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Anthropogeographie

Verwirrspiel ums Datum

Wann ereignete sich die Katastrophe?

Im Jahr 2018 haben mehrere Entdeckungen, die im Zuge von Sicherheitsmaßnahmen und Stabilisierungen auf dem Gelände von Pompeji gemacht wurden, großes Aufsehen in der Presse erregt. In den sozialen Medien informierte der Parco Archeologico di Pompeii über die Neufunde aus der sogenannten Regio V, einem Areal im Norden der Stadt.

Vesuv
Wann genau geschah der Ausbruch des Vesuv, der Pompeji verschüttete? © Pastorius /CC-by-sa 3.0

Sommer oder Spätherbst?

Dazu gehörten ein reich dekoriertes Lararium (Schrein) für den Hauskult, ein in leuchtenden Farben erhaltenes Fresko von Leda mit dem Schwan sowie ein mit Kohle geschriebener Graffito. Er nennt das Datum des 17. Oktober, jedoch ohne zugehöriges Jahr. Hieran hat sich die Debatte darum, wann genau Pompeji untergegangen ist, neu entzündet. Für das Datum des Vesuvausbruchs gibt es im Wesentlichen zwei Thesen, den 24. August und den 23. November.

Der neue Graffito stammt aus dem Zimmer eines Hauses, das sich offenbar zum Zeitpunkt des Vesuvausbruchs im Umbau befand, und da Kohleinschriften ohnehin nur sehr kurzlebig seien, müsse der jüngst freigelegte Graffito aus dem Jahr des Untergangs sein, belege also das spätere Datum für die Eruption, argumentieren einige Kollegen.

Fehler in Plinius‘ Text?

Argumente gibt es für beide Seiten – einmal auf die literarische Überlieferung des Plinius gestützt, einmal auf archäologische Funde: Einer der Briefe des Plinius des Jüngeren nennt den 24. August als Datum. Ein späterer Bericht des Historiografen Cassius Dio (Römische Geschichte LXVI, 21–24) verweist dagegen auf das Ende des Sommers. Funde von Herbstfrüchten, Kohlebecken zur Beheizung von Häusern sowie bereitgestellte Vorratsgefäße für Wein (der nicht vor September hergestellt wurde) unterstützen diese späte Datierung, ebenso wie eine Verbindung mit Münzfunden, die der Heidelberger Althistoriker Géza Alföldy hergestellt hatte.

Das würde allerdings bedeuten, dass die Datumsangabe bei Plinius inkorrekt ist; hier wäre eine mögliche Erklärung, dass der Monat August bei Plinius ein Überlieferungsfehler ist, sich also in einer späteren Abschrift eingeschlichen hat. Demnach könnte die ursprüngliche Angabe bei Plinius „neun Tage vor den Kalenden des Dezembers“ anstelle „[…] des Septembers“ geheißen haben, was den 23. November anstatt des 24. Augusts meinen würde, wie bereits der Philologe Carlo Maria Rosini im 19. Jahrhundert argumentiert hatte.

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Zahlenmäßig sprechen mehr Argumente für die spätere Datierung des Vesuvausbruchs im Herbst 79 n. Chr. Der neu entdeckte Kohlegraffito kann die Beweisführung jedoch nicht unterstützen, denn seine tatsächliche Datierung ist unklar. Der Text enthält keinen Hinweis auf sein Entstehungsjahr, und allein mit dem Schreibmaterial lässt sich nicht argumentieren, denn es gibt – wenn auch nur wenige – Kohlegraffiti, die die Ausgrabungen überlebt haben und die ich selbst dokumentiert habe. Sie sind also gute Gegenbeispiele, dass Kohleinschriften nicht so kurzlebig sind, wie wir annehmen möchten. Insofern stehen wir auch hier weiterhin vor einer unbeantworteten Frage.

Autorin: Polly Lohmann, Universität Heidelberg/ Ruperto Carola

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Pompeji - Zeitreise in die Antike
Römisches Erbe zwischen Kultur und Natur

Zeitkapsel antiken Lebens
Wie Pompeji unterging

Von hier kommen die "Graffiti"
Kritzeleien geben Einblick in antiken Alltag

Verwirrspiel ums Datum
Wann ereignete sich die Katastrophe?

Störungen schon vor dem Ausbruch
Stätten mit wechselhafter Geschichte

Gefährdet bis heute
Pompeji droht an seiner Berühmtheit zugrunde zu gehen

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