Anzeige
Phänomene

Korallensterben durch Sahara-Staub?

Interview über eine Forschungsfahrt

g-o.de:

Herr Freiwald, was genau sind Schlammvulkane?

Gefährdet bei steigendem Meeresspiegel: Atoll © NASA/GSFC

Freiwald:

Schlammvulkane entstehen durch einen konzentrierten Austritt von Gasen und Sedimenten aus dem Untergrund. Die ausgeworfenen Sedimente bauen die Vulkanstruktur auf, so dass diese äußerlich genau so aussehen wie magmatische Vulkane. Ihr Vorkommen konzentriert sich entlang von Subduktionszonen oder Zonen an denen Kontinentalplatten gegeneinander stoßen. Dabei geraten die abtauchenden Sedimentkeile unter Druck und hohe Temperaturen, wodurch das in den Sedimenten abgelagerte organische Material als Methan- Kohlendioxid- oder Schwefelwasserstoffgas ausgetrieben wird. Schlammvulkane sind nicht nur auf das Meer beschränkt, sondern es gibt sie auch an Land, wie beispielsweise in Aserbeidschan und Pakistan.

g-o.de:

Warum siedeln gerade hier die Kaltwasserkorallen?

Freiwald:

Diese Frage wird von Wissenschaftlern schon länger diskutiert, denn Kaltwasserkorallen benötigen eigentlich sauerstoffreiches Wasser. Die Schlammvulkane hingegen gehören mit ihrem Gas- und Sedimentausstoß zu der sauerstofffreien, beziehungsweise –armen Zone. Normalerweise siedeln hier Bakterienmatten, Bartwürmer und diverse andere Tiere, die sich in Symbiose mit speziellen Mikroorganismen von Schwefelverbindungen oder Methan ernähren

Kaltwasserkorallen Lophelia (weiß) und Gorgonia (rot) © K.Hissmann (IFM-Gemoar)

Trotzdem findet man häufig Kaltwasserkorallen auf den Flanken von Schlammvulkanen. Eine mögliche Lösung dieses scheinbaren Widerspruchs könnte darin liegen, dass die Dynamik und Menge des Gasaustritts in solchen Gebieten variiert. Es gibt also Phasen, in denen der Schlammvulkan „schläft“, ähnlich wie bei magmatischen Vulkanen. In diesen Zeiten nutzen die Korallen einfach das Relief des Schlammvulkans als Siedlungsgrund. Die Korallen siedeln dabei natürlich nicht im Schlamm, sondern auf den Felsbrocken, die durch den Eruptionsschlot des Vulkans ausgeworfen wurden.

g-o.de:

Welche neuen Ergebnisse gab es während der Tauchfahrten?

Freiwald:

Was mich überrascht hat: es gibt so gut wie gar keine lebenden riffbildenden Korallen auf den untersuchten Schlammvulkanen. Um dieses Rätsel zu lösen, haben wir nächtelang die Schlammvulkane mit dem Fotoschlitten des IFM-Geomar kartiert. Auf dem so genannten Renard Rücken fanden sich mächtige Korallenschuttsedimente, die aus einer Abfolge unterschiedlicher Steinkorallenarten zusammengesetzt sind. Die zeitlich jüngsten Korallen sehen aus, als ob sie erst vor wenigen tausend Jahren abgestorben sind – und zwar überall, wo wir geschaut haben. Videodaten anderer Expeditionen belegen diesen Trend, es lassen sich allenfalls einzelne lebende Steinkorallenkolonien nachweisen.

Anzeige

Trotzdem ist sicher, dass noch vor wenigen 1.000 Jahren zahlreiche Kaltwasserkorallenriffe auf den Schlammvulkanen des Golfes von Cadiz existiert haben – mit Ausnahme der aktiven Schlammvulkane. Die nahe liegende Annahme, dass zuviel Methangas die Korallen getötet hat, ist bei näherer Betrachtung der Sedimentkerne unwahrscheinlich. Die steilen Schlammvulkane bieten auch keinen guten Boden für Schleppnetzfischerei, so dass die Riffe wohl auch nicht durch industrielles Trawlen zum Kollabieren gebracht wurden.

g-o.de:

Was ist dann die Ursache für dieses lokale Massensterben?

Mit den Höhenwinden werden die Sahara-Sande nicht nur zu den Kanarischen Inseln sondern bis nach Südamerika verfrachtet. © NASA/GSFC

Freiwald:

Dr. Sascha Flögel vom IFM-Geomar und ich denken an die Ausbreitung der Saharawüste innerhalb der letzten 4.000 Jahre! Ja, sie haben richtig gehört. Denn die Wüste, wie wir sie heute kennen, ist ein geologisch junges Gebilde und hängt in seiner Ausdehnung von den Schwankungen der Erdbahnparameter ab. Noch vor etwa 8.000 Jahren war das Gebiet der heutigen Sahara eine für den Steinzeitmenschen reich gedeckte Savanne, die sich durch starke Regenzeiten, eine dichte Vegetationsdecke und einen Tierreichtum auszeichnete. Dann war damit Schluss und die Wüste breitete sich aus – und damit auch der Sahara Staub.

Starke Winde blasen den Staub in der Atmosphäre über den Atlantik bis nach Zentralamerika, wo er als Dünger den tropischen Regenwald aufblühen lässt. Doch die weitaus meisten Staubmassen gehen bereits unmittelbar westlich der Sahara in den Atlantik vor Mauretanien und Marokko nieder. Die nächsten Wochen werden die potentielle Rolle des Staubeintrages auf das Absterben der Korallen beleuchten.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. 8
  18. |
  19. weiter


Stand: 07.07.2006

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Kaltwasserkorallen
Das „Great Barrier Reef“ des Nordens

Leben im Dunkel
Eine Tauchfahrt in die Tiefe

Überraschung am Meeresgrund
Korallenriffe im Nirgendwo

Überleben im Alleingang
Ernährungsstrategien unter Wasser

Kinderstube für Hochseefische
Bodenschleppnetze bedrohen Korallengärten

Osteoporose in der Tiefe
Übersäuerung der Meere löst Korallenriffe auf

Korallensterben durch Sahara-Staub?
Interview über eine Forschungsfahrt

Korallen-Steckbrief
Die wichtigsten Arten im Überblick

Diaschauen zum Thema

keine Diaschauen verknüpft

News zum Thema

Was blüht denn da?
Wildwachsende Blütenpflanzen Mitteleuropas Von Roland Spohn, Margot Spohn, Dietmar Aichele

Korallen können “umschalten”
Skelettzusammensetzung an chemische Zusammensetzung des Meerwassers angepasst

JAGO taucht auf
IFM-GEOMAR stellt Forschungstauchboot vor

Mit High-Tech in die Tiefsee
Forscher untersuchen wimmelndes Leben am Meeresboden des Nordatlantiks

Riffe im Nordmeer
Von Korallenwächtern und Kinderstuben

Tauchfahrt in Europas Unterwasserreich
HERMES untersucht Kontinentalränder

Korallen im Nordmeer bedroht
Expedition zu den Kaltwasserriffen

Europäisches „Great Barrier Reef“ gerettet
Etappenerfolg im Schutz europäischer Kaltwasserkorallen

Dossiers zum Thema