Anzeige
Archäologie

2,9 Millionen Jahre alte Werkzeuge entdeckt

In Kenia entdeckte Steinwerkzeuge werfen neues Licht auf den Ursprung der Oldowan-Technologie

Oldowan-Werkzeuge
Diese Hammersteine, Schaber und Steinklingen sind rund 2,9 Millionen Jahre alt und wurden am Viktoriasee in Kenia gefunden. © T.W. Plummer, J.S. Oliver, and E. M. Finestone/ Homa Peninsula Paleoanthropology Project

Spektakulärer Fund: Am Viktoriasee in Kenia haben Forschende die ältesten Exemplare von Oldowan-Steinwerkzeugen entdeckt – der Technologie, die den ersten Frühmenschen zum Aufstieg verhalf. Die rund 2,9 Millionen Jahre alten Hammersteine und Abschläge zeigen deutliche Gebrauchsspuren, Schnittspuren an Tierknochen belegen ihren Einsatz auch bei Schlachtungen. Spannend auch: Inmitten der Werkzeuge lagen zwei Backenzähne des Vormenschen Paranthropus. Das stellt bisherige Annahmen zu den Urhebern der Oldowan-Technologie in Frage, so das Team in „Science“.

Lange galt der Homo habilis als erster „Werkzeugmacher“ der Menschheitsgeschichte. Erst Frühmenschen der Gattung „Homo“, so glaubte man, waren zu dieser Leistung imstande. Doch inzwischen ist klar, dass unsere Vorfahren schon früher, vor rund 3,3 Millionen Jahren, erste simple Steinwerkzeuge schufen, indem sie Steinbrocken auf Felsunterlagen schlugen. Diese frühen Werkzeuge waren jedoch sehr grob und kaum von ähnlichen Brocken zu unterscheiden, die einige Affenarten bis heute produzieren.

Meilenstein der prähistorischen Technologie

Ganz anders ist dies mit den Werkzeugen der Oldowan-Technik. Sie repräsentieren einen echten Entwicklungssprung der prähistorischen Technologie. Der Oldowan-„Werkzeugkasten“ umfasste drei verschiedene Werkzeugtypen, die durch gezieltes und systematisches Aneinanderschlagen von zwei in der Hand gehaltenen Steinen hergestellt wurden: Hammersteine dienten als Schlagwerkzeug, flache, scharfkantige Steinabschläge als Klingen und Messer, während der ovale, ebenfalls scharfkantige Reststein als Schaber oder Axt verwendet werden konnte.

„Die Oldowan-Technologie eröffnete unseren Vorfahren plötzlich ganz neue Möglichkeiten, sich Nahrung zu verschaffen“, erklärt Richard Potts vom National Museum of Natural History in Washington DC. Doch wann unsere Vorfahren diesen Meilenstein der Werkzeugentwicklung erreichten und welche Vor- oder Frühmenschenart die Oldowan-Werkzeuge schuf, ist unklar. Die mit 2,6 Millionen Jahren bisher ältesten Oldowan-Funde stammen aus Ledi-Geraru in der Afar-Region Äthiopiens.

Fundort
Lage der Fundstelle auf der Homa-Halbinsel am Viktoriasee. © J. S. Oliver / Homa Peninsula Paleoanthropology Project

2,9 Millionen Jahre alte Oldowan-Werkzeuge

Jetzt gibt es weitere Funde, die ganz neue Einblicke in die Oldowan-Technologie und ihre Ursprünge bieten. Entdeckt haben sie Thomas Plummer vom Queens College in New York und sein Team in Nyayanga am Ufer des Viktoriasees in Kenia. Bei den seit 2015 laufenden Ausgrabungen auf der Homa-Halbinsel stießen die Paläoanthropologen auf mehr als 330 Steinwerkzeuge aus Quarz, Quarzit, Granit und anderen Gesteinen, die den drei für die Oldowan-Kultur typischen Werkzeugformen entsprachen.

Anzeige

„Die technologischen Merkmale dieser Werkzeuge, wie die Größen der Abschläge und Kerne sowie die Anzahl der Abschlagsspuren auf den Steinkernen entsprechen denen anderer Oldowan-Funde“, berichten die Forschenden. Datierungen mithilfe mehrerer unterschiedlicher Methoden ergaben, dass diese Steinwerkzeuge zwischen 2,58 und drei Millionen Jahre alt sind. Wahrscheinlich ist ein Alter von rund 2,9 Millionen Jahren, wie die Paläoanthropologen erklären.

