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Verstrahlt und vertrieben?

Die Folgen für die Bevölkerung

160.000 Menschen haben durch den Atomunfall von Fukushima ihre Heimat verloren, ihre Häuser und Ortschaften wurden zum Sperrgebiet. Tausende weitere haben die Region aus Angst vor der Strahlung freiwillig verlassen. Ein Großteil der Evakuierten und Geflüchteten ist bis heute nicht zurückgekehrt. Das Gebiet im 30-Kilometer Radius um das Kraftwerk ist bis heute zu stark kontaminiert und gilt als Sperrzone.

Fallout
Im Gebiet von Fukushima durch Luftmessungen bestimmte Strahlendosen am 29. April 2011. © US Department of Energy

Evakuierung noch am gleichen Tag

Nach dem Versagen der Reaktorkühlung in Fukushima Daiichi am Nachmittag des 11. März 2011 reagierten die Behörden immerhin prompt: Noch am gleichen Abend wurde die Bevölkerung im Umkreis von drei Kilometern um das Atomkraftwerk evakuiert, am nächsten Tag wurde die Evakuierungszone zunächst auf zehn, dann auf 20 Kilometer Umkreis ausgeweitet. Als sich am Nachmittag des 12. März in Block 1 die erste Explosion ereignete, war die unmittelbare Umgebung daher schon weitgehend menschenleer.

Wegen der vorherrschende Windrichtung wurde der Fallout der Explosionen zum größten Teil in nordwestliche Richtung getragen. Die Städte Okuma, Futaba und Namie liegen daher in der am stärksten kontaminierten Zone. Erst nachträglich wurde bekannt, dass auch das rund 40 Kilometer entfernte Dorf Iitate besonders hohen Strahlenbelastungen ausgesetzt war. Die Evakuierungs- und Sperrzone wurde daher bis dorthin ausgeweitet.

Wie hoch war die Strahlendosis der Bevölkerung?

Ein Bericht des UN-Komitees zu den Effekten radioaktiver Strahlung (UNSCEAR) kam im Jahr 2013 zu dem Schluss, dass die in der Präfektur Fukushima gebliebenen Menschen je nach Alter und Nähe zum Kraftwerk einer Strahlendosis zwischen 1,0 und 7,5 Millisievert im ersten Jahr ausgesetzt waren. In wenigen Einzelfällen wurden Extremwerte von bis zu 25 Millisievert erreicht. Zum Vergleich: Die Dosis der normalen Hintergrundstrahlung liegt laut Bundesamt für Strahlenschutz in Deutschland bei durchschnittlich 2,1 Millisievert pro Jahr. In Gebieten mit hoher Radonbelastung kann sie bis zu zehn Millisievert erreichen.

Das UN-Komitee kommt daher zu dem Schluss: „Die Dosis für die allgemeine Bevölkerung im ersten Jahr und auf die Lebenszeit hochgerechnet ist niedrig bis sehr niedrig. Es wird kein erhöhtes Auftreten von strahlungsbedingten Gesundheitsfolgen bei diesen Personen oder ihren Nachkommen erwartet.“ Tatsächlich gab es bislang keine klaren Indizien für eine erhöhte Krebsrate in Fukushima – allerdings entwickelt sich Krebs meist erst mit Jahrzehnten Verzögerung. Anders sieht dies für die Arbeiter im Atomkraftwerk aus: Viele von ihnen bekamen in den Tagen und Wochen nach dem Unfall Strahlendosen von teils über 100 Millisievert ab.

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Allerdings betont der UNSCEAR-Bericht auch, dass die Menschen rund um Fukushima erhebliche psychische und seelische Belastungen davongetragen haben. „Die bedeutendste Folgen gibt es für die mentale und soziale Gesundheit, aufgrund der enormen Auswirkungen des Erdbeben, Tsunamis und nuklearen Unfalls, aber auch der Angst und des Stigmas, die mit dem Risiko der Strahlenbelastung verbunden sind“, so die Experten.

Dekontamination
Um die radioaktive Belastung zu senken, wird in und um die Orte in der Evakuierungszone die oberste Erdschicht abgetragen. © Giovanni Verlini/ IAEA Imagebank, CC-by-sa 2.0

Die große Dekontaminations-Aktion

Um die radioaktive Belastung in der Umgebung von Fukushima zu senken, begann die japanische Regierung ein Dekontaminationsprogramm, das elf Landkreise in der Evakuierungszone und 40 weitere in angrenzenden Gebieten umfasste. Dafür wurden in Siedlungen, entlang von Straßen und auf Feldern die oberen fünf Zentimeter Boden abgetragen, Gebäude, Straßen und andere versiegelte Flächen mit Hochdruckreinigern abgewaschen.

2019 kam eine Studie im Fachjournal „Soil“ zu dem Schluss, dass die die Belastung durch radioaktives Cäsium in den behandelten Bereichen um 80 Prozent gesunken ist. Allerdings sind drei Viertel der betroffenen Region dicht bewaldet und daher nicht dekontaminierbar. Mit jedem Regen besteht daher die Gefahr, dass Radionuklide aus den Waldgebieten in die benachbarten Felder und Wiesen geschwemmt werden. Auch was mit dem bisher ausgehobenen Boden geschehen soll, ist noch unklar – bis Ende 2019 haben sich 20 Millionen Kubikmeter belasteter Erde angesammelt.

Noch sind die Dekontaminations-Maßnahmen nicht abgeschlossen. Seit 2014 hat die japanische Regierung aber sukzessive einige Orte im Evakuierungsgebiet wieder zu Besiedelung freigegeben – zunächst nur Orte außerhalb der am stärksten verseuchte Zone, 2017 folgten unter anderem Iitate und Namie. 2019 wurde auch die dem Atomkraftwerk am nächsten liegende Stadt Okuma wieder freigegeben. Zurückgekehrt sind allerdings bislang nur wenige der ehemaligen Bewohner.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Fukushima – zehn Jahre danach
Die Atomkatastrophe und ihre Folgen

Eine vermeidbare Katastrophe
Wie es zum GAU in Fukushima kam

Der Fallout
Was und wieviel wurde freigesetzt?

Verstrahlt und vertrieben?
Die Folgen für die Bevölkerung

Flüssiges Problem
Wohin mit dem radioaktiv kontaminierten Wasser?

Nichts gelernt?
Die Renaissance der Atomkraft

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