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Phänomene

Nachgiebige Verwandlungskünstler

Nanodiamanten sind verblüffend elastisch – und leitend

Wenn es eine Eigenschaft gibt, die wohl kaum jemand beim Diamanten erwarten würde, dann ist dies Elastizität. Denn der begehrte Edelstein ist für seine Härte und Sprödigkeit bekannt, eine nennenswerte Nachgiebigkeit scheint aufgrund seiner Gittereigenschaften nahezu ausgeschlossen. Diese sorgen auch dafür, dass der Edelstein unter normalen Umständen keinen Strom leitet – er ist ein Isolator. Aber Diamant kann auch anders, wie man inzwischen weiß.

Diamantnadel
Elektronenmikroskopische Aufnahme einer gebogenen Nanodiamant-Nadel. © Amit Banerjee/ Kyoto University et al.

Biegsame Diamantnadeln…

Das demonstrierte 2018 eine überraschende Beobachtung an winzigen, nadelförmigen Diamantsäulchen. Ein Team unter Leitung von Yang Lu von der City University of Hongkong hatte diese nur 300 Nanometer langen Diamantnadeln erzeugt, weil es prüfen wollte, ob Diamant auch in diesem Nanomaßstab noch ähnlich fest und steif ist wie als makroskopischer Edelstein. Im Experiment übten die Forscher vorsichtig immer stärkeren Druck auf die feinen Kristallnadeln aus und beobachteten sie unter dem Rasterelektronenmikroskop.

Zu ihrer Überraschung gaben die Diamantnadeln dem Druck elastisch nach. „Es war sehr überraschend zu sehen, welch einer elastischen Verformung der Diamant im Nanomaßstab standhalten konnte“, sagt Daniel Bernoulli vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). Um bis zu neun Prozent ließen sich die einkristallinen Säulen biegen und sprangen beim Nachlassen des Drucks wieder unbeschadet in ihre ursprüngliche Form zurück. Diamanten in Makrogröße können sich dagegen noch nicht einmal um ein Prozent verbiegen, ohne Schaden zu nehmen.

…und dehnbare Plättchen

Und nicht nur das: Wenig später demonstrierte das gleiche Forscherteam, dass Diamant im Nanomaßstab nicht nur biegsam, sondern auch dehnbar ist. Für ihren Test erzeugten die Wissenschaftler zunächst dünne, hantelförmige Diamantplättchen von rund einem Mikrometer Länge. An ihrer mittig liegenden Schmalstelle waren diese Plättchen nur rund 300 Nanometer breit. Unter dem Elektronenmikroskop wurden diese Diamantbrücken nun an beiden Enden eingespannt und allmählich immer stärker auseinandergezogen.

Tatsächlich erwies sich auch hier der Diamant im Nanomaßstab als erstaunlich elastisch. Das Kristallplättchen dehnte sich über seine ganze Länge hinweg gleichmäßig und nahm dadurch um rund 7,5 Prozent an Länge zu. „Das ist das erste Mal, dass beim Diamant eine so extrem große und gleichmäßige Elastizität in Zugexperimenten nachgewiesen wird“, sagt Lu. Ähnlich wie bei den Biegetests ist auch die Dehnung des Kristallgitters reversibel: Lässt die Zugspannung nach, zieht sich das Diamantplättchen wieder zusammen.

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Dehnung
Experiment zur Dehnung von Diamantplättchen im Nanomaßstab. © Dang Chaoqun / City University of Hong Kong

Elektronenfluss im Diamanten

Doch die elastische Verformbarkeit der Nanodiamanten hat noch eine andere, bedeutsame Konsequenz: Sie verändert das elektromagnetische Verhalten des Edelsteins. Bei natürlichen Diamanten ist die elektrische Leitfähigkeit fast gleich Null, weil die engen kovalenten Bindungen alle Valenzelektronen des Kohlenstoffs festhalten. Dadurch gibt es keine freien Elektronen, die sich durch das Kristallgitter bewegen und den Strom leiten könnten. Physikalisch ausgedrückt: Der Abstand vom Valenzband zum Leitungsband beträgt beim Diamant 5,6 Elektronenvolt (eV) – er hat eine sehr breite Bandlücke und ist daher ein Isolator.

Um die Elektronen des Diamantgitters zu mobilisieren, ist demnach eine relativ große Energiezufuhr nötig – so jedenfalls dachte man bisher. Doch bei den Biege- und Dehnexperimenten mit Nanodiamanten stellte sich heraus, dass sich mit der elastischen Verformung auch die elektrische Leitfähigkeit des Diamanten verändert: Sie verschiebt die Atome im Kristallgitter leicht gegeneinander und verändert dadurch die Bandlücke. Je stärker die Nadel gebogen wird, desto beweglicher werden die Elektronen im Diamantgitter.

Vom Isolator zum Halbleiter zum Leiter

Das bedeutet: Allein durch das Verbiegen lässt sich Diamant vom nichtleitenden Isolator in einen Halbleiter oder Leiter umwandeln – je nachdem, wie stark sein Gitter verformt wird. Das eröffnet ganz neue Anwendungen für die Kohlenstoffkleinode. Sie könnten beispielsweise in der Quantentechnologie und Photonik eingesetzt werden, als Photodetektoren oder auch in der biomedizineschen Bildgebung.

„Je nach Biegung kann man dem Diamanten die Bandlücke des gängigen Halbleiters Silizium verleihen oder des in LEDs eingesetzten Galliumnitrids“, erklärt Ju Li vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). „Man kann ihn auch zu einem Infrarotdetektor machen oder zu einem Lichtsensor, der das gesamte Spektrum vom Infrarot bis zum Ultraviolett abdeckt.“

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Diamanten als Hightech-Material
Neue Anwendungen für uralte Edelsteine

Das härteste Mineral der Welt
Was den Diamanten so widerstandsfähig macht

Nicht unvergänglich
Wenn auch Diamanten klein beigeben müssen

Nachgiebige Verwandlungskünstler
Nanodiamanten sind verblüffend elastisch – und leitend

Farbenspiele und Lichtblitze
Die einzigartigen optischen Eigenschaften des Diamanten

Diamant als Quantenmaterial
Gitter-Fehlstellen als Quantenbits und Sensoren

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