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Archäologie

Mysteriöse Hieroglyphen

Entdeckungen im Reich des Minos

Knossos
Teilweise rekonstruierte Ruinen des Palasts von Knossos auf Kreta © Nellmac/ Getty images

Die Minoer sind ebenso legendär wie rätselhaft. Scheinbar aus dem Nichts errichteten sie ab etwa 2.500 vor Christus auf Kreta prachtvolle Paläste wie in Knossos oder Phaistos, schufen einzigartige Kunstwerke und dominierten über Jahrhunderte hinweg den Seehandel im gesamten östlichen Mittelmeer. Doch woher sie kamen und welche Sprache sie sprachen, ist bis heute ungeklärt. Auch der plötzliche Untergang dieser bronzezeitlichen Hochkultur gibt Archäologen Rätsel auf.

Doch das vielleicht größte Geheimnis dieser bronzezeitlichen Hochkultur liegt in ihrer Schrift: Die Minoer entwickelten gleich zwei verschiedene Schriftsysteme – die kretischen Hieroglyphen und die Linearschrift A. Sie gelte als die ältesten Schriften in Europa. Doch beide minoischen Schriften sind bis heute unentziffert. Generationen von Linguisten, Archäologen und Historikern haben bereits versucht, das Geheimnis der minoischen Sprache und Schrift zu enträtseln – vergeblich.

Rätselhafte Piktogramme

Einer der ersten und bekanntesten Erforscher der minoischen Schriften war der britische Archäologe Arthur Evans. Er bereiste schon im Jahr 1894 die Insel Kreta und suchte dort nach Hinweisen auf eine bis dahin noch unentdeckte minoische Kultur. Immer wieder stieß er dabei auf Keramikscherben und Siegelsteine, die mit rätselhaften Zeichen verziert waren. Diese alten Siegel wurden von den heutigen Bewohnern der Insel oft gelocht und als Amulette um den Hals getragen.

Hieroglyphen
Jaspis-Siegel mit minoischen Hieroglyphen aus der Zeit um 1800 v.Chr. © Ingo Pini/ gemeinfrei

Als Evans dann ab dem Jahr 1900 den Palast von Knossos entdeckte und nach und nach freilegte, fand er auch dort weitere Exemplare der rätselhaften Hieroglyphen. Datierungen ergaben, dass die ältesten dieser piktografischen Zeichen schon um 2100 vor Christus entstanden. Ähnlich wie bei der ägyptischen Bilderschrift zeigen sie stilisierte Figuren, Tiere oder halbstrakte Symbole. Evans stellte 1909 ein erstes Inventar der minoischen Hieroglyphen zusammen, in dem er akribisch auflistete, in welchen Kombinationen die Zeichen auftraten und auf welchen Objekten sie gefunden wurden.

Was bedeuten die Hieroglyphen?

Der Archäologe erhoffte sich von seiner Aufstellung mehr Aufschluss über die Bedeutung der Hieroglyphen. Nach ersten Vergleichsanalysen vermutete er hinter einigen wiederkehrenden Zeichenkombinationen offizielle Titel oder die Symbole für minoische Dynastien. „Die personenbezogene Bedeutung wird bei einer der besonders häufig auftretenden Kombinationen dadurch unterstrichen, dass sie auf einem Siegel mit einem charakteristischen männlichen Kopf verknüpft ist. Er könnte das Bildnis eines minoischen Königs sein“, schreibt Evans.

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Doch bis heute können Archäologen über die Bedeutung der minoischen Hieroglyphen nur spekulieren. Klar scheint nur, dass die meisten der insgesamt 137 minoischen Hieroglyphen für bestimmte Silben zu stehen scheinen, zehn Zeichen werden als Wortsymbole gedeutet. 23 weitere Symbole stellen vermutlich Zahlenwerte dar. Die Entzifferung der Hieroglyphen wird jedoch dadurch erschwert, dass die meisten Inschriften nur aus einem oder wenigen Zeichen bestehen, typischerweise auf Siegeln oder kleinen Tonbarren. Ihre Bedeutung lässt sich daher nur schwer aus dem Kontext erschließen. Auch eine Art „Rosetta-Stein“ wie bei den ägyptischen Hieroglyphen fehlt.

Hieroglyphenvergleich
Vergleich minoischer mit ägyptischen Hieroglyphen. © Arthur Evans, „Scripta Minoa“ 1909

Ursprung ungeklärt

Ähnlich ungeklärt ist der Ursprung der minoischen Bildschrift: Evans vermutete, dass die Minoer ihre Hieroglyphen zwar eigenständig entwickelt haben, aber bei den Ägyptern abguckten: „Das ägyptische Hieroglyphensystem könnte einen gewissen prägenden Einfluss auf die Minoer gehabt haben“, schreibt der Archäologe. „Ein oder zwei ägyptische Zeichen könnten sogar übernommen worden sein“. Diese Beziehung konnte aber bisher weder bestätigt noch widerlegt werden.

Inzwischen werden auch andere Wurzeln der minoischen Hieroglyphen diskutiert: So gibt es ebenfalls Ähnlichkeiten mit bronzezeitlichen Bildschriften der Hethiter und Zyprioten. Einige Forscher vermuten deshalb, dass alle Hieroglyphen dieser frühen Kulturen auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückgehen – eine Art Ur-Bildschrift des Nahen Ostens, deren Spuren nicht erhalten geblieben sind. Aber auch dies ist bisher kaum mehr als Spekulation.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Das Geheimnis der Minoer-Schriften
Warum die älteste Schrift Europas noch immer unentziffert ist

Mysteriöse Hieroglyphen
Entdeckungen im Reich des Minos

Geritzte Zeichen
Die Entdeckung der Linearschrift A

Dunkle Ursprünge
Rätsel um Sprache und Herkunft der Minoer

Ähnlich und doch ganz anders
Die Entzifferung der Linearschrift B

Das Rätsel bleibt
Hoffnung auf einen Rosetta-Stein der Minoer

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