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Technik

Wunderwaffe Guttapercha

Neue Erfindungen ermöglichen die ersten Seekabel

Bevor im 19. Jahrhundert der Boom bei den Seekabeln losgehen kann, müssen einige wichtige Erfindungen her. Denn die bisher bekannten Materialien wie Kautschuk sind für die Isolierung von Kupferkabeln im Salzwasser ungeeignet und werden schnell spröde. Als neues Wundermittel entpuppt sich schließlich ein klebriger Milchsaft des tropischen Laubbaumes Palaquium gutta, der ausschließlich in den Urwäldern Malaysias und Indonesiens wächst.

Ein englischer Arzt bringt das so genannte Guttapercha 1843 von dort mit nach Europa und präsentiert es in London der Royal Society. Der englische Physiker und Chemiker Michael Faraday erkennt schnell seine Vorteile: Bei Raumtemperatur ist es zäh und elastisch, erhitzt man Guttapercha jedoch auf mehr als 50 °C wird es weich und ist gut zu verarbeiten.

Werner von Siemens © Gemeinfrei

Neues Material auf der Überholspur

Und der getrocknete Milchsaft hat noch weitere entscheidende Vorteile: Das Guttapercha wird nicht so schnell brüchig und isoliert gut. Ein besseres Material für die Seekabel kann es doch kaum geben. Dies denkt auch Werner von Siemens, als er über seinen in England lebenden Bruder Wilhelm und Faraday von Guttapercha hört.

Nach einigem Experimentieren gelingt es ihm und seinen Helfern schließlich, im Jahr 1847 ein Verfahren und eine völlig neuartige Presse zu entwickeln, um die altbekannten Kupferkabel mit einer nahtlosen Schicht aus Guttapercha zu versehen. Der Siegeszug des neuen Werkstoffs als Isolationsmaterial ist nicht mehr aufzuhalten.

Schon im Jahr 1851 schaffen es die Briten Jacob und John Watkins Brett das erste funktionstüchtige Unterseekabel zu verlegen. Es verbindet Calais und Dover. Animiert durch den Erfolg machen sich Ingenieure und Techniker vielerorts daran den Brüdern nachzueifern – oftmals mit positivem Ausgang. Die Brett‘s selber installieren 1854 eine Telegrafenverbindung zwischen dem französischen Festland und den Inseln Korsika und Sardinien.

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Cyrus West Field © Gemeinfrei / National Portrait Gallery

Vision Transatlantikkabel

Aber trotz aller Fortschritte und Projekte: Die vielleicht wichtigste Telegrafenleitung ist immer noch nicht realisiert, das so genannte Transatlantikkabel. Doch auch daran laufen die Arbeiten bereits auf Hochtouren. Ganz besonders tut sich dabei der durch den Papierhandel reich gewordene amerikanische Geschäftsmann Cyrus West Field hervor. Seit 1853 fasziniert den technischen Laien die Idee, den telekommunikativen Sprung zwischen Alter und Neuer Welt zu schaffen. Seine Vision ist eine Telegrafenleitung, die von Irland bis nach Neufundland in Nordamerika reicht.

Um genug Geld für das teure Vorhaben zur Verfügung zu haben, gründet Field eigens die „Atlantic Telegraph Company”. Zu seinem Expertenteam für die Atlantikquerung gehören unter anderem Samuel Morse, der Fachmann für Tiefseekabel Charles Tilston Bright und der US-amerikanische Marineoffizier und Hydrograf Matthew Maury, der 1854 die erste Tiefenkarte des Nordatlantiks veröffentlicht hat.

Trotzdem gerät 1857 der erste Versuch mithilfe der Schiffe „Agamemnon“ und „Niagara“ eine Nachrichtenverbindung zwischen Europa und den Vereinigten Staaten herzustellen zu einer Pleite. Nachdem alles zunächst glatt zu laufen scheint, hält das Seekabel nach 480 Kilometern der Zugbeanspruchung nicht mehr Stand, reißt und verschwindet auf Nimmerwiedersehen in den Tiefen des Ozeans.

Erfolg mit geringer Halbwertszeit

Doch Field lässt sich von solchen Rückschlägen nicht entmutigen und schickt mithilfe seiner Aktionäre und Geldgeber schon bald die nächste Expedition auf die Reise. Dieses Mal, im Jahr 1858, gelingt die Kabelverlegung über mehr als 4.000 Kilometer einigermaßen problemlos. Am 5. August 1858 steht die Verbindung, doch der Erfolg ist nur von kurzer Dauer. Schon nach knapp vier Wochen bricht die Verbindung zusammen – das Kabel ist defekt. 350.000 Pfund Sterling sind verloren. Gerade mal 400 Mitteilungen sind damals über den Ticker gegangen. Die meisten davon sind jedoch eher Testnachrichten und lauten so oder so ähnlich: „Send word ‚atlantic‘“. „Atlantic“.

Immerhin kann die britische Königin Victoria dem amerikanischen Präsidenten James Buchanan am 16. August 1858 eine Grußbotschaft schicken. Das erste Telegramm durch den Atlantik umfasst 103 Wörter und braucht mehr als einen halben Tag bis es sein Ziel erreicht – von wegen Datenautobahn.

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Stand: 08.05.2009

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Seekabel
Schlagadern der Weltkommunikation

Ein Spinnennetz aus Datenhighways
Welt am Draht

Wunderwaffe Guttapercha
Neue Erfindungen ermöglichen die ersten Seekabel

Ein ausrangierter Passagierdampfer schreibt Geschichte
Transatlantikkabel 2.0

Revolution unter Wasser
Glasfasern hauchen Seekabeln neues Leben ein

Mit Kabellegern auf Expedition
Wie Seekabel auf den Meeresboden kommen

Erdbeben, Piraten, Kabeldiebe
Seekabel in Gefahr

Erst umleiten, dann reparieren
Wie Kabeldefekte gemanagt werden

Der Boom geht weiter
Seekabel: Kein Ende in Sicht

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