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Anthropogeographie

Eine widersprüchliche Persönlichkeit

Drake als Mensch

Die Kaperung der Nuestra Señora de la Concepción © Levinus Hulsius / gemeinfrei

Nicht nur Francis Drakes Lebensleistungen sind schwer zu bewerten, auch als Mensch präsentierte er sich oftmals zerrissen und widersprüchlich. Skrupellos und gewalttätig soll er gegen jeden reagiert haben, der seinen Zielen im Wege stand oder ihm zu trotzen wagte. Hatte er jedoch Gefangene gemacht, krümmte er ihnen – wenn sie sich nicht widersetzten – in der Regel kein Haar. Meist durften sie sogar ihre Wertgegenstände behalten und viele der gekaperten Schiffe wurden wieder an ihre Besitzer zurückgegeben.

San Juan de Anton, Kapitän der von Drake erbeuteten Nuestra Señora de la Concepción, erklärte dazu: „Bevor der Engländer mein Schiff freigab, gab er jenen, die beraubt worden waren, bestimmte Dinge als Geschenke. An Geld gab er jedem 30-40 Pesos, und einige erhielten portugiesisches Tuch und Werkzeuge wie Gartenmesser und Hacken, sowie zwei seiner eigenen verzierten Mäntel.“ Drake ging es scheinbar nicht darum, jeden einzelnen Spanier zu schädigen, sondern vor allem König Philipp II. gegen den er einen persönlichen Groll hegte.

Keine Vorurteile

Anders als viele Seefahrer und Entdecker seiner Zeit hatte Drake keine Vorurteile gegen Indios oder (ehemalige) Sklaven in den spanischen Überseegebieten. Einer der vielen geflohenen Slaven in Südamerika stand ihm sogar ganz besonders nahe. Dieser Diego begleitete ihn als Freund nach England und später auf vielen seiner Reisen.

Obwohl Drake den Aufzeichnungen von Mitreisenden zufolge ein Disziplinfanatiker war und drohende Meutereien schon im Keim erstickte, war er sich doch nicht zu schade selber einfachste Aufgaben an Bord selbst zu übernehmen. Ein vergleichbares Verhalten forderte er zudem, soweit man heute weiß, auch von seinen Offizieren immer wieder ein.

Portrait Drakes © gemeinfrei

Lügen und Hass

Dieses beinahe schon an Kameradschaftlichkeit erinnernde Benehmen gegenüber Untergebenen hatte aber auch Grenzen. Etwa, wenn es darum ging, eine Crew für eine neue Expedition zu rekrutieren. Denn dann schreckte Drake auch vor Verschleierungen oder sogar dreisten Lügen nicht zurück. So kündigte er potenziellen Matrosen beim Anheuern 1577 eine simple Handelsreise nach Ägypten an, obwohl es in Wirklichkeit auf einen waghalsigen Trip nach Übersee gehen sollte.

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Ohne Rücksicht auf Verluste zog Drake anschließend seine Missionen durch. Viele Menschen starben während der Fahrten an Hunger, Skorbut, Infektionen oder im Kampf mit Feinden. Auf seinen Reisen war es daher „normal“, dass von Hunderten Matrosen, die mit ihm losgefahren waren, nur eine Handvoll die Heimat wiedersah.

Unerbittlich zeigte sich der bekennende und seinen Glauben auch an Bord lebende Protestant zudem gegenüber der verhassten katholischen Kirche. Schon in frühester Kindheit wurden er und seine Familie bei einem Katholikenaufstand aus ihrer Heimat vertrieben und mussten sich nach Kent retten. Das hat er Zeit seines Lebens wohl nie vergessen und vergeben. Denn die Symbole dieses Glaubens wie Kirchen oder Kruzifixe ließ er auf seinen Überfällen auf spanische Städte oder Schiffe regelmäßig zerstören.

Kein Gentleman-Pirat

All dies zeigt: Aus heutiger Sicht betrachtet war Drake sicher kein strahlender Held, auch kein Gentleman-Gauner für den man spontan Sympathien entwickeln würde. Er war ein Kind seiner Zeit, in der Gewalt zur Normalität gehörte. Als Pirat bei seinen blutigen Raubzügen und bei militärischen Konflikten mit den Spaniern machte er reichlich davon Gebrauch und schonte dabei weder Freund noch Feind. Bei näherem Hinschauen entpuppt sich Sir Francis Drake aber auch als ein Kapitän, der im Umgang mit Menschen viel fortschrittlicher dachte und handelte als viele seiner Entdecker- und Seefahrerkollegen im 16. und 17. Jahrhundert.

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Dieter Lohmann
Stand: 02.09.2011

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Sir Francis Drake
Dreister Pirat oder legendärer Seefahrer?

Held oder Hasardeur?
Die Bilanz von Drakes Leben

Eine widersprüchliche Persönlichkeit
Drake als Mensch

Vom Bauernsohn zum Sklavenhändler
Die frühen Jahre

Wildern in fremden Revieren
Engländer in der Karibik

Pirat auf Plünderfahrten
Rache für San Juan

Einmal um die ganze Welt…
Drake auf geheimer Mission

Zwischen Kap Hoorn und Vancouver Island
Mit der Golden Hinde entlang der Westküste Amerikas

Heldentat mit der Golden Hinde
Die 2. Weltumseglung

Vom Weltumsegler zum Kriegshelden
Der Überfall auf Cadiz

Sieg vor Calais - Tod in der Karibik
Wie alles endete...

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