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Technik

Die Kollision

Eiskoloss gegen Ozeanriese

Sonntag, 14. April 1912, 23:30 Uhr Bordzeit – mitten in der Nacht. Die meisten Passagiere und die dienstfreien Besatzungsmitglieder an Bord der Titanic schlafen. Warum auch nicht? Sie wähnen sich in Sicherheit. Auf der Brücke allerdings herrscht angespannte Aufmerksamkeit. Vor wenigen Minuten hat der Ausguck eine dunstige dunkle Linie am Horizont gesichtet, noch ist nicht klar, ob es sich dabei um bloßen Nebel oder doch um Eis handeln könnte.

William Murdoch - er hatte zum Unglückszeitpunkt das Kommando © historische Aufnahme

Als Verstärkung ordert Kapitän Smith den zweiten Offizier Charles Lightoller und den Leitenden Offizier Henry Wilde zurück auf die Brücke – beide haben eigentlich seit 22:00 Uhr dienstfrei. Brückenwache und damit die Verantwortung für die Steuerung des Schiffes hat aber nach wie vor William Murdoch, der erste Offizier der Titanic. Und noch immer pflügt der Luxusdampfer mit 21,5 Knoten durch das dunkle Wasser des Nordatlantiks – Smith und die Rederei wollen es so.

„Eisberg direkt voraus!“

23:40 Uhr: Plötzlich überstürzen sich die Ereignisse. Vom Ausguck her ertönen drei Glockenschläge – das Signal für Eis voraus. Gleichzeitig klingelt bereits das Brückentelefon, der sechste Offizier James Moody hebt ab und ruft direkt darauf Murdoch zu: „Eisberg direkt voraus!“. Murdoch handelt sofort: Er ruft dem Rudergänger zu „Hart Steuerbord!“ und stellt den Maschinentelegrafen auf „Stopp. Volle Kraft zurück.“ Er will das Schiff damit links um den Eisberg herumlenken. Dann läuft er zum Steuerpult für die wasserdichten Schotten und legt den Hebel um, der sie schließt.

Das porting-around-Manöver soll verhindern, dass ein Hindernis die gesamte Seite aufschrammt © Prioryman/public domain

Um zu verhindern, dass das Schiff auf ganzer Länge am Eisberg vorbeischrammt, gibt Murdoch erneut einen Steuerbefehl, diesmal „Hart Backbord!“. Dies soll das Hinterende des Schiffs vom Eisberg wegdrehen und so aus der Gefahrenzone bringen. Damit führt Murdoch ein klassisches Ausweichmanöver durch, auch als „porting around“ bezeichnet. Was er allerdings nicht wissen kann: Der Eisberg ist bereits viel zu nah, das Manöver ist vergebens. Später wird

Wie gegen eine Steinmauer

Zum Zeitpunkt der ersten Sichtung ist der Eisberg gerade einmal knapp 700 Meter vom Bug der Titanic entfernt – nicht einmal drei Schiffslängen. Der Brocken ragt späteren Berechnungen zufolge nur gut 20 Meter aus dem Wasser, ist etwa 45 Meter breit. In stockdunkler Neumondnacht, ein spiegelglattem Wasser ohne verräterische weiße Gischt war er im leichten Dunst kaum zu erkennen.

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Die Folge: Die Titanic prallt nahezu ungebremst seitlich gegen den Eisberg. Nach Schätzungen des Geologen und Eisexperten Alan Ruffman könnte der Eisberg bis zu 500.000 Tonnen Gewicht gehabt haben – das Zehnfache der Titanic. „Die Titanic hatte nicht die geringste Chance. Es war, als wenn sie gegen eine Steinmauer geprallt wäre.“ Besatzung und einige Passagiere spüren die Kollision als starke Vibration, das Schiff erzittert.

Eine halbe Minute nach der Kollision eilt Kapitän Smith aus dem benachbarten Kartenraum auf die Brücke: „Was hat uns getroffen?“, fragt er Murdoch. Dieser rapportiert: „Ein Eisberg, Sir. Ich habe hart nach Steuerbord eingeschlagen und die Maschinen voll zurück, um ihn zu umfahren. Aber er war zu nah.“

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Nadja Podbregar
Stand: 12.04.2012

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Titanic: Untergang eines Mythos
Spurensuche hundert Jahre nach der Katastrophe

Das Schiff
Ein Ozeanriese auf Jungfernfahrt

Die Warnungen
Auf dem Weg in die vermeidbare Katastrophe

Die Kollision
Eiskoloss gegen Ozeanriese

Wasser im Bauch
Die ersten Minuten nach der Kollision

Das Ende
Die letzten Minuten der Titanic

Spurensuche
Wie konnte das passieren?

Eingebauter Schwachpunkt
Sparen am falschen Ort: die Eisennieten

Höhere Mächte
Sonne, Mond und Klima standen gegen die Titanic

Lehren aus der Katastrophe
Wäre eine Tragödie wie bei der Titanic heute noch möglich?

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