Anzeige
Geologie/physische Geographie

Missing Link im Lössgürtel

Aus dem Alltag eines Lössforschers

Lössaufschluss © Björn Machalett

Björn Machalett ist über und über mit gelbem Staub bedeckt. Die feinen Körnchen sitzen überall, zwischen Fingern und Zähnen, in Nase und Ohren. Schweißtropfen bahnen sich ihren Weg durch einen feinen Film auf Gesicht und Nacken und hinterlassen helle Streifen auf der Haut, während Machalett unbeirrt Sediment-Proben aus der Wand vor sich kratzt, in Tütchen verpackt und nummeriert. Entkommen kann der Berliner Geograph dem Staub nicht. Das will er auch nicht, denn gerade dieses Staubes wegen ist er nach Almaty im Süden Kasachstans gekommen.

Auf einer Anhöhe über der Stadt, da, wo eine Ziegelei einst das Rohmaterial für ihre Backsteine abgebaut und einen der Vorlandberge angeschnitten hat, hockt Machalett ziemlich unbequem im unteren Ende eines Schachtes, der sich über ihm senkrecht durch eine beeindruckend hohe Lösswand zieht. Den Schacht hat er selbst gegraben. Dreißig Meter hoch, zwei Meter breit, vier Meter tief. Er ist nur ein Teil eines über 50 Meter hohen Lössprofils, das der Geograph hier bearbeitet. „500.000 Jahre Pleistozän, in nahezu ungestörter Abfolge,“ schwärmt Machalett.

Locus typicus

Der Stipendiat der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) ist im Rahmen seiner Doktorarbeit hier. Und er möchte nicht weniger, als eine entscheidende Lücke der europäischen Lössforschung schließen. „Bisher gibt es aus Südkasachstan keine hochauflösende Stratigraphie der Lösse“, so Machalett. „Dabei ist der Nordrand des Tien-Shan geradezu ideal für eine solche Arbeit.“

Sanfte Hügel vor 4000ern © Björn Machalett

Almaty liegt direkt am Fuße des Sailijski Alatau, einem nördlichen Ausläufer des Tien-Shan-Gebirges. Innerhalb von wenigen Kilometern steigen hier die Berge auf bis knapp 5.000 Metern Höhe an. Die Stadt selbst liegt 800 Meter über dem Meeresspiegel, so wie die riesige Steppe, die sich von den Bergen aus mehrere hundert Kilometer weit nach Norden zieht. Direkt vor den Bergen haben sich bis zu hundert Meter mächtige Löss-Vorkommen angesammelt. Als sanfte, von Süd nach Nord abfallende Hügel verhüllen sie die zahlreichen Talausgänge am Fuße der Berge.

Lößgürtel über den Kontinent

Unter geradezu modellhaften Bedingungen sei hier während des Pleistozäns Löss entstanden, erläutert Machalett. „Das immer noch vergletscherte Gebirge im Süden mit seiner enormen Reliefenergie ist das Produktionsgebiet für Gerölle, Kies, Sand und Ton, die von den zahlreichen Gebirgsflüssen ins Vorland transportiert und dort sedimentiert wurden. Das feinere Material wurde aus den Schwemmfächern ausgeblasen. Weil die Berge selbst ein Hindernis darstellen, schlug sich der vom Wind transportierte Staub in der so genanten Piedmont-Zone am Fuße der Berge wieder nieder.“

Anzeige

Die Lösse in Südkasachstan gehören zu einem breiten Lössgürtel, der sich über mehrere tausend Kilometer von Südosteuropa über die nordöstlichen Vorländer der Karpaten, den Nordrand des Elbursgebirges im Iran bis zu den nördlichen Ausläufern des Tien-Shan und weiter nach China erstreckt. Ausgesuchte Leitprofile aus dem Lössgürtel sind gut miteinander korrelierbar, so dass sich ein umfassendes Bild des Paläoklimas über den abgedeckten Zeitraum für die gesamten mittleren Breiten des eurasischen Kontinents rekonstruieren lässt.

Wo sich die Winde kreuzen

„Die Lösse in Südkasachstan spielen in diesem Gefüge eine besondere Rolle“, so Machalett. Die Region liege genau am Übergang der europäischen, durch die Westwinddrift geprägten Lössgebiete und der chinesischen Lössprovinzen, in denen das Sibirisch-Mongolische Hoch und der Wintermonsun die Löss-Sedimentation beeinflusst haben.

Fertig zur Probennahme! © Björn Machalett

Mit seiner Arbeit will Machalett deshalb nicht nur den „missing link“ zwischen europäischen und chinesischen Löss-Stratigraphien schließen. Sein Ziel ist es auch, mit den Ergebnissen die atmosphärischen Zirkulationsmuster in Eurasien während des Pleistozäns zu rekonstruieren. Denn beide Windrichtungen haben abwechselnd ihre spezifischen Spuren im Löss hinterlassen. Je nachdem, wann welche Korngrößen und Sediment-Zusammensetzungen überwiegen, könne so auf die Dominanz des einen oder anderen Zirkulationsmusters, auf typische Großwetterlagen oder mögliche Klimawechsel rückgeschlossen werden, so Machalett.

Bis der Geograph erste Ergebnisse haben wird, dauert es noch eine Weile. Die Feldarbeiten in Kasachstan sind zwar vorerst abgeschlossen. Doch jetzt müssen die knapp 2.000 Proben, die er mit nach Deutschland gebracht hat, erst einmal datiert und ausgewertet werden.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. 8
  18. |
  19. 9
  20. |
  21. weiter


Stand: 29.09.2006

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Löss
Staub als Klimaarchiv

Herr von Richthofen fährt nach China...
… und macht eine Entdeckung

„Kalter“ oder „heißer“ Löss?
Eine Frage der Herkunft

Das Lasagne-Prinzip
Löss-Paläoboden- Sequenzen

Alphabet der Lössdatierung
…Korngröße, Lumineszenz, Magnetik,…

Wie sich der Monsun verrät
Indiziensuche im China-Löss

Missing Link im Lössgürtel
Aus dem Alltag eines Lössforschers

Zufallsfund auf Lanzarote
Knochen im Sahara-Sand

„Aus der Vergangenheit lernen“
Interview mit Ludwig Zöller

Diaschauen zum Thema

keine Diaschauen verknüpft

News zum Thema

keine News verknüpft

Dossiers zum Thema

Böden - Die dünne Haut der Erde

Kalk - Über eine ungewöhnliche Allianz aus Wasser und Stein

Permafrost - Kalter Boden und seine globale Bedeutung

Eiszeiten - Die frostige Vergangenheit der Erde...