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Phänomene

Taktgeber gesucht

Die Lebensspanne und ihre seltsamen Unterschiede

Seit der Antike symbolisieren die Menschen den Ablauf der Lebenszeit mit einer Sanduhr. Gleichzeitig messen sie die Zeit in Einheiten von Sekunden, Tagen und Jahren, indem sie sich an periodischen Vorgängen orientieren. Ursprünglich waren dies astronomische Perioden wie der Umlauf der Erde um die Sonne, die Rotation der Erde und ähnliches. Heute sind es atomare Schwingungen.

Aber sind diese Dimensionen – so sehr sie uns selbstverständlich geworden sind – überhaupt dazu geeignet, biologische Zeiten zu messen? Klar scheint, Das Leben von Organismen unterteilt sich in verschiedene Zeitabschnitte: die Embryogenese (Keimesentwicklung), die Ontogenese (Wachstum), die Alterung (Seneszenz) und schließlich den Tod. Die physikalische Dauer dieser Lebensphasen ist sehr variabel. So kann die Embryonalentwicklung bei Tieren je nach Umgebungstemperatur selbst bei der gleichen Art sehr unterschiedlich lange dauern oder die Seneszenz ausbleiben.

Auch in unserem Körper gibt es viele verschiedene periodische Rhythmen. © Roland Prinzinger /Forschung Frankfurt

Biologische Zyklen

Dennoch sind für diese Zeitabschnitte von der Natur klare Zeitrahmen vorgegeben. Doch wie sehen ihre möglichen Taktgeber aus? Man muss nicht lange suchen, um in tierischen Organismen sich regelmäßig wiederholende Vorgänge zu finden, die als biologische Uhren geeignet wären. Jeder kennt den „Augenblick“, einen „Atemzug“ oder einen „Herzschlag“ als Zeitangabe.

Interessant ist, dass diese periodischen Vorgänge untereinander gekoppelt sind: Auf vier Herzschläge kommt etwa ein Atemzug; auf einen Atemzug rund hundert Augenblicke. Und so lässt sich die Lebenszeit nicht nur in Jahren, sondern auch in biologischen Rhythmen oder Zyklen angeben. Zumindest bei den Säugetieren ist die Summe dieser Zyklen innerhalb der natürlichen Lebensdauer sehr konstant.

Schwere leben länger

Doch warum lebt eine Maus nur drei bis vier Jahre, während ein Wal bis zu 100 Jahre alt werden kann? Offenbar hat das Körpergewicht einen natürlichen Einfluss auf die Lebensdauer. Zwischen beiden Größen herrscht eine einfache Korrelation: Je schwerer (größer) ein Organismus ist, desto höher ist seine Lebenserwartung.

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Der Blauwal ist das größte Tier der Erde - er wird immerhin bis zu 110 Jahre alt. © iStock.com

Diese Beziehung lässt sich mit einer einfachen mathematischen Gleichung beschreiben, die für alle Tiere gilt: Lebensalter (A) = a · Masse (M) 0.2. Daran lässt sich ablesen, dass man eine Verdopplung der Lebenszeit erhält, wenn die Masse um den Faktor 16 zunimmt. (Der Exponent 0.25 steht für die vierte Wurzel aus der Masse; a ist eine Konstante.)

Die Frankfurter Forscher um Roland Prinzinger haben 108 biologische Rhythmen wie Atem­ und Kreislaufzyklen, Darmkontraktionen oder Herzschläge in Relation zum Gewicht des jeweiligen Organismus gesetzt. Der sich ergebene Korrelationsexponent von 0.248 ± 0.054 zeigt eine praktisch identische Übereinstimmung mit der Korrelation zwischen Gewicht und Lebensspanne.

Demnach gibt es tatsächlich eine Art fester Lebensspanne: Unsere biologische Uhr hört auf zu ticken, wenn eine bestimmte Zahl von Zyklen durchlaufen ist. Es gibt nur ein Tier, das völlig aus der Rolle fällt. Es ist der Nacktmull. Entsprechend spannend sind diese Tiere für Alternsforscher und Mediziner gleichermaßen.

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Prof. Dr. Roland Prinzinger, Universität Frankfurt / Forschung Frankfurt
Stand: 18.05.2018

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Das Rätsel der Lebensspanne
Können wir das Ticken der biologischen Uhr verlängern?

Taktgeber gesucht
Die Lebensspanne und ihre seltsamen Unterschiede

Verschleiß, Radikale und die Gene
Was bemisst die Lebensspanne?

Sex = Ex!?
Lebenspanne und Fortpflanzung

Lebe langsam, lebe länger
Welche Rolle spielt der Stoffwechsel?

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