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Sonnensystem

Vulkane mit Lava aus Eis

Saturnmond zeigt geologische Phänomene wie auf der Erde

Hinweis auf Kryovulkanismus auf Titan. © NASA/JPL/University of Arizona

Es gibt hochaufragende Berggipfel und ganze Gebirgsketten auf dem Titan. Aber gibt es auf ihm auch Feuerberge – Vulkane, die Material aus dem inneren an die Oberfläche befördern? Solange der Saturnmond unter seinem dichten Schleier verborgen lag, war diese Frage ungeklärt. Doch schon auf den ersten Aufnahmen der der Cassini-Sonde im Jahr 2005 zeigten sich erste Indizien für Vulkanismus: Forscher identifizierten damals nahe dem Titan-Äquator eine 30 Kilometer große Schneckenhaus-Struktur, die sich wie eine Kuppel mehrere hundert Meter über die Umgebung erhob.

Gefrorenes Wasser statt heißer Magma

„Etwas Ähnliches haben wir noch auf keinem anderen Eismond im Sonnensystem gesehen“, berichtete damals Ralf Jaumann vom Institut für Planetenforschung des DLR. „Unsere bevorzugte Interpretation ist, dass aus diesem Berg Methan aus dem Untergrund auf die Oberfläche austritt und in die Titan-Atmosphäre entweicht.“ Wissenschaftler bezeichnen dieses Phänomen als Eis- oder Cryovulkanismus, weil dabei nicht heißes Magma nach oben transportiert wird, sondern gefrorenes Wasser oder Methan.

Neue Infrarotbilder von einem Cassini-Vorbeiflug am 25. Oktober 2006 schienen diese Art von Vulkanismus auf dem Titan zu bestätigen: Sie zeigen einen fächerförmiges Gebilde, das stark an Lavaströme erinnerte. Schon das Cassini-Radar hatte dieses Phänomen und eine kreisrunde Struktur auf der Oberfläche, von der dieser Strom auszugehen scheint, bei einem früheren Vorbeiflug fotografiert – aber nicht in derart guter Qualität.

„Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass es sich bei diesem ringförmigen Gebilde tatsächlich um einen Vulkan handelt“ erklärte Rosaly Lopes vom Cassini Radarteam am Jet Propulsion Laboratory der NASA. „Nur anhand der Radardaten identifizierten wir es als möglichen Vulkan, aber die Kombination von Radar und Infrarot macht die Sache viel eindeutiger.“

Erhellen oder verdunkeln Vulkane die Oberfläche?

2008 dann enthüllte ein neuerlicher Überflug der Sonde verräterische Veränderungen in der Helligkeit und Reflektivität in zwei bestimmten Regionen des Saturnmonds. „Die Daten von Cassini deuten darauf hin, dass die Oberfläche des Titans aktiv sein könnte”, so Jonathan Lunine vom Lunar and Planetary Laboratory der Universität von Arizona in Tucson. „Das basiert auf Belegen von Veränderungen, die sich auf der Titanoberfläche zwischen den Vorbeiflügen von Cassini ereignet haben. In einigen Regionen weisen die Radarbilder auf eine Art von Vulkanismus hin.“

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In einer der beiden Regionen stieg die Albedo steil nach oben und blieb höher als erwartet. In der zweiten stieg sie ebenfalls, fiel dann aber wieder ab. Als Albedo wird die Fähigkeit einer Oberfläche bezeichnet, Sonnenstrahlung zurückzuwerfen. Je höher die Albedo, desto reflektierender die Fläche.

In beiden Gebieten wies Cassini zudem gefrorenes Ammoniak nach. „Ammoniak gilt als nur unter der Oberfläche des Titans vorhanden“, erklärt Robert M. Nelson vom Jet Propulsion Laboratorium der NASA. „Die Tatsache, dass wir es zeitweise dort nachgewiesen haben, wo die Oberfläche sich am stärksten aufgehellt hat, deutet daraufhin, dass Material aus dem Inneren des Titans an seine Oberfläche befördert worden ist.“ Die Existenz von Methan-speienden Vulkanen würde auch erklären, warum die Atmosphäre des Saturnmonds sich nicht schon längst verflüchtigt hat.

Methanströme © ESA/NASA/University of Arizona

Bodennebel oder Schlammströme?

