Anzeige
Forscher / Entdecker

Eine „Titanic“ der Antike

Die Entdeckung des Wracks von Antikythera

Wir schreiben das Jahr 1900. Vor der Küste der kleinen griechischen Insel Antikythera tauchen einige Männer nach Schwämmen und folgen damit einer jahrhundertelangen Tradition in dieser Region. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern nutzen sie dabei jedoch eine brandneue Erfindung: einen Taucherhelm, der über eine Leitung mit Luft von der Oberfläche versorgt wird. Dank dieser Ausrüstung können die Schwammtaucher nun länger als nur wenige Minuten unter Wasser bleiben und bringen viermal mehr Schwämme an die Oberfläche als zuvor.

Bergung 1901
Erste Bergungsexpedition zum Wrack von Antikythera im Winter 1900/1901 . © historisch

Die Entdeckung

Doch an diesem Frühlingstag finden die Taucher mehr als nur die gesuchten Schwämme: Sie stoßen auf das Wrack eines gesunkenen Schiffes. Verstreut am Meeresgrund in rund 55 Metern Tiefe sehen sie einige dicke Holzbalken, Reste von nautischen Utensilien, aber auch Relikte einer wertvollen Fracht, darunter einige Objekte aus Bronze und Marmor. Als Beleg für ihren Fund nimmt einer der Taucher den bronzenen Arm einer Statue mit an die Oberfläche.

Sofort werden die Behörden über den Fund informiert und ein halbes Jahr später beginnt unter Aufsicht von Archäologen und mit Unterstützung der griechischen Kriegsmarine die Untersuchung des Wracks und die Bergung der Funde. Diese Expedition markiert den Beginn der Unterwasserarchäologie – und demonstriert gleichzeitig deren Tücken. Die Arbeit am Meeresgrund ist so hart, dass einige der Taucher schwer erkranken. Zudem erschwert schlechtes Wetter immer wieder den Fortgang der Arbeiten.

BRonzearm
Auch 2017 stießen Unterwasser-Archäologen im Antikythera-Wrack auf einen Bronzearm. © Antikythera.gr

Bronze, Marmor und Wein

Doch trotz all dieser Schwierigkeiten ist die Ausbeute sensationell: Bis zum September 1901 haben die Taucher wahre Schätze aus dem Wrack von Antikythera geborgen. Unter ihnen sind die lebensgroße Bronzestatue eines Jünglings, die Portraitbüste eines Philosophen sowie Teile von weiteren Bronzestatuen. Außerdem bergen die Taucher Fragmente von 36 Statuen aus Marmor, darunter vier lebensgroßen Pferden, Darstellungen des Gottes Hermes, der Aphrodite und des Zeus sowie Statuen von Helden der griechischen Sage wie Odysseus, Achilles und Herakles.

Zur Ladung des Schiffes gehörten aber auch zahlreiche Gefäße, die vermutlich einst Wein enthielten, sowie Silbergeschirr, feine Keramik und einige teils farbige Glasgefäße. All dies deutet darauf hin, dass dieses Schiff aus der Antike stammen muss. Wahrscheinlich war es ein griechischer oder römischer Frachter, der Luxusgüter für die Elite der damaligen Zeit transportierte.

Anzeige

Woher kamen Schiff und Fracht?

Aber aus welcher Zeit stammt das Wrack genau? Erste Hinweise darauf liefern Münzen aus Bronze und Silber, die bei einem Tauchgang in den 1970er Jahren gefunden werden. Sie stammen ihrer Prägung nach aus der Zeit um 60 bis 70 vor Christus, dazu passt auch der Stil der aus dem Wrack geborgenen Gefäße. Nähere Analysen ergeben zudem, dass die noch erhaltenen Holzbalken des Schiffs aus Ulmenholz bestehen – einem von den Römern häufig beim Schiffsbau verwendetes Holz.

Heute gehen Archäologen aufgrund dieser Indizien und Radiokarbondatierungen davon aus, dass es sich bei dem Wrack um einen römischen Frachter handelt, der etwa im Jahr 65 bei einem Sturm von Antikythera sank. Vermutlich war das Schiff auf dem Weg von Griechenland nach Italien. Wo es allerdings losfuhr, ist bis heute umstritten. Ebenso strittig ist die Frage, ob die Luxusfracht an Bord Handelsware war oder aber Beute aus einem Raubzug. So könnte das Schiff einer Hypothese nach Teil eines Konvois gewesen sein, mit dem Julius Cäsar Kriegsbeute aus Rhodos nach Rom bringen ließ.

Antikythera-Fracht
Teile der luxuriösen Fracht des Schiffs, darunter unzählige Amphoren. © Antikythera.gr

Größtes Wrack der Antike

Doch ungeachtet der spektakulären Schätze an Bord ist das Wrack von Antikythera noch aus einem anderen Grund eine echte Sensation: „Unsere Belege zeigen, dass dies das größte antike Schiffswrack ist, das je entdeckt wurde“, sagt Brendan Foley von der Woods Hole Oceanographic Institution. „Es ist die Titanic der alten Welt.“ Neuen Vermessungen der Wrackteile im Jahr 2014 zufolge muss das Schiff von Antikythera einst rund 50 Meter lang gewesen sein – deutlich länger als lange gedacht.

Die 3D-Kartierung des Wracks mit neuester Technik legt nahe, dass ein Großteil des Schiffs und seiner Fracht noch unter dem Sediment des Meeresgrunds verborgen liegt. Tatsächlich haben Unterwasserarchäologen im Rahmen des Projekts „Return to Antikythera“ in den letzten Jahren weitere spannende Funde im Wrack gemacht, darunter Relikte von sieben weiteren lebensgroßen Bronzestatuen, eine geheimnisvolle Bronzescheibe mit dem Relief eines Bullen und das gut erhaltene Skelett eines Menschen.

Neue Funde im Wrack von Antikythera .© Antikythera.gr

Schon das Wrack selbst ist damit einzigartig. Doch der mit Abstand bedeutendste Fund aus dieser „Titanic“ der Antike blieb zunächst unerkannt….

  1. zurück
  2. 1
  3. |
  4. 2
  5. |
  6. 3
  7. |
  8. 4
  9. |
  10. 5
  11. |
  12. 6
  13. |
  14. weiter
Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Der Antikythera-Mechanismus
Rätsel um die "Himmelsmaschine" der Antike

Eine "Titanic" der Antike
Die Entdeckung des Wracks von Antikythera

Der Himmelscomputer
Aufbau des Antikythera-Mechanismus

Mehr als nur ein Planetarium
Das komplexeste Gerät der Antike

Wozu diente die "Himmelsmaschine"?
Werkzeug, Lehrmittel oder einfach Schaustück?

Wer erschuf den Mechanismus?
Drei Kandidaten und viele offene Fragen

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Neue Funde im Wrack von Antikythera
Vom Meeresgrund geborgene Luxusgüter zeugen vom Leben der römischen Elite

Skelett im Schiffswrack von Antikythera entdeckt
Analyse der Knochen könnten Herkunft der Besatzung und des Schiffs verraten

Wrack von Antikythera war die Titanic ihrer Zeit
Antikes Schiffswrack birgt zahlreiche weitere Schätze und war größer als gedacht

Antiker "Himmelscomputer" mit Olympiaberechner
Röntgenanalyse enthüllt neue Überraschungen beim Mechanismus von Antikythera

Dossiers zum Thema