Anzeige
Anthropogeographie

Um die Erde in 80 Tagen

Technik lässt den Raum schrumpfen

Die eigentliche kreative Leistung Vernes bestand meistens nicht in der Erfindung eines technischen Artefakts, sondern im Ausspinnen der Möglichkeiten seines Gebrauchs, sobald es perfekt funktionierte. Erfolg hatten Vernes „Außergewöhnliche Reisen“ nicht zuletzt deshalb, weil sie an die damals beliebte Reiseliteratur anknüpften und die Neugierde des Lesers auf die Geographie und die Sitten ferner Länder stillten.

Um die Erde in 80 Tagen - Vernes Roman traf den Nerv der Zeit © Alphons de Neuville/ Léon Benett

Dass sein 1873 erschienener Roman „Um die Erde in 80 Tagen“ sein beliebtester wurde – zu Lebzeiten Vernes verkauften sich allein in Frankreich 108.000 Exemplare –, deutet darauf hin, dass die Leser zunehmend darauf brannten, diese Reisen dank neuer Verkehrsmittel selbst zu unternehmen. Hier fiel der Bildungsauftrag des Verlegers mit dem Wunsch des Lesers nach Orientierung und Unterhaltung zusammen.

Verkürzte Reisedauer

Bemerkenswert ist an der Reise des exzentrischen Engländers Phileas Fogg, dass Verne kein einziges neues Verkehrsmittel zur Umrundung der Erde erfand. Neu und für Vernes Zeitgenossen faszinierend war die Tatsache, dass dank des regelmäßigen Postschiffverkehrs im British Empire und der Eisenbahnstrecken durch den indischen Subkontinent sowie quer durch Nordamerika die Reisedauer um die Erde ungemein verkürzt werden konnte.

Neue Verkehrsmittel wie die Eisenbahn ließen Entfernungen schrumpfen © Alphons de Neuville/ Léon Benett

Brauchte man beispielsweise zuvor sechs Monate, um von San Francisco nach New York zu gelangen, waren es mit der Eisenbahn nur noch sieben Tage. Damit schien auch der Raum zu schrumpfen. Das wird gleich zu Anfang des Romans thematisiert, als Phileas Fogg beim Kartenspiel im Londoner Reform Club behauptet, die Erde sei früher einmal groß gewesen. „Was meinen Sie mit ‚früher‘? Sie wollen doch nicht behaupten, dass der Erdball geschrumpft wäre?“, entgegnet der Ingenieur Andrew Stuart.

Worauf Gauthier Ralph vom Direktorium der Bank of England bestätigt: „Die Erde ist kleiner geworden. Für eine Erdumrundung braucht man heute zehnmal weniger Zeit als vor hundert Jahren.“ Als Informationsquelle dient dem Gentleman der Morning Chronicle, der die Zeit für die einzelnen Teilstrecken addiert hat und dabei auf 80 Tage kommt. Etwaige Verzögerungen durch Nebel, Sturm, Entgleisung, Schiffbruch und Überfälle, behauptet Fogg, seien bereits eingerechnet.

Anzeige
  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. 8
  18. |
  19. weiter

Anne Hardy / Forschung Frankfurt
Stand: 11.04.2014

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Jules Vernes "Außergewöhnliche Reisen"
Science-Fiction als Wegweiser in die moderne Welt

"Auf unterhaltsame Weise belehren"
Ein Anwaltssohn wird zum Bildungsbeauftragten

Reale Technik - weitergesponnen
Der wissenschaftliche Hintergrund der Romane

Um die Erde in 80 Tagen
Technik lässt den Raum schrumpfen

Höher, schneller, weiter
Vernes Leitmotiv trifft den Nerv der Zeit

20.000 Meilen unter dem Meer
Die Eroberung neuer Räume durch Technologie

Von der Erde zum Mond
Vernes visionärster Roman

Wegweiser in die moderne Welt
Zwischen Bildungsauftrag und mystischer Ästhetik

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

keine News verknüpft

Dossiers zum Thema

Alan Turing - Genialer Computerpionier und tragischer Held

Thor Heyerdahl - Genialer Naturforscher oder Enfant Terrible der Wissenschaft?