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Medizin

Getäuscht und ausmanövriert

Wie Krebs unsere Immunabwehr unterläuft

Krebs ist eine der größten Herausforderungen der Medizin. Weltweit sterben jedes Jahr fast zehn Millionen Menschen an einer bösartigen Tumorerkrankung. In Europa und anderen Industrieländern lebt inzwischen jeder 20. Mensch mit einem Krebsleiden – Tendenz steigend. Anders als früher ist Krebs heute zwar oft kein Todesurteil mehr: Viele Krebsarten lassen sich dank verbesserter Diagnose- und Therapiemethoden inzwischen heilen.

Krebstumor
Krebszellen tarnen sich vor dem Immunsystem und können so ungestört wachsen und Metastasen bilden. © peterschreiber.media/ iStock

Doch gerade im fortgeschrittenen Stadium, bei besonders aggressiven Krebsarten oder bei Metastasen wirken gängige Therapien wie Operation, Chemotherapie und Bestrahlung oft nicht. Rund die Hälfte aller Krebsfälle endet dadurch noch immer tödlich, besonders häufig ist dies bei Lungenkrebs, Brustkrebs und Bauchspeicheldrüsenkrebs der Fall. Mediziner weltweit suchen daher nach neuen Methoden, um Tumore und Metastasen zu bekämpfen.

Tarnkappen und Hemmstoffe

Eine dieser neuen Methoden ist die Immuntherapie. Sie nutzt die Waffen unserer eigenen Immunabwehr, um Krebstumore zu bekämpfen. Das allerdings ist nicht einfach, denn Krebszellen sind wahre Meister darin, das Immunsystem auszutricksen. Sie können dadurch die normalen Kontrollmechanismen gegen kranke oder entartete Zellen unterlaufen. Ein Grund dafür: Weil Krebs durch die Entartung normaler Körperzellen entsteht, teilen Tumorzellen viele Merkmale mit gesunden Zellen. Das macht es Killerzellen, Antikörpern und anderen Abwehr-Patrouillen des Körpers schwer, Krebszellen zu erkennen.

Manche Krebszellen entwickeln sogar spezielle Tarnkappen, um nicht erkannt zu werden. Dafür bilden sie an ihrer Oberfläche Zuckermoleküle, Proteine und andere molekulare Marker aus, die für andere, gesunde Zelltypen typisch sind. Dies ermöglicht es streuenden Krebszellen, sich weitgehend unangefochten mit dem Blut im Körper zu verteilen und Metastasen zu bilden. Andere Tumortypen setzen Botenstoffe frei, die die Abwehrzellen „blind“ machen oder deaktivieren.

Wenn Killerzellen zu Doppelagenten werden

Einige Tumore sind sogar noch raffinierter: Ihre Krebszellen blockieren nicht nur die Angriffe der Immunabwehr, sie programmieren auch deren Killerzellen für ihre eigenen Zwecke um, wie Isaac Chan von der Johns Hopkins University und sein Team im Jahr 2020 herausfanden. Sie beobachteten, wie die Abwehrzellen beim Kontakt mit menschlichen Brustkrebszellen plötzlich jede Angriffslust verloren und sogar das Streuen von Krebszellen und die daraus folgende Metastasenbildung förderten.

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„Unseres Wissens nach sind wir die ersten, die demonstrieren, dass natürliche Killerzellen durch die Krebszellen in einen anderen, metastasenfördernden Zellzustand versetzt werden“, berichtet Chan. Nähere Analysen enthüllten, dass der Tumorzell-Kontakt tausende Gene in den Killerzellen an- oder ausschaltet. Dadurch werden die Abwehrzellen ruhiggestellt und auch ihre Rezeptoren für die Krebszell-Erkennung verschwinden. Damit hat der Krebs eine der wichtigsten Waffen des Immunsystems kaltgestellt.

Genau an diesem Punkt setzen Immuntherapien an: Sie versuchen, die Tarnung und Abwehrmechanismen der Krebszellen zu durchbrechen und die Immunabwehr gegen die Tumore zu mobilisieren.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Immuntherapie gegen Krebs
Antikörper, T-Zellen und Impfstoffe als neue Waffen gegen den Tumor

Getäuscht und ausmanövriert
Wie Krebs unsere Immunabwehr unterläuft

Direkter Angriff
Mit Antikörpern gegen den Tumor

Gegen den Maulkorb
Wie Checkpoint-Inhibitoren T-Zellen mobilisieren

Aufgerüstete Abwehrzellen
Das Prinzip der CAR-T-Zelltherapie

Den Krebs wegimpfen
Mit therapeutischen Impfstoffen gegen den Tumor

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