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Geologie/physische Geographie

Magma vs. Tektonik

Was die Erde zerreißt

Im Afar-Dreieck ruckelt und rumpelt die Erde. Ein fast zwei Meter breiter Spalt zerreißt den afrikanischen Kontinent. Vulkane reihen sich wie Wachtürme entlang des Ostafrikanischen Grabenbruchs. Blubbernde Lava und mineralische „Ausdünstungen“ sind Zeichen einer „dünnen“ Haut zwischen der Erdoberfläche und ihrem aktiven Inneren.

Besonders die Bewegungen im diesem Grenzbereich interessieren die Forscher. Eine Antwort boten die spektakulären Ereignissen im September 2005, als Dereje Ayalew von der Universität Addis Abeba die Spaltung der Erdkruste mit eigenen Augen beobachtetet: Die tektonischen Spannungen zerrissen die Oberfläche auf etwa 500 Meter Länge und bis in eine Tiefe von über 60 Metern. Schwefelgeruch stieg auf. Der Geologe hörte brodelnde und glucksende Geräusche vermutlich von fließendem Magma.

Die Henne und das Ei

Magmaströme im Erdinneren © Breuer, UNiversität Münster

Doch was könnte die Ursache für fließendes statt aufsteigendes Magma sein? Die Beobachtung bestätigte den Verdacht von Tim Wright: das Magma steigt nicht nur senkrecht nach oben, sondern schießt horizontal durch die Erdschichten und durchschneidet die Platten wie ein heißes Messer Eisblöcke. Der Geologe fand den größten Riss des Ereignisses deshalb auch in etwa fünf Kilometern Tiefe: Das über 60 Kilometer lange Dabbahu-Segment im Afar-Dreieck wurde unterirdisch fast auf der gesamten Länge durch einen Magma-Strahl gespalten, der von den Vulkanen Dabbahu und Gabho aus entlang der Bruchzone schoss. Aus den beiden Magma-Kammern kamen etwa 20 Prozent der gesamten Lavamenge: 2,5 Kubikkilometer flüssiges Gestein verteilte sich in zwei Wochen entlang dem Dabbahu-Spalt – so viel wie die gesamte Eismasse Grönlands.

Auch die Ergebnisse von Freysteinn Sigmundsson, vom Vulkanischen Institut auf Island, unterstützen Tim Wrights These. Seine Untersuchungen zeigen zuerst den unterirdischen Magmafluss, der in der Tiefe des Kontinentes das Gestein durchschnitt. Erst anschließend entluden sich Jahrhundertealte Spannungen in der Kruste und zogen den Spalt bis auf eine Breite von acht Metern auseinander. Aufsteigendes Magma aus dem Erdinneren bahnte sich danach seinen Weg durch die neuen Gesteinsritzen, verbreiterte die Spalten und riss die Erdoberfläche auseinander.

Das Computermodell zeigt Satellitenmessungen von Tim Wright und seinen Kollegen in einem graphischen Modell der Afar-Senke. Über einen Link können die Ergebnisse in jedem Google-Earth Programm importiert und angezeigt werden. © Tim Wright, Universität Oxford/Leeds

Mit ihren Forschungsergebnissen heizen die beiden Geologen eine alte Diskussion neu ein. Nach den Augenzeugenberichten aus den 1970’ern waren einige Forscher davon ausgegangen, dass zunächst die Zugkräfte der Konvektionsströme die Platten auseinander reißen und sich dann erst die Spalten mit aufsteigender Magma füllen. Schnell kamen Zweifel auf, ob die Kraft der Konvektionsströme alleine ausreicht. Besonders Freysstein Sigmundsson betont die Rolle der horizontalen Magma-Ströme in den oberen Krustenschichten. Erst in dem sie die Gesteinsschichten perforieren, können seiner Meinung nach die Zugkräfte entlang den Schwachstellen die Kruste spalten – woraufhin wiederum Magma direkt aus der „Plume“ im Erdinneren vertikal aufsteigen kann. Auch Tim Wright zieht als Resümee: Entlang der Nubisch-Arabischen Plattengrenze hat eher die Gesteinsschmelze durch Magmaströme die Spalten entlang des Bruchs gebildet, als die normale tektonische Faltung.

