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Zoologie

Schwämme als Vorbild

Viele ihrer Eigenschaften inspirieren die Wissenschaft

Neben den Evolutionsbiologen interessieren sich unter anderem auch Materialwissenschaftler und Medizinforscher für maritime Schwämme. Sie sind sehr anpassungsfähig und können auch an lebensfeindlichen Orten unter widrigen Umständen überleben. Diese Robustheit könnte in der Bionik eine große Rolle spielen. Einige Anwendungen sind den Tiefseetieren bereits nachempfunden.

Wenn uns ein Wasserglas runterfällt, ist es schnell kaputt. Glasschwämme bestehen ebenfalls zu großen Teilen aus Glas, also Siliziumdioxid, sind aber äußerst robust und können auch starken Belastungen ausgesetzt werden, ohne zu zerbrechen. Dieser Zusammenhang fasziniert besonders Materialwissenschaftler. Nach und nach kommen sie dem Geheimnis der Tiefseebewohner allerdings auf die Spur.

Gießkannenschwamm
Der Gießkannenschwamm bildet ein besonders stabiles und hocheffizientes Netz aus Glasfasern. © gemeinfrei

Stabiles Glasfasernetz

Bereits 2005 gelang es einem internationalen Forscherteam, die verschiedenen Ebenen des Glasschwamms Euplectella aspergillum, der auch auf den Namen Gießkannenschwamm hört, genauer zu untersuchen. So konnten sie erstmals Klarheit über die stabilen Glasfasern erhalten. Verantwortlich ist demnach die Kombination verschiedener Techniken.

Schon auf einer Größenskala von wenigen Mikrometern konnten die Wissenschaftler die Grundlage der Stabilität identifizieren. Die einzelnen Fasern der Schwämme bestehen demnach aus verschieden dicken Silikatsträngen, die mithilfe von organischen Klebstoffen und einer Art Zement miteinander verwoben sind. Die entstehenden Fasern wiederum sind in einer Art Fachwerkmuster angeordnet und geben dem Schwamm so auch auf einer größeren Ebene eine hohe Belastbarkeit.

Gitter-Anordnung auf dem Prüfstand

In einer weiteren Studie bauten Wissenschaftler der Harvard University mithilfe eines 3D-Druckers verschiedene Gitterstrukturen nach, um ihre Stabilität zu untersuchen. Sie testeten unter anderem ein einfaches quadratisches Gitter, ein Kreuzgitter und eine Struktur nach dem Vorbild des Gießkannenschwamms. Um eine gute Vergleichbarkeit zu schaffen, nutzten die Forscher immer eine konstante Materialmenge.

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Das Ergebnis: In allen Belastungstests schnitt die Schwammstruktur am besten ab. „Darüber hinaus konnten wir mithilfe eines evolutionären Optimierungsalgorithmus zeigen, dass die von den Schwämmen inspirierte Gittergeometrie sich der optimalen Materialverteilung für den betrachteten Raum annähert“, so die Forscher. Die Glasschwämme haben im Laufe ihrer Evolution also die effizienteste und stabilste Struktur entwickelt. Dadurch schaffen sie es auch in tausenden Metern Tiefe in die Höhe zu wachsen und Krebstieren und anderen Feinden standzuhalten.

Die harten Strukturen schützen übrigens nicht nur den Schwamm selbst. Bei einigen Glasschwämmen nisten sich junge Garnelenpaare innerhalb des Geflechts ein. Die Krebstiere gehen so einen lebenslangen Pakt ein: Sie sind schnell zu groß, um durch die Öffnungen des Schwammgitters wieder rauszukommen und ihre Zangen können dem Silikat nichts anhaben. So sind sie zwar eingesperrt, aber auch geschützt. Ein weiterer Vorteil: Der Schwamm pumpt den Garnelen durchgängig frisches und nährstoffreiches Wasser zu.

Elastischer Kalk aus dem Labor

Stabilität und Flexibilität müssen sich jedoch nicht ausschließen. Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung haben sich in einer Versuchsreihe ebenfalls Tiefseeschwämme zum Vorbild genommen, um eine Art elastischen Kalk herzustellen.

Skelettnadeln von Schwämmen
Die Skelettnadeln können je nach Schwammart ganz unterschiedliche Formen annehmen. © Rob W. M. Van Soest /CC-by-sa 2.5

Als Grundlage dienten den Forschern Skelettnadeln aus Calciumkarbonat, wie sie auch in Kalkschwämmen vorkommen. Diese wurden mithilfe des Proteins Silicatein-α angeordnet und verklebt. Das entstandene Hybridmaterial war dadurch äußerst widerstandsfähig, konnte aufgrund der organischen Anteile aber noch verbogen werden. Die Wissenschaftler können sich so erzeugte Strukturen beispielsweise als Grundlage für Körperrüstungen vorstellen.

Schwämme stressen gegen Krebs

Schwämme sind aber nicht nur wegen ihres stabilen Körperbaus Überlebenskünstler. Sie können sich auch chemisch vor Schadstoffen und anderen Bedrohungen schützen. Diese Fähigkeit bietet weitere bionische Anwendungsgebiete. Wissenschaftler extrahierten im Laufe der Zeit schon mehrere Wirkstoffe aus Schwämmen, die sich als mögliche Krebsmedikamente herausstellen könnten.

Das Problem hierbei: Die aus den Schwämmen gesammelten Mengen reichen oft nicht aus, um handfeste Forschungsergebnisse zu erzeugen. Außerdem produzieren gezüchtete Schwämme kaum Abwehrstoffe, da ihnen oft der Anreiz dazu fehlt. In der Laborumgebung sind sie nicht gestresst genug.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Schwämme
Meereslebewesen zwischen Putzhilfe und Evolutionsfundament

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Schwammiger Familienstammbaum
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