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Medizin

Steuerungszentrale Gehirn

Wie Strom unserem Denkorgan auf die Sprünge hilft

Es verarbeitet permanent unzählige Sinneseindrücke, ist Träger unserer Persönlichkeit und der Sitz aller Erinnerungen: das Gehirn. Die rund 100 Milliarden Nervenzellen sind durch 5,8 Millionen Kilometer lange Nervenbahnen miteinander verknüpft – das entspricht 145 Erdumrundungen. Ein Neuron ist mit bis zu 30.000 anderen Neuronen vernetzt und kann in der Großhirnrinde mit höchstens zwei Zwischenschritten jedes andere Neuron erreichen.

Strompulse hemmen die Epilepsie © BVMed Bilderpool / Medtronic

Strompuls gegen die Epilepsie

Aber auch diese einzigartige Steuerzentrale des Körpers kann erkranken und dann ihre Funktion nicht mehr richtig erfüllen. In einigen Fällen kann dann Medizintechnik bei der Therapie helfen. Eine weit verbreitete Nervenkrankheit ist beispielsweise die Epilepsie – allein in Deutschland sind 800.000 Menschen betroffen. Bei ihrer Behandlung gelang Medizinern im Jahr 1988 mit der sogenannten Vagusnervstimulation ein großer Durchbruch:

Dabei wird ein kleines Gerät in die Brust eingepflanzt, davon geht eine Elektrode ab. Diese wird an den Vagusnerv am Hals angebracht und stimuliert ihn alle fünf Minuten für 30 Sekunden mit einem elektrischen Impuls, den der Nerv ans Gehirn weiterleitet. So soll den Betroffenen geholfen werden, bei denen Medikamente gegen Epilepsie nicht anschlagen. Seit wenigen Jahren ermöglicht die sogenannte transkutane Vagusnervstimulation auch eine Behandlung ohne operativen Eingriff: Der Patient bekommt einen kleinen Apparat, ähnlich einem Hörgerät, der aus einem Stimulationsgerät und einer speziellen Ohrelektrode besteht. Der Impuls wird dann vom Ohr ans Gehirn weitergeleitet.

Die Tiefe Hirnstimulation hilft Parkinsonpatienten, kann aber auch bei schwerer Depression oder sogar Magersucht helfen. © BVMed Bilderpool / Medtronic

Hilfreich auch bei Parkinson, Depressione und sogar Magersucht

Auch die Symptome der Parkinson-Erkrankung konnten im Jahr 1998 erstmals mit Hilfe von elektrischer Stimulation gelindert werden. Bei der Tiefen Hirnstimulation wird eine winzige Elektrode über ein Loch im Schädel in das Gehirn eingeführt und im Zielgebiet verankert. Ein Impulsgeber, der die Größe eines Herzschrittmachers hat, wird unter dem Schlüsselbein implantiert. Er gibt über die Elektrode elektrische Reize an das Zielgebiet ab und hemmt dadurch überaktive Nervenzellen.

Diese Hemmung sorgt dafür, dass der Patient wieder besser gehen und sich bewegen kann, das schwere Zittern und die Störungen der Bewegungsabläufe lassen nach. Bisher kommt die Tiefe Hirnstimulation vor allem bei schweren Parkinsonfällen zum Einsatz, bei Patienten, die nicht mehr gut auf die Medikamente ansprechen. Inzwischen aber mehren sich die Hinweise, dass ein möglichst frühzeitiger Einsatz dieser Methode auch die Lebensqualität von leicht erkrankten Parkinson-Patienten deutlich erhöhen kann.

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Eletronische Hirnschrittmacher werden heute aber auch schon bei weiteren Krankheiten getestet und bereits eingesetzt. So kann die Reizung per Elektroden gegen schwere klinische Depressionen helfen. Anfang 2013 wurde sie aber auch in Pilotstudie bereits bei schweren Fällen von chronischer Magersucht eingesetzt. Die Patientinnen nahmen durch die Tiefe Hirnstimualtion über Monate hinweg an Gewicht zu und litten weniger unter Depressionen und Zwangsstörungen. Damit könnte sich zukünftig eine Möglichkeit eröffnen, auch den Magersüchtigen zu helfen, die auf die klassischen Therapien nicht ansprechen.

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BVMed / Massstab Mensch
Stand: 31.01.2014

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Wunderwerk mit Helferlein
Wie Medizintechnik heute den menschlichen Körper unterstützen kann

Steuerungszentrale Gehirn
Wie Strom unserem Denkorgan auf die Sprünge hilft

Schutzhülle Haut
Wundheilung und Linderung aus dem Labor

In Bewegung
Was die Antihaft-Pfanne mit dem Knorpel zu tun hat

Das Transportsystem
Wie Technik unsere Blutgefäße vor Verstopfung schützt

Das Auge
Hightech holt die Sehkraft zurück

Pumpstation Herz
Der Motor des Körpers – und seine elektronischen Helfer

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