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Geologie/physische Geographie

Flussdiebstahl an der Donau

Der „Kampf“ um die Wasserscheide zwischen Donau- und Rheinsystem

Wasser hat nicht nur so offensichtlich wie im Rhein-, Donau oder Neckartal die Erdoberfläche Süddeutschlands geformt, es wirkt seit Jahrmillionen auch im Verborgenen. So verdanken einige der vielfältigsten und interessantesten Landschaften dem Wasser als entscheidendem Baumeister ihre Existenz – die Karstgebiete etwa in den Berchtesgadener Alpen oder in der Schwäbischen beziehungsweise Fränkischen Alb. In ihnen fehlen Oberflächengewässer wie Flüsse oder Seen oft fast völlig. Stattdessen versickert das Regenwasser dort schnell im porösen Gesteinsuntergrund und tut erst da seine Arbeit.

Wasser © USDA/NRCS

Kalk als „Opfer“

Hauptleidtragender der Wassertätigkeit ist Kalk, ein Gestein, das in Deutschland, aber auch weltweit häufig vorkommt. Kalkstein ist zwar relativ widerstandsfähig gegenüber physikalischer Verwitterung, dafür aber umso anfälliger für die Prozesse der chemischen Verwitterung, vor allem gegenüber der Kohlensäure. Gehen nun Wasser und wasserlösliche Gesteine im Untergrund eine Allianz ein, sorgt die Kohlensäure im Wasser dafür, dass das Gestein zersetzt wird – es korrodiert.

Je weiter dieser chemische Verwitterungsprozess im Gestein fortschreitet, desto größere Risse und Spalten tun sich im Erdboden auf. Doch wo Kalk als Gestein vorkommt, prägt er deshalb auf einmalige Weise das Gesicht ganzer Landschaften: von tiefen Klüften zerfressener Fels, ausgedehnte Höhlensysteme und karge Wiesen in unseren Breiten. Ein ganz besonderes Karstphänomen begegnet uns jedoch am nächsten Haltepunkt unserer Expedition durch Deutschlands Süden: eine unterirdische Flussanzapfung.

Versickerungsstellen der Donau bei Immendingen © Drombalan / GFDL

Ein Fluss verschwindet

Immendingen an der Donau im Jahr 1921. Wo noch vor ein paar Tagen die Donau sanft plätschernd ihren Weg suchte und fand, gähnt jetzt nur noch ein leeres Flussbett. Das Ganze entpuppt sich nicht nur als Momentaufnahme, für erstaunliche 309 Tage bleibt der Fluss von der Bildfläche verschwunden. Danach taucht die Donau wie von Geisterhand wieder auf, als sei überhaupt nichts gewesen.

Das klingt mehr als kurios, für die Bewohner des Städtchens Immendingen in Baden-Württemberg ist es jedoch ganz normal, dass der Fluss ab zu mal „weg“ ist. Schon vor 1921 und auch regelmäßig danach hat es nahe der Stadt solche Flussversickerungen gegeben. Was aber steckt dahinter? Auch hier liefert der Untergrund die Erklärung: Bei Immendingen und an anderen Stellen im heutigen Naturpark Obere Donau stößt der Fluss auf den 150 Millionen Jahre alten Kalkstein der Schwäbischen Alb.

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Schluckloch der Donauversinkung unterhalb von Immendingen © Kreuzschnabel / CC-by-sa 3.0

Aus Donauwasser wird Rheinwasser

Große Teile des Donauwassers verschwinden dort an offenen Stellen – so genannten Ponoren – in einem unterirdischen Karsthöhlensystem. Weiter östlich der Versickerung formiert sich die Donau in sehr trockenen Jahren aus ihren Nebenflüssen neu, um dann am Fuße der Alb entlang zu fließen.

Doch das Wasser, das in den Ponoren verschwindet, ist keineswegs verloren. Zwölf Kilometer südlich von Immendingen und einige Tage später tritt es im Aachtopf wieder aus dem Felsen aus. Die Quelle des Flüsschens Aach ist die größte Deutschlands und fördert in jeder Sekunde etwa 8.500 Liter Wasser zutage – Donauwasser.

Ein beträchtlicher Teil der Donau überwindet so jedes Jahr die europäische Wasserscheide. Anstatt im Schwarzen Meer landet das Wasser über die Aach zunächst im Bodensee. Von dort aus gelangt es in den Rhein und am Ende in die Nordsee. Wissenschaftler rechnen mittlerweile sogar damit, dass irgendwann die komplette Obere Donau auf diese Art und Weise umgeleitet wird. Dann würde der Fluss deutlich weiter östlich beginnen – mithilfe des Wassers der „neuen“ Quellflüsschen Krähenbach und Elta.

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Stand: 24.09.2010

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Deutschlands Süden
Eine Reise durch einzigartige Landschaften und Jahrmillionen Erdgeschichte

Kosmischer Doppelschlag vor 15 Millionen Jahren
Die Meteoritenkrater von Nördlingen und Steinheim

Tropisches Paradies im Ölschiefer
Die Grube Messel

Ein Gletscher am Rhein
Jede Menge Eis - und seine Folgen

Des Teufels Werkzeug
Dengelstein - ein Findling im Allgäu

Flussdiebstahl an der Donau
Der „Kampf“ um die Wasserscheide zwischen Donau- und Rheinsystem

Wutach-Tricks und Karstquellen
Phänomen Wasser

Der Frühmensch aus dem Sand
Die ältesten menschlichen Knochen Mitteleuropas

„Heiße“ Zeiten in Süddeutschland
Vulkanismus als Landschaftsbildner

Von Gletschern und schwimmenden Inseln
Die Arberseen im Bayerischen Wald

Am höchsten Punkt Deutschlands
Zugspitze und Alpen

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