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Phänomene

Spicken bei Wikipedia

Die Online-Enzyklopädie ist besser als ihr Ruf

Nicht nur gesamtgesellschaftlich wird die Enzyklopädie inzwischen häufig konsultiert, auch innerhalb von Universitäten spielt sie längst eine nicht unwesentliche Rolle. Allgegenwärtig sind etwa Klagen über Studierende, die leichtfertig aus Wikipedia zitieren oder gar plagiieren. Um dieser Problematik Herr zu werden, wurde Lehrenden der geschichtswissenschaftlichen Fakultät am Middlebury College in Vermont aufgetragen, Studierenden das Zitieren aus Wikipedia zu verbieten.

Mal schnell was nachschauen - auch bei Studenten ist Wikipedia beliebt. © Carl Dwyer/ freeimages

Beliebt bei Studenten

In Deutschland kam eine Befragung unter 4.400 Studierenden zu dem Schluss, diese würden besonders häufig auf Wikipedia zurückgreifen und die Enzyklopädie genieße dabei auch gegenüber anderen Online-Portalen ein herausragendes Vertrauen. Selbst in begutachteten Fachzeitschriften finden sich immer öfter Verweise auf Wikipedia – zum einen als Quelle, zum anderen aber auch als Forschungsthema.

Das ist nicht ganz unberechtigt, denn nicht selten ist die Qualität Wikipedias besser als die zuvor genannten Vandalismus-Beispiele erahnen lassen. Viel Beachtung fand etwa eine Studie, die Wikipedia eine durchaus ähnliche Qualität bescheinigte wie die renommierte Encyclopaedia Britannica. Dort entschied man sich indessen mit einer über 240 Jahre alten Tradition zu brechen und die Enzyklopädie ausschließlich online anzubieten – nicht zuletzt um mit Wikipedia konkurrieren zu können.

Organisation der deutschsprachigen Wikipedia © gemeinfrei

Alles andere als anarchisch

Dass Wikipedia einen solchen Status erreichen konnte, hängt damit zusammen, dass die Plattform keineswegs so offen ist, wie es die technische Architektur zunächst erwarten lässt. Denn Wikipedia ist nicht anarchisch organisiert, und ob Inhalte auch nachhaltig Bestand haben, ist alles andere als beliebig. Denn neben dem demokratischen Prinzip des „Jeder kann mitmachen“ spielt inzwischen auch eine Produktideologie eine Rolle: Der gute Ruf, den die Enzyklopädie bei vielen hat, soll nicht gefährdet werden.

Dadurch wird inzwischen gerade Neulingen der Einstieg erschwert. So wundert es auch nicht, dass mehr als 90 Prozent der Wikipedia-Inhalte von weniger als zehn Prozent der Autoren erstellt werden, wie eine quantitative Analyse der größten Wikipedia-Sprachversionen ergab. Durch das Verbot der Original-Veröffentlichungen ist Wikipedia zudem im Zweifelsfall häufig eher konservativ bei der Entscheidung, was hier integriert werden darf.

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Selbst wenn Laien einen Artikel erstellen, werden sie doch angehalten, sich auf etablierte Experten zu beziehen. Auf diese Weise wird wissenschaftliche Expertise in Wikipedia gewissermaßen „ausgelagert”. So bleibt Wikipedia in jedem Fall auch immer abhängig von der Wissenschaft, zumindest dort, wo wissenschaftlich relevante Inhalte behandelt werden.

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René König für bpb.de/ CC-by-nc-nd 3.0
Stand: 29.01.2016

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Wikipedia und die Wissenschaft
Von der Zwangsehe zur produktiven Kollaboration?

Lexikon zum Mitmachen
Wie die Wikipedia entstand

Krümelmonster und Bügelbrett
Weisheit der Vielen oder Sammlung von Fehlern?

Keine geeignete Plattform?
Was Wikipedia von Fachveröffentlichungen unterscheidet

Spicken bei Wikipedia
Die Online-Enzyklopädie ist besser als ihr Ruf

Kollaboration statt Konkurrenz
Wie Wissenschaft und Wikipedia zusammenarbeiten

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