„Damit ist dies eines der ältesten, wenn nicht sogar das älteste Zeugnis der Oldowan-Technologie“, sagt Plummer.

Gebrauchsspuren zeigen Einsatzzweck

Interessant auch: Anders als frühere Funde weisen die Steinwerkzeuge aus Nyayanga deutliche Gebrauchsspuren auf. Gruben und Schrammen auf den Hammersteinen sowie winzige Pflanzenreste in den Unebenheiten deuten darauf hin, dass sie zum Zerkleinern verschiedener Nahrungspflanzen verwendet wurden, darunter Wurzeln, Früchte und Blätter, aber auch härtere Pflanzenteile. Andere Steinwerkzeuge lagen direkt neben einigen Tierknochen aus der gleichen Zeit, darunter Flusspferde, Säbelzahnkatzen und Rohrratten (Thryonomyidae).

An einigen dieser Knochen zeugen Schnitt- und Schlagspuren davon, dass die Werkzeugmacher diese Tiere geschlachtet oder zumindest zerlegt haben müssen, wie das Team erklärt. Dabei schabten oder schnitten die Vor- oder Frühmenschen mit ihren Klingen das Fleisch von den Knochen und zerschlugen die Beinknochen mit Hammersteinen, um an das nahrhafte Knochenmark zu gelangen.

„Das zeigt, dass der Oldowan-Werkzeugkasten genutzt wurde, um eine breite Vielfalt an pflanzlicher und tierischer Nahrung zu verarbeiten“, sagt Plummer. „Dies vertieft unser Wissen darüber, welche adaptiven Vorteile diese frühe Steintechnologie für diese Jäger und Sammler hatte.“

Paranthropus-Zähne
In Nyayanga gefundene Backenzähne des Paranthropus. © S. E. Bailey/ Homa Peninsula Paleoanthropology Project

Vormensch Paranthropus als Werkzeugmacher?

Noch spannender jedoch: Die Ausgrabungen lieferten auch einen ersten Hinweis darauf, wer diese Steinwerkzeuge vor rund 2,9 Millionen Jahren hergestellt haben könnte. Denn inmitten der Werkzeuge entdeckten die Wissenschaftler auch zwei Backenzähne eines Vormenschen der Gattung Paranthropus. Dieser gilt als Verwandter oder Abkömmling der Australopithecinen, war aber deutlich robuster und kräftiger als sie.

„Bisher gingen Forscher davon aus, dass die Oldowan-Technologie von der Gattung Homo erfunden wurde“, sagt Potts. „Aber die Entdeckung des Paranthropus neben diesen Steinwerkzeugen eröffnet nun eine ganz neue Wendung in dieser faszinierenden Detektivgeschichte.“ Es wäre demnach möglich, dass die fortgeschrittene und bahnbrechende Oldowan-Technologie schon von diesem Vormenschen entwickelt wurde.

Frühe Verbreitung der Technologie

Allerdings: „Auch die Gattung Homo war zur jener Zeit schon in Ostafrika präsent, auch wenn wir sie bisher nicht in Nyayanga gefunden haben. Daher können wir nicht mit Sicherheit sagen, zu welcher Homininenart diese Werkzeuge gehörten“, betonen die Wissenschaftler. Die neuen Funde belegen aber in jedem Fall, dass die bahnbrechende Oldowan-Technologie früher entstanden ist als angenommen – und dass sie schon früh über das Afar-Dreieck hinaus in Ostafrika verbreitet war.

Von Ostafrika breitete sich die Oldowan-Technologie dann relativ schnell über Afrika aus und gelangte mit dem Homo erectus sogar bis nach Ostasien. Erst vor rund 1,7 Millionen Jahren wurde sie allmählich durch die noch ausgereifteren Faustkeile der Acheuleen-Technologie abgelöst. (Science, 2023; doi: 10.1126/science.abo7452)

Quelle: Science, Smithsonian Institution

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

News des Tages

Bücher zum Thema

Die Ursprünge der Menschheit - von Fiorenzo Facchini

Top-Clicks der Woche