Anzeige
Phänomene

Eine Frage der Veranlagung?

Familien, Zwillinge und Genorte

Wenn es um die biologischen Wurzeln der sexuellen Orientierung geht, steht eine Frage ganz oben: Könnten Gene dafür verantwortlich sein? Immerhin prägt unser Erbgut nicht nur unser Aussehen und unsere Gesundheit, auch viele Persönlichkeitsmerkmale und möglicherweise sogar Teile unseres Verhaltens könnten eine genetische Wurzel haben.

Gibt es eine familiäre Häufung? © artistico/ iStock.com

Familiäre Häufung

Eine klassische Methode, um eine genetische Veranlagung aufzuspüren, ist der Blick ins Familienalbum: Häuft sich das gesuchte Merkmal – in diesem Fall die Homosexualität – möglicherweise in bestimmten Familien? Tatsächlich scheint dies bei der sexuellen Orientierung der Fall zu sein: Bei schwulen oder bisexuellen Männern ist die Wahrscheinlichkeit doppelt bis fünffach höher, dass auch einer ihrer Brüder homosexuell ist, wie Studien belegen. Ähnliche, wenn auch geringere Häufungen gibt es bei lesbischen Frauen und ihren Schwestern.

Doch damit allein ist noch nicht bewiesen, dass genetische Faktoren dahinterstecken. Denn theoretisch könnte auch das Umfeld der gemeinsam Heranwachsenden für diese Häufung verantwortlich sein. An diesem Punkt kommt ein weiteres Werkzeug der Genetiker ins Spiel: Zwillingsstudien.

Zwillinge als Testfall

Weil eineiige Zwillinge genetisch identisch sind, zweieiige aber nicht, können sie helfen, den Anteil der Veranlagung näher einzugrenzen. Generell sind Zwillinge im Mutterleib und meist auch beim Heranwachsen fast den gleichen Umweltbedingungen ausgesetzt. Wären diese Faktoren für die familiär gehäufte Homosexualität entscheidend, müsste diese bei ein- und zweieiigen Zwillingspaaren etwa gleich oft beide Geschwister betreffen.

Bei eineiigen Zwillingen sind häufiger beide Geschwister homosexuell. © Ramzihachicho/ iStock.com

Doch das ist nicht der Fall, wie unter anderem Michael Bailey und seine Kollegen in Zwillingsstudien feststellten. Bei den eineiigen Zwillingen waren in rund 30 Prozent der Fälle beide Geschwister homosexuell. Bei den zweieiigen waren es nur etwa acht Prozent. Seither haben verschiedene Forscher solche Studien mit jeweils mehreren tausend Zwillingspaaren wiederholt – und alle kamen zum gleichen Ergebnis: Bei eineiigen Zwillingen ist es deutlich wahrscheinlicher, dass beide Geschwister homosexuell sind.

Anzeige

Damit scheint klar, dass die sexuelle Orientierung auch durch genetische Faktoren beeinflusst wird – jedenfalls zum Teil. „Das Ausmaß des genetischen Einflusses ist unseren Schätzungen nach aber eher moderat „, sagt Bailey. Er und seine Kollegen schätzen, dass rund ein Drittel der Variationen in der sexuellen Orientierung auf genetische Unterschiede zurückgehen könnte.

Doch wo stecken diese Gene?

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. 8
  18. |
  19. weiter

Nadja Podbregar
Stand: 29.06.2018

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Homo, bi oder hetero?
Was bestimmt unsere sexuelle Orientierung?

Rätselhafte Anziehung
Die sexuelle Orientierung und ihre Varianten

Frühe Prägung?
Die Rolle psychosozialer Faktoren

Der Bruder-Effekt
Schwule Männer und ihre Geschwisterfolge

Die Hormone
Welche Rolle spielen Testosteron und Co?

Eine Frage der Veranlagung?
Familien, Zwillinge und Genorte

Fahndung im Erbgut
Die Suche nach dem "Schwulengen"

Paradox der Evolution
Evolutionäre Sackgasse – oder gute Strategie?

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Homosexualität: Eine Frage der Gene?
Erste genomweite Vergleichsstudie findet zwei potenziell relevante Genvarianten

Schwule Männchen gibt es auch bei Termiten
Soziale Insekten bilden Männerpaare als alternative Überlebensstrategie

Reaktion der Augen verrät sexuelle Orientierung
Pupillen weiten sich unwillkürlich beim Anblick des jeweils bevorzugten Geschlechts

Familie kaum Einfluss auf Sexualverhalten
Sexuelle Orientierung primär von genetischen und persönlichen Faktoren bestimmt

Dossiers zum Thema

Oxytocin - Ein Kuschelhormon mit vielen (Neben-) Wirkungen