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Geologie/physische Geographie

Tropisches Paradies im Ölschiefer

Die Grube Messel

Grube Messel im August 2010 © Mark A. Wilson / gemeinfrei

Unsere Entdeckungsreise durch den Süden Deutschlands geht weiter, bis wir in der Nähe von Darmstadt auf ein weiteres Natur- und Geo-Highlight stoßen: die Grube Messel. Bereits seit dem Jahr 1995 steht sie auf der UNESCO-Liste der Naturdenkmäler. Und das aus gutem Grund. Denn der ehemalige Tagebau gilt als eine der bedeutendsten Fossilienfundstellen weltweit. Die steinernen Relikte erlauben den Paläontologen einen Blick zurück in eine längst vergangene Welt:

Süddeutschland vor 50 Millionen Jahren

Süddeutschland vor rund 50 Millionen Jahren im Zeitalter des Eozän. Feucht und heiß ist es hier, Berge und Täler gibt es kaum. Die Landschaft ist fast schon langweilig, wenn da beispielsweise nicht die vielen Sümpfe und Seen wären. Einige Flüsse gibt es auch. Das Gefälle nach Süden ist aber nur gering. Deshalb bahnen sich die Ströme in weiten Schlingen, so genannten Mäandern, gemächlich ihren Weg bis sie schließlich in den schmalen Überrest des „Ur-Mittelmeers“, die Tethys, münden. Seine Ufer befinden sich etwa in Höhe des Nordrands der heutigen Alpen.

Süddeutschland im Eozän vor 50 Millionen Jahren © Spektrum Akademischer Verlag

Ein tropisches Gewässer der besonderen Art

Doch mit der scheinbaren Ruhe ist es schon bald vorbei. Denn im Bereich des künftigen Oberrheingrabens kommt es langsam aber sicher zur Absenkung. Dies zeigt sich unter anderem an ersten vulkanischen Aktivitäten entlang dieser Zone. Eine Folge davon: der Maarsee von Messel. „Man kann sich den Messel-See als sumpfiges tropisch-warmes Gewässer in einer von dichten Wäldern bedeckten Flachlandschaft vorstellen“, so Geowissenschaftler um Joachim Eberle.

In der Region wimmelt es deshalb nur so vor Tieren. Bei Jahresdurchschnittstemperaturen von circa 25° Celsius grasen die berühmten Urpferdchen an den grün bewachsenen Uferzonen. Rund um den See leben aber auch frühe Nagetiere, die Urahnen unserer Vögel fliegen über das von Algen besiedelte Wasser, Insekten schwirren durch die Luft und es liegen unzählige kaltblütige Reptilien etwas träge in der Sonne. Dazu gehören auch nahe Verwandte der heute im Südwesten der USA lebenden Gila-Monster. Wegen ihrer Giftigkeit werden sie gerne auch als „Bullbeißer“ der Echsenwelt bezeichnet.

Fossiler Fisch im Ölschiefer © fafner / GFDL

Fossilien ohne Ende

Schon die frühen Vertreter dieser Krustenechsen am Messel-See besaßen die typischen Giftrinnen an den Zähnen und schon die urtümliche Art hat daher vermutlich bereits Giftstoffe produziert. Dies schließen die Paläontologen jedenfalls aus den Fossilien des Gila-Monsters, die in der Grube Messel gefunden worden sind. Dort überdauerten aber auch 50 Millionen alte Überreste von Krokodilen, Würgeschlangen, Urpferden oder die versteinerten Relikte von Teesträuchern, Palmen und Platanen unbeschadet die Jahrmillionen.

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Warum das möglich war, erklären die Geowissenschaftler so: „In den Tonsteinen, die ursprünglich als Faulschlamm am Seeboden abgelagert wurden, konnten sich Fossilien hervorragend erhalten.“ Das extrem feinkörnige Gestein und der Sauerstoffabschluss sorgten sogar dafür, dass fragile Strukturen wie Haare, die Flügel von Insekten oder der Mageninhalt von Tieren konserviert wurden.

Schon zwischen 1859 und 1971 als man in der Grube Messel bituminösen Tonstein, Eisenerz und Braunkohle – den so genannten Ölschiefer – zur Gewinnung von Rohöl abbaute, kamen unzählige der Fossilien zum Vorschein. Das ganze Ausmaß des Fossilienreichtums wurde jedoch erst bei den systematisch durchgeführten Grabungen seit 1975 deutlich. Paläontologen und Biologen, etwa vom Senckenberg Forschungsinstitut Frankfurt, konnten dabei erstaunliche 3.000 fossile Arten aus den Ölschieferplatten der Grube Messel bergen – pro Jahr.

Schimmernde Federn

Deren Untersuchung liefert immer wieder überraschende neue wissenschaftliche Erkenntnisse etwa zur Evolution. So zeigte zuletzt im Jahr 2009 eine Analyse von Federfossilien, dass sich die Vorfahren unserer heutigen Vögel schon vor knapp 50 Millionen Jahren mit schimmernden Federn schmückten. Wie amerikanische Forscher in der Fachzeitschrift „Biology Letters“ berichteten, ist dies der erste Beleg für eine so frühe Existenz von farberzeugenden Nanostrukturen in Federn.

„Diese Federstrukturen erzeugten einen schwarzen Hintergrund, auf dem bei bestimmten Blickwinkeln ein metallisch-grüner, blauer und kupferfarbener Schimmer glänzte“, erklärt Richard Prum, Professor für Ökologie und evolutionäre Biologie an der Yale Universität.

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Stand: 24.09.2010

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Deutschlands Süden
Eine Reise durch einzigartige Landschaften und Jahrmillionen Erdgeschichte

Kosmischer Doppelschlag vor 15 Millionen Jahren
Die Meteoritenkrater von Nördlingen und Steinheim

Tropisches Paradies im Ölschiefer
Die Grube Messel

Ein Gletscher am Rhein
Jede Menge Eis - und seine Folgen

Des Teufels Werkzeug
Dengelstein - ein Findling im Allgäu

Flussdiebstahl an der Donau
Der „Kampf“ um die Wasserscheide zwischen Donau- und Rheinsystem

Wutach-Tricks und Karstquellen
Phänomen Wasser

Der Frühmensch aus dem Sand
Die ältesten menschlichen Knochen Mitteleuropas

„Heiße“ Zeiten in Süddeutschland
Vulkanismus als Landschaftsbildner

Von Gletschern und schwimmenden Inseln
Die Arberseen im Bayerischen Wald

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