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Anthropogeographie

Die „Stadt Davids“

Spurensuche in Jerusalem

Wer heute die Stadt Jerusalem besucht, für den sind die Ruinen der „City of David“ fast schon ein Pflichttermin. Denn dieses Ruinenfeld südlich des Tempelbergs umfasst die ältesten Siedlungsspuren der Stadt – und hier soll auch Israels König David seine Spuren hinterlassen haben. Allerdings: Einen direkten Beleg für seine Anwesenheit oder Existenz – beispielsweise in Form einer Inschrift – sucht man auch hier vergebens.

Rekonstruktion der Davidststadt unmittelbar südlich der Tempelmauer in Jerusalem. © Ariely/ CC-by-sa 3.0

Die „Davidsstadt“, wie das Ausgrabungsareal seit den 1970er Jahren offiziell heißt, spiegelt vor allem eines wider: die komplexe Geschichte Jerusalems. Das 24 Hektar große Areal birgt historische Zeugnisse aus mehreren Jahrtausenden, darunter Gebäuderuinen, Wasserbecken und tief in den Fels gegrabene Tunnels und Kanäle. Seine Lage inmitten dreier tief eingekerbter Täler und mit dem Tempelberg im Rücken machte diesen Hügelhang schon in der frühen Bronzezeit zu einem strategisch günstigen und gut zu verteidigenden Ort.

David erobert Jerusalem

Diese Vorteile soll laut Bibel auch König David erkannt haben: Nachdem er sein Reich zunächst sieben Jahre lang von Hebron aus regiert hatte, beschloss er, Jerusalem zu erobern und zu seiner neuen Hauptstadt zu machen. Zu jener Zeit war die Stadt jedoch von den Jebusitern bewohnt – einem Volksstamm, den die Archäologie bisher nicht eindeutig zuordnen kann.

Obwohl sie die Stadt zu einer fast uneinnehmbaren Festung gemacht hatten, gelang es Davids Armee laut biblischer Überlieferung, Jerusalem einzunehmen. Im 2.Buch Samuel heißt es: „David ließ sich in der Burg nieder und nannte sie die Stadt Davids. Und David begann ringsum zu bauen, und zwar vom Millo an bis zur Burg.“ Wenig später wird beschrieben, dass Zimmerleute und Steinmetze dort auch einen Palast für David erbauten.

Teile der in Jerusalem enteckten Großen Steinstruktur – möglicherweise einem Bau aus der Zeit Davids. © Deror avi/ CC-by-sa 3.0

Grundmauern von Davids Palast?

Doch wo sind diese Bauwerke Davids? Lange waren davon keine Spuren zu finden, die meisten Ruinen der „Davidsstadt“ stammen aus deutlich späterer Zeit. Doch 2005 stieß die Archäologin Eliat Mazar von der Universität Jerusalem auf Reste einer großen Steinstruktur. Zwischen dem Areal der Davidstadt und der Tempelmauer entdeckte sie unter jüngeren Ruinen die bis zu sieben Meter dicken Grundmauern eines Gebäudes.

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„Wir sahen sofort, dass es etwas Monumentales war – und offensichtlich nicht Teil eines privaten Gebäudes“, sagt Mazar. Doch stammte es aus der Zeit König Davids? Eine Datierung von Gefäßscherben aus der Schicht unmittelbar unter den Mauerresten ergab, dass diese aus dem 11. oder 12. Jahrhundert vor Christus stammten. Weitere Scherben aus einem der Räume des monumentalen Gebäudes datierten die Forscher auf die Zeit Davids.

Nach Ansicht von Mazar und ihrem Team könnte es sich bei diesen Mauern um die Reste des Palasts von David handeln – oder zumindest um einen Beleg für Jerusalem als Königssitz. „Um eine so große Struktur zu errichten, benötigte man eine starke zentrale Regierung in Jerusalem“, meint Mazar. Zudem liegen diese Mauern genau dort, wo der Bibel nach David seine neuen Bauten errichtet haben soll. Als weiteres Indiz dafür sieht sie eine Steinstruktur, die bereits zuvor ganz in der Nähe der großen Mauern entdeckt wurde. Sie besteht aus einer 20 Meter hohen treppenartigen Rampe, die Mazar als Teil des Palasts wertet.

Direkt unterhalb des möglichen Davidspalasts liegt die große Treppenstruktur. © Yoav Dothan/ gemeinfrei

Eine Frage der Interpretation

Doch andere Archäologen sind skeptisch. So bezweifelt Israel Finkelstein von der Universität Tel Aviv sowohl die Datierung als auch die Interpretation dieser Funde. „Würde Mazar den biblischen Text nicht so wörtlich auslegen, hätte sie diese Relikte niemals mit so großer Vehemenz auf das zehnte Jahrhundert vor Christus datiert“, konstatiert er. Seiner Ansicht nach ist es wahrscheinlicher, dass die großen Bauten rund 100 Jahre später entstanden – und damit erst nach der Zeit Davids.

Eine andere Interpretation hat Philip Davies von der University of Sheffield. Er hält es für wahrscheinlicher, dass diese Bauten von den Jebusitern oder vielleicht sogar König Saul stammen. „Weil Jerusalem relativ nahe an Sauls überliefertem Regierungssitz liegt, halte ich es für viel wahrscheinlicher, dass die Funde aus der Eisenzeit-Ia-Schicht in Jerusalem ihm zuzuordnen sind als David“, so der Archäologe.

Damit scheint klar: Auch in Jerusalem, der biblischen Hauptstadt Davids, sind Belege für die Existenz dieses Königs und seines Reichs dünn gesät. Die wenigen Zeugnisse aus seiner Zeit sind unter Archäologen extrem umstritten – unwiderlegbare Beweise fehlen daher auch hier.

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Nadja Podbregar
Stand: 25.05.2018

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Streit um König David
Biblischer Mythos oder historische Figur?

Die Vorgeschichte
Von Kanaan bis Israel

Vom Hirten zum König
Der David der Bibel

Fund in Ruinen
Die Stele von Tel Dan und das Haus Davids

Die "Stadt Davids"
Spurensuche in Jerusalem

König ohne Reich?
Über wen herrschte David?

Umstrittenes Erbe
Was ist das Fazit?

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