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Flecken in Bakterienkulturen

Die Entdeckung der Phagen

Flecken in Bakterienkulturen brachten den französischen Bakteriologen Félix d’Hérelle erstmals auf die Spur der Phagen: Bei Untersuchungen mit an Ruhr erkrankten Patienten bemerkte er, dass die von ihm im Labor kultivierten Erreger an bestimmten Stellen nicht richtig wuchsen und nach und nach wie von Geisterhand verschwanden. Ähnliches hatte einige Zeit zuvor bereits sein britischer Kollege Frederick Twort entdeckt. Dieser untersuchte das rätselhafte Phänomen allerdings nicht weiter – im Gegensatz zu d’Hérelle.

Ihn führten weitere Experimente schließlich zu der Vermutung, dass für das Verschwinden der Kulturen „unsichtbare Mikroben“ verantwortlich sein mussten – Mikroorganismen, die die Ruhr auslösenden Bakterien gewissermaßen auffraßen. Diese Ergebnisse präsentierte d’Hérelle im September 1917 auf einem wissenschaftlichen Kongress und prägte damals den Begriff Bakteriophage: Bakterienfresser.

Erste Erfolge

d'Hérelle
Er entdeckte die Bakterienfresser: Félix d'Hérelle © gemeinfrei

Das Potenzial seiner Entdeckung erkannte d’Hérelle sofort: Wenn es Phagen gab, die Bakterien fraßen, konnten diese dann nicht im Kampf gegen bakterielle Infektionen eingesetzt werden? Seine Versuche, diese Hypothese zu bestätigen, führten schon bald zu einem ersten Erfolg. Im Frühjahr 1919 isolierte d’Hérelle Phagen aus Hühnerkot und behandelte damit an Hühnertyphus erkranktes Geflügel.

Dieses vielversprechende Ergebnis veranlasste den Forscher dazu, ähnliche Therapiemethoden an menschlichen Patienten zu erproben: Im August 1919 behandelte er erstmals einen Ruhr-Patienten mit Phagen-Lösungen und heilte ihn. Auch gegen die Pest und Cholera setzte d’Hérelle die Phagentherapie anschließend erfolgreich ein. Doch sein Behandlungsansatz sollte bald in Vergessenheit geraten – zumindest in der westlichen Welt.

Pionierarbeit im Osten

Mit dem Aufkommen der ersten modernen Antibiotika schien es keinen Anlass mehr zu geben, das therapeutische Potenzial der Phagen weiter zu erforschen. Hinzu kam, dass d’Hérelles Methode unter seinen Kollegen umstritten war. Als Folge wurde der Phagentherapie im Westen rasch keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt.

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Im Osten war das anders: Dort gründete d’Hérelle gemeinsam mit dem befreundeten Wissenschaftler Georgi Eliava im Jahr 1936 ein Institut für Phagenforschung. Das mit Unterstützung der sowjetischen Regierung entstandene Eliava-Institut im georgischen Tiflis erprobte fortan systematisch die Behandlung mit den Viren, die dank der Erfindung des Elektronenmikroskops nun auch endlich sichtbar gemacht werden konnten.

In der Apotheke erhältlich

Weil es im Ostblock lange Zeit kaum Zugang zu teuren Antibiotika gab, war die Phagentherapie eine willkommene Alternative und wurde immer wieder erfolgreich etwa für die Behandlung von Durchfällen und infizierten Wunden eingesetzt. Bis heute sind Phagen als Therapiemethode in Georgien bekannt. Bewährte Viren-Mischungen gibt es sogar in der Apotheke zu kaufen. Zum Beispiel das Präparat Staphage – ein Mittel, das gegen das unter anderem als Krankenhauskeim berüchtigte Bakterium Staphylococcus aureus helfen soll.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Die Stunde der Bakterienfresser
Bakteriophagen als Alternative zu Antibiotika?

Bakterientötende Viren
Was sind Phagen?

Flecken in Bakterienkulturen
Die Entdeckung der Phagen

Hoffnung gegen Superkeime
Warum Phagen die neuen Antibiotika werden könnten

Kommt die Phagentherapie?
Der Stand der Dinge in Deutschland und Europa

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