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Zoologie

Ein „James Bond“ U-Boot für die Forschung

Im Unterwasser-Taxi auf der Suche nach dem „Kreissaal“

Das Bild des Weißen Haies als „blutrünstiges Monster“ soll endlich durch wissenschaftliche Erkenntnisse als Märchen entlarvt werden. Dafür wollen die Wissenschaftler des Sharkproject die großen Rätsel um Fortpflanzung und Geburt der Raubtiere jetzt mit Hightech á la James Bond lösen. Das eigens konstruierte Unterwasser-Fahrzeug soll erstmals die Begleitung der schnellen Haie ermöglichen und als optimale Beobachtungsplattform dienen.

In der Erforschung besonders von Weißen Haien stoßen die Meeresbiologen immer wieder auf die gleichen Probleme. Die „Heimatgewässer“ der Raubtiere sind zwar weitestgehend bekannt, aber das Wo ist bei der Forschung ein kleineres Problem als das Wie. Vor Kapstadt in Südafrika beispielsweise tummeln sich die Weißen Haie von Juni bis Dezember regelrecht. Dies ist daher eine beliebte Region für wissenschaftliche Projekte und touristische Mutproben. Denn normalerweise tauchen hier Menschen nur in Schutzkäfigen in das Reich der Raubtiere hinab.

Doch für Wissenschaftler wandelte sich der Käfig in den vergangenen Jahren von einem Schutzraum in ein Gefängnis. Wenn die Meeresbiologen in dem Käfig mitten in einen Hai-Schwarm abtauchen, können sie zwar sicher hinter Gitterstäben die Tiere beobachten und die Vorstöße der Haie auf das fremde Objekt filmen. Sobald die Haie aber das Interesse verlieren und sich zurückziehen bleibt der Forscher in seinem Käfig allein zurück.

Schwimmen mit Weißen Haien

Erich Ritter steigt für die Forschung auch ohne Schutz zu den Haien ins Wasser © Sharkproject

Auf der Suche nach Antworten begann Erich Ritter, wissenschaftlicher Leiter des Sharkprojekts, die Weißen Haie sogar nur in Tauchausrüstung aus der Distanz zu beobachten. Aber auch ohne die Beschränkung des Käfigs reichten die Flossen nicht, um den Haien auf ihren Streifzügen zu folgen. Als das Team dann 2005 vor Südafrika wieder frisch geborene Hai-Babys sah, muss eine Lösung gefunden werden. Ihnen war klar, dass der „Kreissaal“ der Weißen Haie direkt hinter der nächsten Ecke liegen konnte. Aber hinter welcher? „Wir brauchen eine Art Unterwasser-Taxi, mit dem wir die Haie erst verfolgen können, um sie dann vor Ort zu filmen“, überlegte André Hartmann, der schon seit 1977 in Südafrika als Hai-Experte arbeitet.

Nachdem die Idee erstmal entstanden war, kamen immer mehr Argumente für den Bau eines U-Bootes zusammen. Schließlich beauftragte das Sharkprojekt den deutschen Ingenieur Carsten Sandfuß für 70.000 Euro das „Shark Observer Vehicle“ zu konstruieren. In dessen U-Boot Manufaktur bei Bremen sind bereits einige Unterwasser-Fahrzeuge mit Spezial-Wünschen entstanden, aber noch keins für Haie. Dabei ging es den Wissenschaftlern hauptsächlich um Schnelligkeit und Beweglichkeit, damit sie den Haien folgen können, und erst in zweiter Linie um die eigene Sicherheit.

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Im Auftrag des Sharkproject, baute der deutsche Ingenieur Carsten Sandfuß in seiner U-Boot-Manufaktur bei Bremen das Unterwasser-Taxi zur Erforschung der Haie. © Daniel Goliasch

Herausgekommen ist ein U-Boot, dass selbst „Q“ alias Desmond Llewelyn begeistert hätte. Die Stahlkonstruktion bietet Platz für zwei Mitfahrer, die vom bordeigenen Sauerstoffsystem versorgt werden können, und die durch das offene Dach jederzeit filmen können. Selbst ein Ausstieg, um den Haien kurzzeitig näher zu kommen, ist problemlos möglich. Drei kleinen Propeller-Motoren können nicht nur das „Cabrio“ bis auf 8 Knoten beschleunigen, sondern sind auch besonders geräuscharm.

Denn in erster Linie wollen die „Wissenschaftler“ sich an die Weißen Haie anschleichen, um unbemerkt den natürlichen Umgang der Tiere untereinander zu studieren. Damit sie nicht entdeckt werden, will die Crew den Haien bis zu deren „Hausbucht“ folgen und das Boot dann in der Nähe einfach auf den Meeresboden setzen. Sie sind überzeugt, dass die Haie sich kaum dafür interessieren werden. Das U-Boot selbst als Hai zu tarnen, hält Gerhard Wegner, Präsident von Sharkprojekt, für „absoluten Blödsinn“: „Der Hai spürt sowieso, dass die Maschine kein Hai ist“.

Beschattung unter Wasser

Im April 2006 soll das U-Boot in Südafrika das erste Mal Hai-Wasser schnuppern. In Zusammenarbeit mit dem Hai-Spezialisten Leonard Compagno vom Shark Research Centre in Kapstadt, dem Shark Research Institute von der Universität in Princeton und dem langjährigen Freund André Hartmann hat sich das Team vom Sharkprojekt einige ehrgeizige Ziele gesteckt.

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Neben allgemeinen Erkenntnissen über das tägliche Leben der Weißen Haie und ihre Kommunikation untereinander wollen die Wissenschaftler vor allem die großen Geheimnisse lüften: Das Paarungsverhalten und die Fortpflanzung dokumentieren, ein schwangeres Weibchen beim Suchen von Gebärplätzen beobachten und die Geburt selbst filmen. Daneben bildet das Zusammenleben von Mensch und Hai einen zweiten Schwerpunkt der Forschung. Die Besuche von Weißen Haien an populären Stränden, sollen detailliert auf Häufigkeit, Aufenthaltsdauer, Tageszeit und Verhalten untersucht werden, um einen möglichen Zusammenhang mit dem Verhalten der Menschen aufzudecken.

Am Ende des Jahres könnten dem internationalen Team einige Entdeckungen gelungen sein, die die Erkenntnisse besonders über die Weißen Haie um einen großen Schritt voranbringt. Dadurch soll das Interesse der Öffentlichkeit an den gefürchteten Haien steigen und der Schutz der bedrohten Tierart verbessert werden. Wer schon heute von den Raubtieren fasziniert ist und am liebsten selbst Augenzeuge der Forschungen werden will, kann sich das U-Boot vom Sharkprojekt auch mieten: Ab 700 Euro sind Sie auf der Spur der Weißen Haie unterwegs.

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Stand: 10.02.2006

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

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