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Forscher / Entdecker

Mendel und Darwin

Wie stand der Mönch zur Evolution?

Zu der Zeit, als Gregor Mendel in seinem Klostergarten Erbsen zählte, war in der Biologie eine fundamentale Umwälzung im Gange: 1859 veröffentlichte Charles Darwin sein bahnbrechendes Werk „Über die Entstehung der Arten“, das ein Jahr später auch auf Deutsch erschien. Auch andere Naturforscher diskutierten und theoretisierten damals über die Evolution und die Weitergabe von Merkmalen – und damit über ein Gebiet, das eng mit der Vererbung verknüpft war.

Darwin
Gregor Mendel kannte Darwins Evolutionslehre und stimmte ihr in Grundzügen zu. © duncan1890/ Getty images

Evolutionstheorie auch in Mendels Umfeld

Gregor Mendel kannte die damals diskutierten Theorien: Während seines Studiums in Wien belegte er Botanikkurse bei Franz Unger, einem sehr aktiven Verfechter einer Evolution höherer Lebensformen aus primitiveren Vorgängern. Unger schrieb dazu mehrere Artikel und veröffentlichte 1851 das sehr populäre Buch „Die Urwelt in ihren verschiedenen Bildungsperioden“. In der Bibliothek des Klosters St. Thomas standen zudem die Bücher von Charles Darwin, aber auch anderen namhaften Vertretern der verschiedenen Varianten der Evolutionstheorie. Randnotizen in Mendels Handschrift belegen, dass er diese Werke gelesen hat.

„Mendel war während seiner wissenschaftlich produktiven Jahre von einem intellektuellen Umfeld umgeben, das der Evolution positiv gegenüberstand“, schreibt Daniel Fairbanks von der Utah Valley University in einer Review zum Thema. „Auch Mendels Schriften enthüllen Einflüsse dieses Umfelds, vor allem von Darwin, Unger und Nägeli.“ Carl Wilhelm von Nägeli war ein Schweizer Botaniker, der ebenfalls die Evolutionstheorie vertrat und von 1867 bis 1873 eng mit Darwin zusammenarbeitete.

Obwohl Mendel Geistlicher war und die Kirche die Evolutionstheorie zu dieser Zeit strikt ablehnte, vertrat er in seinen Schriften durchaus ähnliche Vorstellungen wie Darwin und seine Mitstreiter. „Mendel beschrieb ein darwinistisches Szenario einer natürlichen Selektion und eines ‚Kampfs ums Dasein'“, berichtet Fairbanks.

Mendel korrigiert Darwin

Allerdings stimmte Mendel keineswegs allen Schlussfolgerungen von Darwin zu – und hatte damit Recht. Damals war die vorherrschende Ansicht, dass die Verschmelzung der Keimzellen zu einer Art Verdünnungseffekt führen müsste. Um dieses Problem zu umgehen, postulierte Darwin in seiner Pangenesis-Theorie, dass Merkmale eines Organismus durch winzige „Gemmulen“ weitergegeben würden.

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Jedes Körperteil und jedes Organ sollten demnach eigene Varianten dieser Partikel abgeben, die sich dann in den Keimzellen sammeln. Diese Anreicherung sollte einer „Verdünnung“ entgegenwirken. Nach Darwins Ansicht konnten zudem Umwelteinflüsse diese Gemmulen beeinflussen und so erklären, wie sich Merkmale im Laufe der Generationen verändern. Doch Mendels Versuche widerlegten die Verdünnungstheorie und beweisen zudem, dass die Vererbung auf der freien Kombination von unteilbaren Einheiten beruhte.

Ein weiterer Punkt, an dem Mendel Darwin korrigierte, betraf den Ablauf der Befruchtung bei Pflanzen: Darwin war der Ansicht, dass für eine erfolgreiche Befruchtung der Eizelle zahlreiche „Gemmulen“ nötig seien – und damit auch mehrere Pollenkörner. Mendel nahm darauf in mehreren Briefen Bezug und führte gezielt Experimente unter anderem mit der Wunderblume (Mirabilis jalapa) durch, die dies widerlegten. Er habe deren Blüten mit nur einem einzigen Pollenkorn bestäubt und daraufhin „18 wohlentwickelte Samen und genauso viele Pflanzen erhalten“, so Mendel.

Einseitige Beziehung

„Wenn man die existierenden Belege als Ganzes betrachtet, dann ergibt sich von Gregor Mendel das Bild eines akribischen Forschers, der die Grundsätze der darwinistischen Evolution akzeptierte“, erklärt Fairbanks. „Gleichzeitig scheute sich der Mönch aber keineswegs, in privater Kommunikation auch auf Irrtümer und Diskrepanzen zu den Ergebnissen seiner Vererbungsexperimente hinzuweisen.“

Und umgekehrt? Kannte Darwin die Schriften von Gregor Mendel und seinen Ideen zur Vererbung? „Diese Frage wird seit mehr als 50 Jahren debattiert, aber die kurze Antwort darauf ist ein klares Nein“, schreibt Fairbanks. Offenbar hat Darwin nie ein Exemplar von Mendels Fachartikel zu den Pflanzenhybriden erhalten und auch keine Sekundärliteratur dazu gelesen. Dies ist insofern nicht verwunderlich, als dass Mendels Werk nur in wenigen Exemplaren gedruckt wurde und kaum Beachtung fand.

Was bleibt?

Während Charles Darwin schon zu Lebzeiten berühmt war und seine Theorie weltweit diskutiert wurde, blieb Gregor Mendel ein solcher Ruhm versagt. Im Jahr 1883, kurze Zeit vor seinem Tod, sagte er: „Mir haben meine wissenschaftlichen Arbeiten viel Befriedigung gebracht und ich bin überzeugt, dass es nicht lange dauern wird, bis die ganze Welt die Ergebnisse dieser Arbeit anerkennen wird.“

Allerdings wusste Mendel da nicht, dass sein gesamter Nachlass an Aufzeichnungen nach seinem Tod im Jahr 1884 auf den Klosterhof verbrannt werden würde. Erst Jahrzehnte nach Mendels Tod wurden einige Exemplare von Mendels Schriften wiederentdeckt und man erkannte die Bedeutung seiner Erkenntnisse.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Gregor Mendel und sein Erbe
Wie ein Mönch zum Vater der Genetik wurde

Ungewöhnliche Karriere
Wie Mendel zur Wissenschaft kam

Warum Pflanzenzüchtung?
Woher Mendel die Motivation für seine Experimente nahm

Erbsenzählen im Klostergarten
Was Mendels Züchtungsexperimente so besonders machte

Die drei Regeln
Mendels Erkenntnisse und ihre Bedeutung

Mendel und Darwin
Wie stand der Mönch zur Evolution?

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