Andere Forscher allerdings interpretierten diese Daten damals deutlich anders: Sie argumentierten, dass die Identifizierung des Ammoniaks nicht gesichert sei und die Helligkeitsveränderungen auch auf Bodennebel aus Ethantröpfchen zurückgehen könnten – und damit auf atmosphärische anstatt auf geophysikalische Prozesse. Nelson hielt dies jedoch eher für unwahrscheinlich. „Es bleibt zwar die Möglichkeit, dass dieser Effekt durch lokale Nebel verursacht wird, aber wenn das so wäre, würden wir erwarten, dass es sich im Laufe der Zeit durch den Wind in seiner Größe ändert. Das ist aber nicht das, was wir sehen.“

Eine weitere Alternative postulierten Forscher des NASA Ames Forschungszentrums: „Ähnlich wie der Jupitermond Kallisto könnte sich der Titan als relativ kalter Körper gebildet haben und damit nie genügend Gezeitenwärme bekommen haben, um Vulkanismus zu ermöglichen“, spekulierte der NASA-Planetengeologe Jeffrey Moore. „Die flussartigen Strukturen, die wir auf der Oberfläche sehen, könnten auch Eistrümmer sein, die durch Methanregen verflüssigt und dann wie Schlammströme bergab transportiert wurden.“

Endgültiger Beweis für Cryovulkane

Den endgültigen Beweis für einen bis heute anhaltenden aktiven Cryovulkanismus auf dem Saturnmond lieferten dann im September 2013 Forscher um Anezina Solomonidou vom Observatoire de Paris. Sie hatten für ihre Studie Daten des Visual and Infrared Mapping Spectrometer (VIMS) der Cassini-Raumsonde analysiert, die diese von drei potenziell eisvulkanischen Regionen gesammelt hatte – Tui Regio, Hotei Regio und Sotra Patera. „Dank des VIMS konnten wir die Atmosphäre des Titan durchdringen und Veränderungen der Oberfläche im Laufe der Zeit beobachten“, erklärt Solomonidou. Und dabei fielen ihnen verräterische Veränderungen auf: „Interessanterweise hat sich die Albedo bei zwei der drei Gebiete im Laufe der Zeit tatsächlich verändert“, berichtet der Forscher.

Wenn es aktiven Cryovulkanismus auf dem Titan gibt, müsste frisch ausgespienes Wasser oder Methan gefrieren und dann als helle Ablagerungen auf der dunkleren, älteren Oberfläche sichtbar werden. An anderen Stellen könnten frisch aufreißende Schlote vielleicht auch kurzeitig als dunklere Stellen zu erkennen sein. Wie die Forscher berichten, wurde Tui Regio von 2005 bis 2009 tatsächlich immer dunkler und Sotra Patera – der Top-Kandidat für Eisvulkane auf dem Titan – hat sich von 2005 nach 2006 deutlich aufgehellt.

Dies würde zu den früheren Beobachtungen passen, nach denen vor allem in diesen Gebieten Landschaftsformen existieren, die stark an irdische Vulkane, Calderen und Lavaströme erinnern. Nach Ansicht der Wissenschaftler deuten diese Beobachtungen zusammen mit den neuen Daten darauf hin, dass der größte Saturnmond Eisvulkane besitzen könnte, die mit dem flüssigen Wasserreservoir unter seiner Kruste in Verbindung stehen. „Diese Ergebnisse haben große Bedeutung auch für das Potenzial des Titan, Leben zu erhalten“, konstatiert Solomonidou. „Denn die cryovulkanischen Regionen könnten Umweltbedingungen bieten, in denen Leben entstehen könnte.“

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Nadja Podbregar
Stand: 10.04.2014

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Rätsel Titan
Saturntrabant unter orangefarbenem Schleier

Mond ohne „Gesicht“
Titan wirft viele Fragen auf

Landung auf dem Mond - des Saturn
Cassini und Huygens als Titanpioniere

Seen und Ozeane - aus Methan
Eine Flut von Forschungsergebnissen

Wolken, Stürme und ein Kreislauf
Eine bewegte Atmosphäre prägt die Oberfläche des Titan

Ein Himalaya auf dem Saturnmond
Wie entstanden Titans Gebirgszüge?

Ein flüssiger Ozean unter der Kruste?
Das Innenleben des Saturnmonds gibt Rätsel auf

Vulkane mit Lava aus Eis
Saturnmond zeigt geologische Phänomene wie auf der Erde

Daten und Zahlen
Titan im Überblick

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