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Zoologie

(Zu) „heiße“ Zeiten für Schnabeltiere

Klimawandel bringt urtümliche Säuger in Gefahr

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Trotz der verblüffenden Fähigkeiten und Anpassungen war das Leben im heißen und trockenen Australien für Schnabeltiere noch nie einfach. Doch nun sieht es so aus, als wenn die Zeiten für die wehrhaften Wesen bald noch deutlich härter werden könnten. Diese Ansicht vertreten zumindest Wissenschaftler um Jenny Davis, Ross Thompson und Melissa Klamt von der Monash-University in Melbourne.

Die Ökologen vom Center für Biodiversitätsforschung sind im Jahr 2011 auf eine Bedrohung gestoßen, deren Wirkung auf die Schnabeltiere bislang offenbar vollständig unterschätzt wurde: Den Klimawandel. Wie die Wissenschaftler bei der Analyse von Wetter- und Populationsdaten aus den letzten gut 200 Jahren feststellten, reagieren die urtümlichen Säuger bereits jetzt viel empfindlicher auf die globale Erwärmung als bislang gedacht.

Nicht anpassungsfähig genug?

„Schnabeltiere sind erstaunliche Tiere, von denen wir glaubten, dass sie ziemlich anpassungsfähig sind“, meint Klamt. „Aber wir haben Indizien dafür gefunden, dass die Erwärmung ihr Verbreitungsgebiet entscheidend beeinflusst.“ Der Trend zu höheren Temperaturen und immer weniger Regen bis hin zu langandauernden Dürren in Südostaustralien wird zudem den Lebensraum für Schnabeltiere in den nächsten 60 Jahren um rund ein Drittel schrumpfen lassen, so die Forscher weiter.

Im Extremfall könnten die Tiere sogar nur in einigen wenigen, heute noch deutlich kühleren Bereichen wie Tasmanien oder King und Kangaroo Island auf Dauer überleben. Ein Grund: Die drohenden Hitzewellen und Dürren könnten künftig viele der bei den Schnabeltieren beliebten Gewässer verschwinden lassen. In den verbliebenen Flüssen, Tümpeln und Teichen müssten die Säuger zudem mit immer wärmer werdendem Wasser zurechtkommen. Und genau das könnte sie nach Angaben der Wissenschaftler in echte Schwierigkeiten bringen.

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Schnabeltier-Lebensraum © User:Nil / GFDL

Luxuriöse „Pelzmäntel“

„Ein Schnabeltier ist ein wunderbar isoliertes Tier – es schwimmt herum in einem der luxuriösesten ‚Pelzmäntel‘ überhaupt“, erklärt Davis. Dieser erlaube es ihm beispielsweise, zehn Stunden am Tag in nahe 0° Grad kaltem Wasser nach Nahrung zu suchen. Doch genau diese gute Wärmedämmung könnte sich bei steigenden (Wasser-)Temperaturen als Achillesferse erweisen. „Schnabeltiere haben nur begrenzte Möglichkeiten, ihre Körpertemperatur zu verringern“, erklärt Davis.

Sie könnten lediglich in ihren vergleichsweise kühlen Erdbauten Schutz suchen. Doch spätestens wenn der Hunger zu groß wird oder die Paarungszeit ansteht, müssen sie diese immer wieder für einen längeren Zeitraum verlassen. Dann droht der Tod durch gefährliche Überhitzung. „Wenn die Sommertemperaturen künftig zu warm werden, sind Schnabeltiere verwundbar“, lautet das Fazit der Ökologin. Und ihr Kollege Thompson meint: „Dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass der Klimawandel ein wichtiger Faktor ist, der unsere einheimische Artenvielfalt beeinflusst.“

Neben der globalen Erwärmung haben die Wissenschaftler aber auch noch andere Faktoren ausgemacht, die den Lebensraum der Schnabeltiere in den nächsten Jahrzehnten zunehmend einschränken könnten. Dazu gehören starke Wasserentnahmen aus den Flüssen, das Abholzen der wenigen verbliebenen Wälder und der Bau von Dämmen – etwa zur Energiegewinnung.

Pilze bedrohen tasmanische Schnabeltiere

Ein ganz anderes Phänomen macht dagegen den Schnabeltierforschern auf Tasmanien seit einigen Jahren zu schaffen und lässt sie um den Erhalt der dortigen Populationen zittern: Eine Pilzkrankheit. „Die Krankheit wurde das erste Mal 1986 von einem Tierarzt in Tasmanien beschrieben. Er war mit seinen Hunden spazieren, als er einige sehr krank und traurig aussehende Schnabeltiere entdeckte, mit großen Geschwüren auf dem Rücken und dem Schwanz. Erst acht Jahre später haben wir herausgefunden, dass diese Krankheit von einem Pilz ausgelöst wird, der normalerweise Amphibien befällt“, sagt der Mediziner Niall Stewart von der Universität von Tasmanien in einem Beitrag des Deutschlandfunks.

Längst seien viele Tiere an dieser Erkrankung gestorben, die erstaunlicherweise nur die tasmanischen und nicht die australischen Schnabeltiere befällt. Neue Zahlen zeigten jedoch, dass die Epidemie mit Mucor amphibiorum, so der Name des Pilzes, langsam abzuebben scheint – warum auch immer. Doch die Wissenschaftler können und wollen noch keine Entwarnung geben. Denn über die tatsächlichen Bestände der scheuen tasmanischen Schnabeltiere ist noch viel zu wenig bekannt.

Schnabeltiere vor dem Aus?

Klimawandel, Lebensraumzerstörung durch den Menschen, Seuchen: Bedrohungen wie diese könnten die zurzeit noch häufigen Schnabeltiere nach Ansicht von vielen Wissenschaftlern schon bald an den Rand des Aussterbens bringen – lange bevor alle Rätsel um die urtümlichsten aller heute lebenden Säugetiere gelöst sind.

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Dieter Lohmann
Stand: 30.09.2011

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

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