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Archäologie

Neue Funde in versunkener Bronzezeit-Stadt

Ausgrabungen im Irak enthüllen 3.400 Jahre alte Großbauten, Werkstätten und Keilschrift-Briefe

Kemune
Blick auf die 3.400 Jahre alten Mitanni-Ruinen im ausgetrockneten Gebiet des Mosul-Stausees.© Universitäten Freiburg und Tübingen/ KAO

Von der Dürre freigelegt: Der sinkende Pegel des Mosul-Stausees im Irak hat die Ruinen einer Bronzezeit-Stadt enthüllt. Jetzt haben Archäologenweitere Teile dieser 3.400 Jahre alten Stadt ausgegraben – und mehr als 100 Keilschrifttafeln zutage gefördert. Großbauten wie ein Palast, Warenspeicher und Befestigungsanlagen legen nahe, dass die Stadt ein wichtiges Zentrum des Mitanni-Großreichs war, das einst vom Mittelmeer bis nach Mesopotamien reichte.

Der Irak ist eines der weltweit am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder. Besonders der Süden des Landes leidet seit Jahren unter extremer Trockenheit und der Pegel des Mosul-Stausees am Tigris erreicht immer wieder extreme Niedrigstände. Im Herbst 2018 traten dadurch bei Kemune am Ostufer des Stausees die ersten Ruinen eines antiken Palastes zutage, den Archäologen auf ein Alter von rund 3.400 Jahren datierten. Schon damals legten die Funde nahe, dass es sich um Bauten des Mitanni-Großreichs handeln könnte.

Keilschrifttafeln
Eines der Keramikgefäße mit Keilschrifttafeln. Eine Tafel steckt noch in ihrer ursprünglichen Tonhülle. © Universitäten Freiburg und Tübingen/ KAO

Festungsmauern, Warenlager und Werkstätten

Das Auftauchen der Ruinen brachte Archäologen im Zugzwang: Es galt, die einzigartigen Bauten so schnell wie möglich zu untersuchen und mögliche Funde zu bergen – bevor das Wasser des Mosul-Stausees wieder ansteigt und alles wieder versinkt. Im Januar und Februar 2022 hat daher ein Team deutscher und kurdischer Archäologen eine Rettungsgrabung in Kemune durchgeführt. Dabei entdeckten sie neben dem schon bekannten Palast mehrere weitere Großbauten und konnten die Mitanni-Stadt kartieren.

Unter den Großbauten sind eine massive Befestigungsanlage mit Mauer und Türmen, ein monumentales, mehrstöckiges Magazingebäude sowie ein industrieller Komplex aus Werkstätten für die Produktion verschiedener Güter. „Das riesige Magazingebäude ist von besonderer Bedeutung, weil darin enorme Mengen an Gütern gelagert worden sein müssen, die wahrscheinlich aus der gesamten Region herbeigeschafft wurden“, erläutert Ivana Puljiz von der Universität Freiburg.

100 Keilschrifttafeln samt „Briefumschlägen“

Besonders spannend und bedeutsam ist der Fund von mehr als 100 Keilschrifttafeln, die in fünf großen Keramikbehältern aufbewahrt worden waren. Dadurch haben sie die Zeit relativ geschützt überdauert. Ersten Analysen zufolge stammen die Keilschrifttafeln aus der Zeit vor rund 3.350 Jahren und damit aus mittelassyrischer Zeit. Einige Tontafeln, bei denen es sich vielleicht um Briefe handelt, stecken sogar noch in ihren Umschlägen aus Ton, wie die Archäologen berichten.

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Vom Inhalt der Keilschrifttafeln erhoffen sich die Forschenden wertvolle Informationen über das Ende der Mittani-Zeit und den Beginn der assyrischen Herrschaft in dieser Region. „Dass die Keilschrifttafeln aus ungebranntem Ton so viele Jahrzehnte unter Wasser überdauert haben, grenzt an ein Wunder“, sagt Peter Pfälzner von der Universität Tübingen.

Durch Erdbeben-Trümmer konserviert

Nach Angaben der Archäologen bestätigen die neuen Funde, dass es sich bei dieser Bronzezeit-Stadt um die Stadt Zachiku handeln könnte – und damit um ein altes und überregional bedeutendes Zentrum des Mitanni-Reichs. Diese Stadt wird schon vor rund 3.800 Jahren erstmals in altorientalischen Aufzeichnungen erwähnt. Sie bestand demnach sogar schon vor der Blütezeit der Mitanni-Kultur und war während des Mitanni-Großreichs eine wichtige Metropole.

Erstaunlich dabei: Obwohl die Bronzezeit-Bauten tausende Jahre alt sind und mehr als 40 Jahre im Wasser des Mosul-Stausees versunken waren, sind sie relativ gut erhalten. Selbst die aus ungebrannten Lehmziegeln bestehenden Mauern sind noch weitgehend intakt. Das Team führt dies darauf zurück, dass die oberen Gebäudeteile um 1350 vor Christus bei einem Erdbeben zerstört wurden. Die dabei entstandenen Trümmer begruben die unteren Mauerteile unter sich. Dadurch blieben diese vor Wasser und Witterung geschützt.

Ruinen sind wieder versunken

Um weitere Schäden an der bedeutenden Ruinenstätte durch den Stausee abzuwenden, haben die Archäologen und ihre Helfer im Frühjahr 2022 die ausgegrabenen Gebäude mit enganliegender Plastikfolie umkleidet und mit Kiesschüttungen bedeckt. Dadurch sollen die Mauern aus ungebranntem Lehm und eventuelle weitere in den Ruinen noch verborgene Funde vor dem Wasser geschützt werden. Diese Konservierungsmaßnahmen kamen gerade noch rechtzeitig: Inzwischen ist der Fundort wieder vollständig überflutet.

Quelle: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

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