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Umwelt

Landwirtschaft und Vogelschutz

Der Untere Niederrhein: Gänseparadies oder Bauernleid?

Wildgänse © Andreas Heitkamp

Der Niederrhein im Winter: Zehntausende Wildgänse fliegen über die Landschaft. Die Luft ist erfüllt vom Flügelschlag und dem aufgeregten Geschnatter von Bless-, Saat-, Grau- und Weisswangengans. Doch neben der riesigen Anzahl der Zugvögel ist vor allem deren Flugleistung von mehreren tausend Kilometern beeindruckend: Mitte August verlassen die Gänse ihre Brutgebiete in der arktischen Tundra und fliegen zur Überwinterung bis an den Niederrhein. Zwar erfreut dieses Schauspiel Naturschützer und Spaziergänger, doch vor allem die Bauern der Region sind froh, wenn die Gänse Mitte Februar wieder in ihre sibirischen Sommerquartiere zurück fliegen.

Wer sät, der kann nicht immer ernten

Denn die Wildgänse sind ausgehungert vom langen Flug und suchen Nahrung auf Wiesen, Weiden und – zum Leid der Bauern – auch auf den Äckern. Bis zu einem Kilogramm Pflanzen benötigt eine Wildgans täglich als Futter. „Wir haben heute morgen den Weizen ausgesät, und wie jedes Jahr stellen wir uns die bange Frage: können wir ihn auch ernten“, äußert sich Bauer Josef Peters gegenüber dem WDR. Und eine Vertreibung oder Bejagung der Gänse zum Schutz der Saat ist seit Mitte der 1980er Jahre verboten. Denn die Wirtschaftsflächen von Bauer Peters befinden sich in Nordrhein-Westfalens größtem Vogelschutzgebiet „Unterer Niederrhein“. Im Winter hat in der Rheinaue von Kleve bis Rheinberg der Naturschutz Vorrang.

Naturschutz contra Landwirtschaft

Kopfweide © Andreas Heitkamp

In dem über 200 Quadratkilometer großen Schutzgebiet gelten neben dem saisonalen Jagdverbot insbesondere zeitliche Einschränkungen bei der Mahd, bestimmte Düngemittel und Pestizide sind verboten, Wiesen dürfen nicht mehr trockengelegt und Windkraftanlagen nicht neu errichtet werden. Solche Maßnahmen können im Extremfall existenzbedrohend für die Landwirte sein und werden aus deren Sicht auch schon mal als Enteignung bezeichnet. Doch es sei auch erwähnt, dass die Landwirte an den Planungen für das Vogelschutzgebiet Mitte der 1980er Jahre beteiligt wurden und einen Kompromiss aushandeln konnten.

Geld war einmal die Lösung…

Denn dafür, dass die Landwirte die Vögel in Ruhe fressen lassen, werden sie vom Land Nordrhein-Westfalen entschädigt. Durch das „Vogelschutzprogramm“ erhalten die Bauern in den betroffenen Kreisen in etwa die gleiche Summe Geld, die sie für eine normale Ernte am Großmarkt erzielt hätten. Im letzten Jahr entsprach dies bis zu 150 Euro je Hektar. Seit Beginn des Programms haben sich diese Zahlungen insgesamt verfünffacht und beliefen sich im letzten Jahr in den Kreisen Kleve und Wesel auf 1,3 Millionen Euro.

Doch sanken in den letzten Jahren die aufgewendeten Gelder merklich: Denn 1995 belief sich die Summe noch auf 1,8 Millionen Euro. Auch sind seit 2003 nur noch die „befallenen“ Wiesen und nicht mehr die Getreidefelder entschädigungswürdig. Der allgemeine Sparzwang des Landes macht sich also auch in diesem Naturschutzprojekt bemerkbar. Dabei steigt die Zahl der Überwinterungsgäste stetig an und die Sorge der Bauern um ihre Ernte nimmt ständig zu. Sie sähen am liebsten das Jagdverbot gelockert.

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Diesen Winter werden die Gänse wohl noch störungsfrei weiden können, doch bei steigendem Widerstand der Landwirte könnte die Ruhe am Niederrhein bald vorbei sein.

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Stand: 13.01.2004

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Naturschutz
Der Ast auf dem wir sitzen...

Bedrohte Natur...
Warum Naturschutz wichtig ist

Landwirtschaft und Vogelschutz
Der Untere Niederrhein: Gänseparadies oder Bauernleid?

Mobilität endet im Wald
Wer braucht mehr Lärmschutz: Fledermaus oder Anwohner

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Ohne Unterschiede geht es nicht

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