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Umwelt

Eine angekündigte Katastrophe

Kolontár - die Ursachen

Rotschlammbecken im Juni 2010 © WWF

Ein einziges Bild hat vier Tage nach dem Dammbruch von Kolontár die Betreiber der Aluminiumhütte und die ungarische Regierung in die Bredouille gebracht. Denn es säte grundsätzliche Zweifel an der technischen Sicherheit des havarierten Giftschlammbeckens.

Veröffentlicht hat die brisante Luftaufnahme die Natur- und Umweltschutzorganisation WWF. Sie stammt aus dem Juni 2010 und zeigt zweifelsfrei, dass der Erdwall um das Becken schon länger ziemlich marode war. Denn schon Wochen und Monate vor dem eigentlichen Unglück „leckte“ Rotschlamm in die Umgebung. Erkennbar ist das auf dem Foto an den Kanälen, die das Firmengelände umgeben, und die auf dem Foto deutlich anders aussehen als normal. Die tiefrote bis rotbraune Färbung stammt vom Eisenoxid im Rotschlamm, das in Wasser unlöslich ist.

Lecks im Erdwall © WWF

Lecks im Erdwall

„Das Unglück und die [..] Todesopfer hätten leicht verhindert werden können, wenn die Betreiber ihrer Sorgfaltspflicht nachgekommen wären“, kommentierte Andreas Beckmann, Direktor des WWF-Donauprogramms die Aufnahme, obwohl der eigentliche Dammbruch dann an ganz anderer Stelle stattfand. „…diese Fahrlässigkeit und die Mängel bei den Sicherheitsvorschriften waren die Ursache für die größte Umweltkatastrophe in der Geschichte Ungarns.“

Bernd Schaudinnus, Greenpeace-Umweltexperte für Mittel- und Osteuropa sieht dies ähnlich. Seinen Erkenntnissen zufolge ist auch beim Bau des Giftschlamm-Beckens in unverantwortlicher Weise gepfuscht worden. Die Dämme seien einfach immer wieder erhöht worden, ohne die Basis zu verbreitern. Dadurch sei das Ganze instabil geworden und letztlich der Damm gebrochen.

Ein Graben voller Rotschlamm © Cscavaszkó / WWF

EU trägt Mitschuld

Doch der WWF wirft nicht nur der MAL AG und den ungarischen Kontrolleuren Versagen vor, er sieht auch die EU als Mittäter an: „Auch die EU trägt eine Mitschuld, denn die Sicherheitsstandards für die Abfallentsorgung in der Bergbau-Industrie sind viel zu niedrig. Mit Erfolg hatte sich damals die Industrie hohen Sicherheitsstandards widersetzt“, so Martin Geiger, Leiter des Bereichs Süßwasser beim WWF Deutschland.

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So wird beispielsweise Rotschlamm laut den EU-Vorgaben trotz seiner stark ätzenden Wirkung und den vielen enthaltenen Giftstoffen nicht als hochgradig gefährlich eingestuft. Und als Schutz von Mensch und Natur vor dem Rotschlamm sind in Ungarn und anderswo noch immer einfache Erddämme im Einsatz. Bei starken Niederschlägen weichen diese auf und können dann manchmal dem gewaltigen Druck der Schlammmassen nicht mehr Stand halten. Nach WWF-Recherchen gibt es allein in Ungarn rund 55 Millionen Kubikmeter Rotschlamm, die in solchen Absetzbecken gelagert sind. Das nächste Unglück der Kolontár-Sorte ist deshalb höchstwahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit – zumindest wenn nichts geschieht.

Firmen in die Pflicht nehmen

Der WWF forderte deshalb die Politiker in Ungarn und anderen Länder mit Giftbecken für Industrie-Schlämme auf, alle Anlagen intensiv zu untersuchen und falls notwendig gezielte Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Sicherheit zu ergreifen. Darüber hinaus müssten auch die Firmen stärker in die Pflicht genommen werden und selber viel mehr Geld in die Entsorgung und sichere Dämme investieren.

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Dieter Lohmann
Stand: 12.11.2010

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

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Die Praktiken der Chemiebosse

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