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Archäologie

Schädel-Chirurgie schon im bronzezeitlichen Israel

Ausgrabung belegt Hirn-OP bei hochrangigem, chronisch krankem Mann vor 3.500 Jahren

Schädelloch
Dieses Loch im Schädel eines vor 3.500 Jahren in Israel gestorbenen Mannes deutet auf eine Schädel-OP hin. © Kalisher et al./ PLOS ONE, CC-by 4.0

Riskante Behandlung: Archäologen haben in Israel den ältesten Beleg für eine Trepanation im Nahen Osten entdeckt – einer Operation, bei der ein Loch in den Schädel gebohrt wird. Der Eingriff fand vor rund 3.500 Jahren bei einem Mann hoher sozialer Stellung statt. Dieser litt offenbar an angeborenen Fehlbildungen, außerdem zeigt sein Skelett Spuren einer akuten Infektion. Der Patient überlebte seine Schädel-OP zwar nicht, dennoch belegt der Fund, dass hochrangige Personen schon in der Bronzezeit Zugang zu komplexer medizinischer Versorgung hatten.

Schon vor Jahrtausenden führten Menschen in verschiedenen Regionen der Erde chirurgische Öffnungen des Schädels durch. Bei dieser sogenannten Trepanation wird ein Loch in den Schädel geschnitten, geschabt oder gebohrt. Archäologische Funde belegen, dass mehrere dieser Patienten den riskanten Eingriff überlebt haben. Überdies gibt es Hinweise darauf, dass die urzeitlichen Chirurgen an Tierschädeln geübt haben.

Unklar ist allerdings, welchem Zweck die Trepanationen dienten. Diskutiert werden sowohl medizinische Indikationen – etwa zur Senkung des Hirndrucks – als auch rituelle Gründe, beispielsweise, um böse Geister heraus oder göttliche Kräfte hineinzulassen.

Skelette
Lage der beiden Skelette in der Nähe eines bronzezeitlichen Palastes. © Kalisher et al./ PLOS ONE, CC-by 4.0

Trepanation im Alten Orient

Ein Team um Rachel Kalisher von der Brown University in Rhode Island hat nun in einer Grabstätte in der antiken Stadt Megiddo in Israel zwei Skelette gefunden, die von Brüdern stammten. Bei einem von ihnen war eine Trepanation durchgeführt worden. Der Analyse zufolge lebten die Brüder in der späten Bronzezeit rund 1500 vor Christus und gehörten einer hochgestellten Familie an. Ihr Grab grenzte an einen bronzezeitlichen Palast und war mit reichen Beigaben ausgestattet.

Der Fund ist der bisher früheste Beleg für eine Trepanation im Alten Orient. „Wir haben Beweise dafür, dass die Trepanation über tausende Jahre eine universelle, weit verbreitete Art der Chirurgie war“, sagt Kalisher. „Aber im Nahen Osten sehen wir sie nicht so häufig – es gibt nur etwa ein Dutzend Beispiele für Trepanationen in der gesamten Region.“ Durchgeführt wurde die Öffnung des Schädels offenbar, indem vier sich kreuzende Linien in die Stirn des Patienten geritzt wurden und mit Hilfe eines Hebels ein quadratisches Loch geschaffen wurde.

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Schädel-OP gegen medizinische Probleme?

Als Grund für die Operation geht das Forschungsteam von medizinischen Ursachen aus. So wies das Skelett des bronzezeitlichen Patienten Anomalien auf, die auf ein angeborenes Syndrom schließen lassen, darunter einen zusätzlichen Backenzahn. Auch der jüngere Bruder des Operierten hatte einzelne Entwicklungsanomalien im Kiefer, die allerdings weniger stark ausgeprägt waren.

Zudem stellten Kalisher und ihr Team bei beiden Skeletten Anzeichen einer akuten Infektionskrankheit fest. Die Porosität der Knochen sowie Hinweise auf Entzündungsreaktionen könnten den Forschenden zufolge zu einer Lepra passen. Sollte sich dies bestätigen, wäre dies der früheste Beleg für diese von Bakterien verursachte Erkankung im Nahen Osten.

„Allerdings ist die Lepra schwer zu erkennen, weil sie die Knochen in verschiedenen Stadien befällt, die nicht bei jedem in der gleichen Reihenfolge oder mit dem gleichen Schweregrad auftreten“, erklärt Kalisher. „Es ist für uns daher schwer, eindeutig zu sagen, ob diese Brüder Lepra oder eine andere Infektionskrankheit hatten.“

Sozialstatus verhalf zu medizinischer Behandlung

Der Operierte wurde den Analysen zufolge zwischen 21 und 46 Jahre alt – ein erstaunlich hohes Alter für eine Person, die wahrscheinlich an einer angeborenen Erkrankung litt. Grund dafür war wahrscheinlich sein hoher Sozialstatus, vermutet Kalisher. „Wer zur Elite gehörte, musste wahrscheinlich weniger arbeiten, hatte womöglich Zugang zu einer speziellen Diät und zu medizinischer Versorgung. Auf diese Weise war es möglich, eine schwere Krankheit länger zu überleben“, erklärt sie.

Die Schädeloperation verlängerte das Leben des Operierten allerdings nicht: Da die Knochen rings um die Öffnung keine Spuren von Heilung aufweisen, folgert das Forschungsteam, dass der Mann kurz nach der Operation verstorben ist. Ob die Operation Ursache des Todes war oder nur das zugrundeliegende, tödliche Leiden nicht mehr bekämpfen konnte, ist unklar. Auch der nicht operierte jüngere Bruder verstarb – nach Ansicht der Forscher wahrscheinlich an der Infektionskrankheit. Er erreichte ein Alter von etwa Anfang 20. (PLoS ONE, 2023, doi: 10.1371/journal.pone.0281020)

Quelle: PloS, Brown University

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