bestehen aus weniger als neun Mikrometer dünnen Fädchen, die in Senken und Ritzen von Dolomitgestein gefunden wurden. Diese Fäden sind teilweise gebogen und meist verzweigt, einige bilden auch A- oder H-förmige Verbindungen, wie Gan und seine Kollegen berichten. Mikroskopische Analysen zeigen, dass die Fäden keine internen Trennwände besitzen. Dafür tragen sie teils an den Enden, teils seitlich kleine rundliche Auswüchse.

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Doch worum handelt sich bei diesen Fäden? Sind sie das Relikt einer Lebensform oder vielleicht doch nur mineralische Strukturen? Um das zu klären, haben Gan und sein Team die Funde chemisch und isotopisch analysiert und dabei neben Mineraleinlagerungen auch organische Bestandteile nachgewiesen. Zudem haben sie die Merkmale der Fossilien mit möglichen Urhebern verglichen.

Große Ähnlichkeit mit modernen Pilzhyphen

Das Ergebnis: „Die Mikrofossilien zeigen morphologische Merkmale, die einen abiotischen Ursprung ausschließen“, berichten Gan und seine Kollegen. Demnach bilden mineralische Filamente keine A- oder H-Verbindungen oder verzweigten Netzwerke. Auch die gebogene Form der Fossilien passt eher zu flexiblen organischen Fäden als zu steifen Mineralnadeln.

Deutliche Übereinstimmungen gebe es dagegen zwischen den Fossilfäden und den Hyphen einiger moderner Pilzgruppen wie den Zygomyceten, erklären die Forscher. Auch deren Pilzfäden haben meist keine internen Kammern und bilden ähnlich geformte Verbindungsstellen wie bei den fossilen Filamenten. „Im Zuge der pilzähnlichen Morphologie könnten die kleinen Kugeln an den Fossilfäden als Pilzsporen interpretiert werden“, so Gan und sein Team. Solche seitlichen und endständigen Sporen seien von einigen Zygomyceten und viele anderen Pilzen bekannt.

Älteste Fossilien eines landlebenden Organismus

Sollte es sich bei den neuentdeckten Fossilien tatsächlich um Pilze handeln, dann wären sie die ältesten bisher bekannten Relikte von Landpilzen – und die ältesten Fossilien eines landlebenden Organismus überhaupt. „Unser pilzähnliches Fossil ist rund 240 Millionen Jahre älter als die früheren Funde. Es ist der mit Abstand älteste Fund eines terrestrischen Pilzes“, sagt Koautor Shuhai Xiao vom Virginia Polytechnic Institute (Virginia Tech) in Blacksburg.

Das könnte bedeuten, dass die Pilze lange vor den ersten mehrzelligen Pflanzen die urzeitlichen Landmassen eroberten. „Zusammen mit anderen terrestrischen Mikroorganismen wie Cyanobakterien und Grünalgen könnten diese pilzähnlichen Organismen ein erstes einfaches Landökosystem gebildet haben“, erklären die Wissenschaftler. Dann hätten diese Pilze eine wichtige Rolle auch für die geobiochemischen Stoffkreisläufe jener Zeit gespielt, indem sie die chemische Verwitterung von Gestein förderten und so zur mineralischen Bindung von Kohlendioxid, aber auch zum Transport von Nährstoffen ins Meer beitrugen.

Noch allerdings muss die Pilznatur dieser Mikrofossilien endgültig bewiesen werden. Bisher spricht zwar einiges für dieser Zuordnung, sicher ist sie aber nicht, wie auch Xiao einräumt: „Am ehesten lässt sich vielleicht sagen, dass wir zumindest nicht widerlegen können, dass es sich um Pilze handelt. Sie sind momentan die beste Erklärung, die wir haben.“ (Nature Communications, 2021; doi: 10.1038/s41467-021-20975-1)

Quelle: Virginia Tech

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