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Phänomene

Die Basis des Messens

Vom Kalkklötzchen zum Ur-Kilogramm

Ohne Messen geht es nicht. Ob bei der Konstruktion eines Gebäudes, dem Dosieren eines Medikaments oder bei der Navigation: Gäbe es keine Maßeinheiten und Messgeräte, wäre all dies nicht machbar. Und auch der Handel wäre ohne verbindliche Maßeinheiten nicht denkbar, denn wie sollte man ohne sie Warenmengen erfassen und vergleichen?

Erst standardisierte Vergleichsgewichte machen das Wiegen möglich. © Stefan Rotter/ iStock.com

Auf den Bezug kommt es an

Das Grundprinzip von Maßeinheiten begriffen schon die ersten Hochkulturen der Menschheit. In der Indus-Kultur dienten schon vor gut 4.5000 Jahren standardisierte Klötzchen aus Kalkstein als Referenzgewichte. Indem die Menschen beispielsweise Getreide in eine Waagschale gaben und dann testeten, wie viele Klötzchen in der anderen Schale dieses Gewicht ausglichen, konnten sie die Getreidemenge abwiegen. Die standardisierte Ausführung dieser Messklötzchen im gesamten Indus-Reich sorgte dafür, dass die Wäge-Ergebnisse verlässlich und vergleichbar waren.

Genau dies ist der Kern allen Messens: Man benötigt feste, standardisierte Bezugsgrößen. Erst durch solche Maßeinheiten bekommt das Wiegen, Längenmessen oder Zeitstoppen seinen Sinn. Die Bezugsgrößen sorgen dafür, dass ein Kilogramm Weizen immer und überall ein Kilogramm Weizen ist und eine Minute auch auf der Uhr eines anderen im Idealfall genauso lange dauert wie bei mir. Über tausende von Jahren hinweg dienten dabei vielfach Referenzobjekte als Bezugsgrößen – ein Eichgewicht für die Masse, ein Stab oder einfach der menschliche Unterarm für die Länge.

Elle, Inch und Foot

Allerdings: Dass die Bezugsgrößen und Einheiten überall gleich sind, ist alles andere als selbstverständlich – und eine ziemlich neue Erfindung. Noch bis vor rund 200 Jahren gab man beispielsweise eine Strecke oder Länge in den verschiedenen Regionen Mitteleuropas in Ellen an. Doch wie lang eine Elle dabei war, unterschied sich je nach Königreich und Fürstentum. Umfasste eine Elle in München knapp 80 Zentimeter, waren es in Erfurt nur wenig mehr als 40 Zentimeter.

Bis heute wird in den USA die Temperatur in Fahrenheit angegeben. © Tomwang112/ iStock.com

Aber auch die Maßeinheiten unterscheiden sich – teilweise bis heute: Obwohl das Dezimalsystem längst offiziell und weltweit gilt, rechnen US-Amerikaner im Alltag noch immer lieber mit Inch, Foot oder Pounds statt mit Meter und Kilogramm. Und im US-Wetterbericht wird die Temperatur in Fahrenheit statt in Grad Celsius angegeben. Wenn wir Europäer wissen wollen, ob T-Shirt-Wetter oder Eiseskälte herrscht, müssen wir die Angaben erst umrechnen.

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Erbe der Französischen Revolution

Immerhin: Heute gibt es einen festen Satz an Bezugsgrößen, der solche Umrechnungen vereinheitlicht und verlässlich macht. Die Wurzeln dieses internationalen Bezugssystems gehen auf einen großen Umbruch in der europäischen Geschichte zurück: die Französische Revolution. Denn im Rahmen der umwälzenden Veränderungen in Gesellschaft und Politik wurde auch die Einführung einheitlicher Maße und des metrischen Systems für Frankreich gefordert.

Am 22. Juni 1799 war es dann soweit: Die Einheitenreform wurde beschlossen und das Ur-Kilogramm und der Urmeter entstanden. Ein Zylinder aus Platin und ein Platinbalken sollten fortan als das „Maß aller Dinge“ gelten und als Referenz für alle Waagen und Längenmaße dienen. Der Urmeter entsprach dabei dem zehnmillionsten Teil der Strecke vom Nordpol zum Äquator, gemessen am Meridian von Paris. Das Ur-Kilogramm entsprach der Masse eines Liters Wasser bei vier Grad Celsius.

Knapp 100 Jahre später bekamen diese beiden Referenzmaße auch internationale Gültigkeit: 1875 wurden sie die Grundlage für die „Meterkonvention“, die Vereinbarung, die bis heute weltweit die Maßeinheiten, ihre Bezugsgrößen und Messmodalitäten regelt. 1889 wurde das ursprüngliche Ur-Kilogramm durch einen neuen Prototyp aus einer Platin-Iridium-Legierung ersetzt – er wird bis heute als die zentrale Referenz im Tresor des Internationalen Büros für Maß und Gewicht (BIPM) in Paris aufbewahrt.

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Nadja Podbregar
Stand: 23.11.2018

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Die Maße aller Dinge
Die SI-Einheiten und ihre Neudefinition

Die Basis des Messens
Vom Kalkklötzchen zum Ur-Kilogramm

Die "fundamentalen Sieben"
Die SI-Einheiten und ihre Bedeutung

Licht und ultrakalte Atome
Die Basis für Meter und Sekunde

Das neue Kelvin
Vom Tripelpunkt zur Boltzmann-Konstante

Elektronenzählen leicht gemacht
Der Weg zum neuen Ampere

Abschied vom Ur-Kilogramm
Neudefinition der Einheiten für Masse und Stoffmenge

Revolution der Metrologie
Was bringt das neue SI?

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