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Anthropogeographie

Wenn der Weizen im Trocknen steht

Das Alphabet der Luftbildarchäologie

Dass die Luftbildarchäologie auch nach Jahren auf bereits scheinbar bekannten Flächen, die schon dutzendfach überflogen wurden, immer wieder zu Neuentdeckungen führen kann, macht für viele Archäologen den Reiz an dieser Teildisziplin aus. Auch erfahrene Fotografen finden immer neue Blickwinkel, aus der sie ein Feld, einen Hügel oder einen Waldrand betrachten können. In Abhängigkeit von der Tageszeit und den entsprechenden Lichtverhältnissen verändert sich die Landschaft. Und hinzu kommen natürlich stets veränderte Wetterbedingungen oder der Anbau von unterschiedlichen Feldfrüchten, die ein Feld mal dunkelgrün oder mal hellbraun mit den entsprechenden Schattierungen aussehen lassen.

Den Mustern auf der Spur

Dennoch haben sich im letzten Jahrhundert, in dem die Luftbildarchäologie weiterentwickelt wurde, bestimmte Muster herauskristallisiert, an denen erfahrene Archäologen erkennen können, ob unter der Erde Dinge verborgen liegen, die sich lohnen, ans Licht geholt zu werden.

Kuppen zerpflügter, verebneter Grabhügel als Bodenmerkmale bei Ingoldingen, Baden-Württemberg © Otto Braasch

Dass die unterirdischen Strukturen von römischen Heerlagern, steinzeitlichen Siedlungen oder Steinkreisen sich verraten, liegt an minimalen Unterschieden der Erdoberfläche, sei sie bewachsen oder vegetationsfrei. Hervorgerufen werden sie durch Bodenprozesse oder die Reaktion von Pflanzen auf unterschiedliche Nährstoff- und Wasserangebote. Diese können sich jedoch innerhalb von wenigen Quadratzentimetern stark unterscheiden, je nachdem wie der tiefere Untergrund beschaffen ist. Ursache kann eine Kalkstein-Mauer sein, die in einem Meter Tiefe begraben liegt, ein alter zugeschütteter Wassergraben oder ein Fundament aus festgetretenem Lehm, das von Sand umgeben war und nach und nach überdeckt wurde.

Archäologen unterscheiden verschiedene Merkmale, anhand derer sich Bodendenkmäler aus der Luft erkennen lassen. Sind Flächen über archäologischen Strukturen noch nicht ganz eingeebnet, werden diese Niveauunterschiede durch den Schattenwurf sichtbar. Auch Schneeverwehungen oder Raureif können kleinste Unebenheiten hervorheben. Und bei Hochwasser oder starken Regenfällen können in sonst nicht erkennbaren Mulden Pfützen entstehen, die von leicht höher gelegenen Partien eingeschlossen und überragt werden.

Kein Steinkreis, sondern Spuren einer Sprinkleranlage © Michael Doneus, Universität Wien

Der Untergrund ist entscheidend

Ist die Erdoberfläche bereits völlig eingeebnet, meist durch landwirtschaftliche Nutzung, bleiben nur Bewuchs- und Bodenmerkmale, die die Bodendenkmäler hervortreten lassen. So reagieren Pflanzen auf das Nährstoffangebot im Untergrund. Erodiert beispielsweise eine verschüttete Kalksteinmauer durch Bodenbildungsprozesse, gedeihen Getreidestängel an genau dieser Stelle besser als ihre Nachbarn. Wachsen sie jedoch über einem unterirdischen Kiesbett – einem früheren Weg beispielsweise – stehen den Pflanzen hier weniger Nährstoffe zur Verfügung, als dort, wo in gleicher Tiefe Mutterboden liegt. Auch ehemalige Gräben, in denen sich unterirdisch Bodenfeuchte sammelt, treten hervor, wenn Pflanzen an dieser Stelle besser gedeihen, weil ihnen mehr Wasser zur Verfügung steht.

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Dabei verhalten sich unterschiedliche Pflanzenarten auch auf verschiedene Art und Weise. Liegen archäologische Fundstätten in großer Tiefe, werden sie beispielsweise durch flachwurzelnde Getreidearten wie Weizen oder Gerste nicht abgebildet. Die mit ihren Wurzeln tief in den Boden reichende Luzerne jedoch reagiert auch auf tief verschüttete Unregemäßigkeiten im Untergrund.

Auf unbewachsenem Boden, zum Beispiel auf frisch gepflügten Feldern, sind verborgene Bodendenkmäler durch das Wirken von Bodenbildungsprozessen zu erkennen. Wo Kalkstein verwittert, ist der Mutterboden heller. Wo festgestampfte Lehmfundamente im Untergrund liegen, staut sich Feuchtigkeit, der Boden erscheint dunkler.

Frostpolygone aus der letzten Eiszeit © Michael Doneus, Universität Wien

Täuschungen mit inbegriffen

Nicht alle Muster und Strukturen, die aus der Luft erkennbar sind, weisen jedoch auf archäologische Fundstätten hin. So können ähnliche Erscheinungen auch andere Ursachen haben.

So hat der Archäologe Michael Doneus vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien einige Beispiele zusammengetragen. Da scheint ein Feld einen Steinkreis oder ähnliches zu offenbaren – dabei handelt es sich lediglich um die Spuren einer nicht ganz gleichmäßig funktionierenden Sprinkleranlage. Anhäufungen von Punkten oder wabenförmige Muster scheinen auf alte Gräberfelder oder frühzeitliche Siedlungen hinzuweisen. Doch sie entpuppen sich als Bombenkrater aus dem Zweiten Weltkrieg oder Spuren der letzten Eiszeit, die der Permafrostboden von einst hinterlassen hat.

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Stand: 29.02.2008

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Luftbildarchäologie
Wenn Archäologen zur Cessna statt zum Spaten greifen

Pioniere mit Ballon und Doppeldecker
Die Anfänge der Luftbildarchäologie

Entdeckerjahre für Steinkreis-Fans
Die Megalithen von Südengland

4.000 Jahre verdeckte Geschichte
Der Tavoliere in Apulien

Trockenheit als Standortvorteil
Welche Faktoren erhöhen die Erfolgschancen der Luftbildarchäologie?

Wenn der Weizen im Trocknen steht
Das Alphabet der Luftbildarchäologie

„Fliegen allein reicht nicht“
Der Entdecker des Sonnenobservatoriums in Goseck im Interview

Meister des Wassermanagements
Brunnengalerien an der Seidenstraße

Cessna oder Google Earth?
Von Luft- zu Satellitenbildern

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