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Lesen im Buch des Lebens

Das Humangenom Projekt und seine Anfänge

Es ist der 26. Juni 2000. US-Präsident Bill Clinton hat zusammen mit seinem britischen Amtskollegen Tony Blair zu einer außerordentlichen Pressekonferenz ins Weiße Haus gebeten. Das Thema ist nichts weniger als der Stoff, der uns zu Menschen macht: unser Genom. Denn Clinton und nach ihm die Vertreter zweier konkurrierender Forschergruppen – eine staatlich, eine privat – verkünden nun offiziell die Entschlüsselung unseres Erbguts.

Scheint Buchstabensalat, ist aber der Code des Lebens © SXC

Ein Meilenstein für die Menschheit

Sowohl die Wissenschaftler des internationalen Humangenomprojekts (HGP) als auch der Gentech-Pionier Craig Venter mit seiner Firma Celera haben eine erste Version vom „Buch des Lebens“ dekodiert. Sein Text besteht aus gut drei Milliarden scheinbar willkürlich aneinander gereihten Buchstaben – endlosen Wiederholungen der Basen Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin. Welche Worte diese Buchstaben aber formen und welche Sätze, wo sich welche Funktionseinheiten des Erbguts verbergen – all das ist zu diesem Zeitpunkt noch unklar.

Dennoch ist damit ein entscheidender Meilenstein der Genforschung erreicht. Entsprechend vollmundig spricht Clinton in seiner Rede von einer „neuen Ära der genetischen Medizin“. Die Entzifferung des Genoms werde neue Wege eröffnen, Krankheiten vorzubeugen, sie zu diagnostizieren und zu heilen. Zwar sei die vorliegende Sequenz erst der erste Schritt zur vollen Entschlüsselung des menschlichen Genoms. Aber mit Hilfe dieser ersten Erkenntnisse werde es zukünftig leichter sein, auch die Funktionen und damit den Inhalt des Codes lesen zu lernen.

Die Verkündung der Entschlüsselung sorgt für ein enormes Medienecho rund um die Welt: Zeitungen zeigen auf ihren Titelseiten Ausschnitte aus dem genetischen Buchstabensalat und feiern den Meilenstein als gewaltigen Fortschritt der Menschheit.

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Aufregend, aber nicht machbar…

15 Jahre früher allerdings hatte das Ganze noch ganz anders ausgesehen. 1985 trommelte der Biologe Robert Sinsheimer ein paar auf dem Feld der Genetik erfahrene Kollegen auf dem Campus der University of California in Santa Cruz zusammen und machte ihnen einen ungewöhnlichen Projektvorschlag: Warum nicht versuchen, das menschliche Genom zu sequenzieren? Die Reaktion war ebenso einmütig wie eindeutig: Mutig, aufregend – aber schlicht nicht machbar. Zu mühsam ist das Dekodieren selbst kleiner DNA-Abschnitte zu dieser Zeit noch, zu unfassbar gewaltig diese Aufgabe.

Dennoch lässt die Idee einen der beteiligten Forscher, Walter Gilbert von der Harvard University, nicht mehr los. Er hat gemeinsam mit einem Kollegen rund zehn Jahre früher als erster eine Methode entwickelt, um den genetischen Code auszulesen – wenn es ums Sequenzieren geht, kennt er sich aus. Wieder und wieder sprechen er und allmählich auch einige Mitstreiter in den folgenden Jahren mit Kollegen, mit Vertretern der staatlicher Forschungseinrichtungen und Politikern.

Doch vor allem die prospektiven Geldgeber bleiben skeptisch: Was, wenn sich am Ende herausstellt, dass das Ganze den gigantischen Aufwand nicht wert ist? Sollte man nicht vielleicht erst mal mit dem Erbgut eines einfachen, unkomplizierteren Organismus anfangen, wie beispielsweise einem Bakterium?

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NPO
Stand: 16.05.2012

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

DNA
Von Genen, Mördern und Nobelpreisträgern

Happy Birthday DNA
Wie "zwei Clowns" die Wissenschaft revolutionierten

Die Sprache der Gene
Wie funktioniert der Informationsaustausch?

Vom Gen zum Protein
Transkription und Translation

Lesen im Buch des Lebens
Das Humangenom Projekt und seine Anfänge

Wettlauf ums Genom
Die Endphase des HGP: Venter versus NIH

Junk-DNA
Vom Schrott zum Steuerpult

Gigantisches Steuerpult
Die Junk-DNA kontrolliert unser Erbgut

Molekulare Kriminalistik
Ein DNA-Test klärt auf

Vaterschaftstest
Ist es ein "Kuckuckskind"?

Von A bis Z
Kleines Lexikon der Genetik

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