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Neurobiologie

Eine Fliege beim Geschmackstest

Fruchtfliegen helfen beim Nachweis eines eigenen Geschmackssinns für Alkalisches

Fruchtfliege
Eine Fruchtfliege im Geschmackstest. © Yali Zhang/ Monell Chemical Senses Center

Wählt sie Rot oder Blau? Diese Fruchtfliege arbeitet für die Wissenschaft. Denn ihre Verkostung dieser beiden farbigen Tropfen verrät, ob sie einen zusätzlichen Geschmackssinn besitzt – den Sinn für Alkalisches. Während wir Menschen und die meisten Tiere Säure als eigenen Geschmack wahrnehmen können, war dies beim anderen Extrem der pH-Skala, den Basen, bisher unklar. Doch die Fruchtfliege beweist nun: Es gibt im Tierreich einen Sensor für Alkalisches – vielleicht existiert er sogar bei uns Menschen.

Der Geschmack ist einer unserer ältesten und wichtigsten Sinne, er spielt eine wichtige Rolle als Warnmelder für giftige oder verdorbene Nahrung. Kein Wunder, dass sich der Geschmacksinn auch beim ungeborenen Baby als einer der ersten Sinne entwickelt. Gängiger Lehrmeinung nach existieren im Tierreich Sensoren für fünf grundlegende Geschmacksreize: bitter, salzig, süß, sauer und umami. Wir Menschen schmecken alle fünf Aromen, andere Tiergruppen wie haben dagegen einige Geschmacks-Rezeptoren verloren.

Gibt es einen Sinn für Alkalisches?

Doch schon länger wirft der Geschmackssinn eine grundlegende Frage auf: Wenn wir und andere Tiere Saures schmecken können und damit Substanzen mit niedrigem pH-Wert – warum gibt es dann keinen eigenen Sensor für Alkalisches? Denn ein zu hoher pH-Wert kann ebenso giftig und ätzend sein wie eine Säure. „Es wäre daher nur logisch, wenn auch Basen einen spezifischen Geschmacksreiz hervorrufen würden“, erklären Tingwei Mi vom Monell Chemical Senses Center in Philadelphia und seine Kollegen.

Tatsächlich haben Tests in den 1940er Jahren erste Hinweise darauf geliefert, dass wir Menschen möglicherweise tatsächlich einen Sinn für Alkalisches haben – echte Beweise blieben aber aus. „Seit diesen frühen Studien wurde nur wenig mechanistische Forschung betrieben, um die molekularen und zellulären Grundlagen des alkalischen Geschmacksempfindens zu entschlüsseln“, erklären Mi und seine Kollegen.

Fruchtfliegen als Tester

An diesem Punkt kommt die Fruchtfliege Drosophila melanogaster ins Spiel: Sie kann, wie wir Menschen, alle fünf Grundgeschmäcker wahrnehmen, bei ihr ist es aber erheblich einfacher, die für die Rezeptoren zuständigen Gene zu identifizieren. Für ihre Studie deaktivierten Mi und sein Team eines der Gene, das sie als Bauplan für den Alkali-Rezeptor im Verdacht hatten. Dann führten sie Geschmackstests mit normalen und den genmanipulierten Fruchtfliegen durch-

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Hier im Bild ist eine solche Fruchtfliege beim Geschmackstest zu sehen: Die Fliege bekommt zwei Tropfen Zuckerlösung angeboten, der blau eingefärbte enthält aber zusätzlich ein wenig Natronlauge (NaOH) – eine typische Base. Wenn die Fliege Alkalisches schmecken kann, müsste sie einen der beiden Tropfen bevorzugt aufschlürfen. Würde sie den roten oder den blauen Tropfen wählen?

Ein eigener Sinn für Alkalisches

Die Tests ergaben: Fruchtfliegen können Alkalisches schmecken und meiden dieses Aroma. Möglich wird dies durch ein Alkaliphile (Alka) getauftes Gen. Dieses enthält die Bauanleitung für einen Ionenkanal, der durch Kontakt mit Hydroxid-Ionen (OH) aktiviert wird – der funktionellen Gruppe, die alle alkalischen Laugen auszeichnet. „Unsere Arbeit hat damit die Frage geklärt, ob es einen eigenen Geschmack für Alkalisches gibt – er existiert definitiv“, sagt Mis Kollege Yali Zhang.

Das könnte bedeuten, dass nicht nur die Fruchtfliege diesen Sinn für Basisches besitzt – möglicherweise haben ihn auch andere Tiere und sogar der Mensch. „Der pH-Wert spielt bei der Nahrungswahl vieler Tierarten eine wichtige Rolle“, erklären die Forschenden. Sie halten es daher für sehr wahrscheinlich, dass es auch bei anderen Tieren solche Rezeptoren für Alkalisches gibt. (Nature Metabolism, 2023; doi: 10.1038/s42255-023-00765-3)

Quelle: Monell Chemical Senses Center

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