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Klima

Was bleibt?

Die Spätfolgen des „Climategate“

Das „Climategate“ im November 2009 war nur der Anfang eines desaströsen Jahres für das Image der Klimaforschung. Kaum zwei Jahre nach dem Hoch durch den Friedensnobelpreis für Al Gore und das IPCC, torpedierten Pleiten, Pech und Pannen die Glaubwürdigkeit der etablierten Klimaforschung schlimmer als je zuvor.

Himalaja und Tibet © Nasa/ISS

Pannenserie beim IPCC

Im Januar 2010 geriet das IPCC wegen falscher Zahlen in seinem vierten Sachstandsbericht unter Beschuss. Im Kapitel zur zukünftigen Entwicklung der Gebirgsgletscher führte ein Zahlendreher dazu, dass das Ende der Himalaya-Gletscher für 2035 statt für 2350 vorhergesagt wurde. Einen weiteren Fehler meldeten IPCC-Wissenschaftler im Februar 2010 selbst: Im Weltklimabericht von 2007 fand sich der Satz: „Die Niederlande sind ein Beispiel für ein Land, das hochgradig gefährdet ist, sowohl durch den Meeresspiegelanstieg als auch durch Flusshochwasser, weil 55 Prozent seines Territoriums unter dem Meeresspiegel liegt.“ Das sei falsch, da nur 26 Prozent der Niederlande tatsächlich unter Normalnull liegen. Stattdessen müsse es heißen: „…weil 55 Prozent der Niederlande von Überflutung bedroht sind.“

Zwar betonte das IPCC in beiden Fällen, dass keine Grundaussagen des Berichts betroffen seien und diese Fehler Einzelfälle darstellen, doch der Schaden war angerichtet. Die Fehler gingen durch alle Medien, Klimaskeptiker aller Couleur nutzten beflissen jede Chance, um grundlegende Zweifel an der Seriosität und Verlässlichkeit der IPCC zu sähen. Möglicherweise mit Erfolg, wie sich im Verlaufe des Jahres 2010 zeigt:

Umfragetief für Klimawandel

So sank in den USA die Anzahl derer, die an eine globale Erwärmung glauben, von noch 71 Prozent im Jahr 2008 auf nur noch 57 Prozent im Januar 2010. Das ergaben Umfragen der Yale und der George Mason Universität in Virginia. In Großbritannien stellte die BBC fest, dass der Anteil der Briten, die an eine menschliche Ursache für die globale Erwärmung glauben, von 41 Prozent Mitte November 2009 auf nur noch 26 Prozent im Februar 2010 gefallen war.

Wintersonne © SXC

Allerdings sind nicht alle Forscher der Ansicht, dass diese Entwicklung, speziell in Europa, auf das „Climategate“ und die IPCC-Fehler zurückzuführen sei. Sie sehen vielmehr den letzten Winter mit seinen anormal kalten Temperaturen als stärkste Ursache: „Die Art, wie diese Leute entscheiden, ob der Klimawandel stattfindet oder nicht, passiert, indem sie den Finger aus dem Fenster halten“, erklärt Jon Krosnick von der Stanford University in Kalifornien im Juli 2010 in „Nature“. Der Psychologe erforscht die Wahrnehmung des Klimawandels in der Öffentlichkeit. „Wenn wir wieder ein heißes Jahr bekommen, werden die Zahlen [derer die an den Klimawandel glauben] wieder ansteigen.“

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Aus Fehlern gelernt?…

Darauf allein wollen sich führende Wissenschaftsorganisationen in den USA und Europa allerdings nicht verlassen. Stattdessen versuchen sie nun, aus den Fehlern der CRU-Wissenschaftler zu lernen und die Kommunikation zwischen Forschung und Öffentlichkeit zu verbessern. In den USA arbeiten Klimaforscher inzwischen in der Non-Profit-Plattform „Climate Central“ mit Journalisten zusammen, um fundierte Klimastories in den Medien zu lancieren. Forscher der George Mason University haben in diesem Jahr ein Projekt gestartet, bei dem Meteorologen im Rahmen des Fernseh-Wetterberichts auch Klimafragen ansprechen sollen.

Dass solche Maßnahmen zumindest die öffentliche Meinung positiv beeinflussen könnten, glaubt auch Anthony Leiserowitz, Leiter der Klimaforschung an der Yale Universität. Ob dies allerdings reicht, um auch im Bewusstsein der Politiker und im Klimaschutz etwas zu bewegen, bezweifelt er: „Selbst wenn Klimawandel-Forscher plötzlich die Fähigkeiten eines Carl Sagan besäßen, komplexe Ideen der Öffentlichkeit nahezubringen, gibt es Grenzen dessen, was sie erreichen können. Es ist hochmütig anzunehmen, dass wir, nur weil wir besser kommunizieren, jetzt plötzlich die Welt verändern können.“

Durchbruch oder Debakel? - 16. UN-Klimakonferenz (COP16) im mexikanischen Cancún © COP 16

Cancun – die Klimakonferenz danach

Heute, ein Jahr nach dem Beginn des „Climategate“ und ein halbes nach dessen Ende, ist die Frage nach dem Klimawandel und seiner weiteren Entwicklung aktueller denn je. Die Hoffnung, ihn noch auf ein erträgliches Maß von vielleicht nur zwei Grad mehr beschränken zu können, ist jedoch so gering wie lange nicht mehr. Finanzkrise, Wirtschaftsprobleme und noch immer verhärtete Fronten blockeren jeden Fortschritt.

Im Rahmen der Klimakonferenz in Cancun diskutieren zurzeit erneut Politiker, Klimaforscher und Vertreter von Verbänden und Organisationen über geeignete Maßnahmen, ringen um Verpflichtungen und gemeinsame Ziele. Doch schon vor Ende der Konferenz scheint klar, dass auch in diesem Jahr der große Wurf, ein Nachfoger des Kypoto-Protokolls nicht kommen wird. Inwieweit vielleicht auch das „Climategate“ und die darauf folgenden Probleme dazu beigetragen haben, bleibt offen.

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Nadja Podbregar
Stand: 10.12.2010

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

„Climategate“
Ein Super-GAU der Klimaforschung und die Folgen

Das "Climategate" im Web
Links und Videos zum Thema

Ein „schwarzer Donnerstag“
Der Hackerangriff auf die Climate Research Unit

Gibt es ein „Klimakartell“?
CRU-Hack bringt die Peer Review ins Zwielicht

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Streit um den „Hockeystick“
Temperaturen, Proxies und der Klimawandel

Der fatale „Trick“
Pfusch am Klimawandel-Symbol?

Wärmeinseln im Zwielicht
Das Rätsel der verschwundenen Stationsdaten

Freispruch - mit Einschränkungen
Das Urteil der parlamentarischen Untersuchungskommission

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