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Neuer Kontinent – oder altes Meer?

Doch sind die neuen Messungen ein Hinweis darauf, dass das Grabensystem immer noch hochaktiv ist? Könnten die Bewegungen in Zukunft sogar den afrikanischen Kontinent auseinander brechen? Die Aufregung unter Wissenschaftlern ist groß, eventuell das Abbrechen eines neuen Kontinents und die Geburt eines Ozeans zu „beobachten“. Doch es ist strittig, ob die heutigen Aktivitäten Vorboten der Zukunft sind.

Einige Geologen halten die letzten registrierten Spannungen nur für einen Nachklang der Ereignisse, die vor 20 bis 30 Millionen Jahren die Arabische Halbinsel abspalteten und das Rote Meer schufen.

Zwar scheint die Heftigkeit der jüngsten Ereignisse die Theorie zu stärken, dass sich aus der „triple junction“ im Afar-Dreieck nach dem Roten Meer und dem Golf von Aden auch der dritte Arm zu einem Ozean entwickelt. Aber die Kritiker dieser Theorie sehen das ganz anders. Denn unter Geologen gilt die Faustregel, dass nur aus zwei der drei Gräben Ozeane entstehen.

So geschehen vor knapp 200 Millionen Jahren in Westafrika, als der Atlantik entstand. Am heutigen Golf von Guinea lag das Zentrum dreier Grabenbrüche aus Süden, Westen und Nordosten. Entlang der westlichen und südlichen Bruchkanten spaltete sich Südamerika ab, und über den aktiven Rücken wuchs der Atlantik heran. Der dritte Arm jedoch, das Benue-Rift, starb ab. Meer flutete den hundert Kilometer breiten Trog und lagerte über Jahrmillionen etwa 4.000 Meter Sedimente ab, bis der Meeresspiegel sank und heute von dem Graben im afrikanischen Kontinent nichts mehr zu sehen ist.

Theorie und Praxis

Gegen die Hypothese der Kontinental-Spaltung spricht auch die tektonische Folge der Atlantik-Entstehung: der Afrikanische Kontinent steckt im Schraubstock. Der Mittelatlantische Rücken schiebt immer noch die Afrikanische Platte mit etwa drei Zentimetern im Jahr nach Osten. Gleichzeitig drückt jedoch der Indisch-Australische Rücken mit knapp zwei Zentimetern Geschwindigkeit nach Westen. Selbst wenn also der Grabenbruch zu einer Abspaltung des Kleinkontinents führen würde – er könnte sich unter dem Druck gar nicht von dem Mutterkontinent lösen.

Soweit die Theorie. Doch die Erdgeschichte liefert ein Gegenargument aus der Praxis. Als Vorbild für die Entstehung eines neuen Ostafrikanischen Kleinkontinents gilt den Geologen Madagaskar. Vor 100 Millionen Jahren splitterte von der Afrikanischen Platte dieser Mini-Kontinent ab, und trieb trotz des Gegendrucks in den Indischen Ozean. Denn solange der „kontinentale“ Rücken durch seinen Magma-Auftrieb die Platte mit höherem Druck nach Osten schiebt als der ozeanische Rücken seine Platte nach Westen, setzt sich anscheinend der „Stärkere“ durch.

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Stand: 25.08.2006

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Ein Kontinent zerbricht!?
Das Afrikanische Grabensystem

Millionen Jahre in Sekunden
Geologie im Schnelldurchlauf

Der Reißverschluss öffnet sich
Die Afar-Senke reißt ein

Grabenbrüche mit System
Verwerfungen spannen ihr Netz

Der Magma-Motor
Plattenbruch und Plattendrift

Die Riesen von Ruwenzori
Mutanten geben Rätsel auf

Planeten-Kulisse in Afrika
Wie die Welt atmet und schwitzt

Magma vs. Tektonik
Was die Erde zerreißt

Diaschauen zum Thema

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