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Raumfahrt

Der erste Flug

Einmal um die Welt in eineinhalb Stunden

Kosmodrom Tjuratam, 09:06:57 Uhr Moskauer Zeit: Der Start geht glatt. Sauber hebt die Wostok-1 mit Juri Gagarin an Bord ab und steigt auf Richtung Orbit.

Nachtstart einer heutigen Soyuz-Rakete in Baikonur. © NASA

Angstfaktor Zwei

Koroljow sitzt im Bunker der Bodenstation und bewacht mit Argusaugen die Telemetriedaten auf dem Schirm vor ihm. Erscheint eine Reihe von Fünfen, ist alles gut und die dritte Brennstufe hat gezündet. Erscheinen dagegen Zweien, gibt es eine Fehlfunktion. Knapp zwei Minuten nach dem Start kommen erst Fünfen, wie erhofft. Dann jedoch wechselt die Anzeige plötzlich zu Dreien. Was um Himmelswillen bedeutet das?

Gebannt starren alle weiter auf den Schirm. Dann endlich, wechseln die Zahlen zurück zu den Fünfen und bleiben dabei – alles in Ordnung, Gagarin ist weiter auf Kurs. Der Ingenieur und spätere Kosmonaut Konstantin Feoktistow erinnert sich: „Diese Unterbrechungen, nur wenige Sekunden lang, müssen die Entwickler einige Lebenszeit gekostet haben.“

Flugbahn der Wostok-1 am 12. April 1961 © NASA

Von diesen Turbulenzen bekommt Gagarin, mittlerweile im Orbit, nichts mit. Er genießt den Ausblick und das ungewohnte Gefühl der Schwerelosigkeit: „Man fühlt sich, als wenn man an Riemen aufgehängt ist, wie schwebend. […] Ich ließ den Schreibblock los und er schwebte zusammen mit dem Stift vor mir.“ Um 10:25 Uhr feuern die Bremsdüsen genau 40 Sekunden lang, um die Kapsel auf den Wiedereintritt in die Atmosphäre vorzubereiten. Alles wie geplant, scheint es. Doch dann das Unerwartete:

Kreiselballett im Weltraum

„Sobald die Bremsdüse aufhörte, gab es einen scharfen Ruck und das Raumschiff begann sehr schnell um seine Achse zu rotieren. Die Rotation betrug ungefähr 30 Grad pro Sekunde, mindestens. Ich war das reinste ‚Corps de ballet‘: Kopf, dann Fuß, Kopf, dann Fuß, rasch kreisend. Alles drehte sich um mich“, diktiert Gagarin direkt danach in seinen Kassettenrekorder, da er in diesem Moment keinen direkten Kontakt zur Bodenstation hat.

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Landekapsel und Instrumentenmodul der Wostok-1 © gemeinfrei

„Ich fragte mich, was vorging und wartete auf die Trennung. Doch es gab keine.“ Genau zwölf Sekunden nach der Bremszündung sollte eigentlich das Instrumentenmodul von der Landekapsel abgesprengt werden. Die Metallklammern öffnen sich auch, aber ein paar Stromkabel halten beide zusammen. Erst zehn Minuten später brennt die Reibungshitze der oberen Atmosphäre die Kabel durch, gerade noch rechtzeitig, um ein gefährliches Taumeln beim Wiedereintritt zu verhindern.

Violettes Leuchten

Gagarin ist der erste Mensch, der die Phänomene beim Eintritt eines Objekts in die Erdatmosphäre erlebt und beschreibt: „Plötzlich erschien ein helles, violettes Leuchten an den Rändern und auch in der kleinen Öffnung des rechten Bullauges. Ich fühlte die Bewegungen des Raumschiffs und das Brennen der Beschichtung. […] Ich hörte knackende Geräusche. […] Ich fühlte, dass die Temperatur sehr hoch war.“ Noch immer taumelt das Raumschiff, der steigende Druck presst Gagarin in den Sitz, kurzzeitig muss er bis zu 10 g ertragen. „Es gab einen Moment von etwa drei Sekunden, in denen die Instrumentenanzeigen vor meinen Augen verschwammen. Meine Sicht wurde grau“, berichtet Gagarin später.

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Nadja Podbregar

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Roter Orbit
Juri Gagarin wird der erste Mensch im Weltraum

Der erste Mensch im Orbit
Ein Tag im April verändert die Welt

Kampf um die „Wunderwaffe“
Wernher von Brauns A-4 als Ursprung zweier konkurrierender Raketenindustrien

„Nur im Reich der Fantasie“
Tichonrawow und die ersten Pläne für bemannte Raumkapseln

Der Sputnik-Schock
Der erste Satellit und die ersten Vorbereitungen auf einen bemannten Flug

Wer darf fliegen?
Die Auswahl der Kosmonauten

Die Vorhut
Die ersten Tests und das Nedelin-Desaster

Endspurt ins All
Kopf an Kopf für Mercury und Wostok

Countdown
Die letzten Stunden vor dem Start

Der erste Flug
Einmal um die Welt in eineinhalb Stunden

Triumpf und Niederlage
Gagarins Landung und wie es weiterging

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