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Raumfahrt

Der tödliche Handschuh

Was macht die Schrottteilchen so gefährlich?

Der Witz vom Chirurgen, der sein Skalpell oder einen Tupfer im Körper seines Patienten vergisst, oder vom Handwerker, der einen Schraubenzieher zwischen den komplexen Teilen einer Maschine verliert, ist alt. Doch im Weltraum erhält er eine ganz neue Brisanz. Denn ab und zu kommt es tatsächlich vor, dass Astronauten bei Außeneinsätzen Teile ihrer Ausrüstung einbüßen. Aus der Hand gerutscht, trudeln sie davon und lassen sich ab einer bestimmten Entfernung nur noch unter akuter Lebensgefahr wieder einfangen.

November 2008: Die Werkzeugtasche von Astronautin Stefanyshyn-Piper driftet davon und kreist bis heute in der Umlaufbahn © NASA

Legendär ist beispielsweise der Handschuh, den Gemini-4-Astronaut Edward White 1965 beim ersten Raumspaziergang der US-Raumfahrt verlor. Das mit 28.000 Kilometern pro Stunde durch das All rasende Objekt ging als „gefährlichstes Kleidungsstück der Geschichte“ in die Annalen der Raumfahrt ein. Er kreiste einen Monat im erdnahen Weltraum, bis er in der Atmosphäre verglühte. Seit knapp zwei Jahren zieht sogar eine ganze Werkzeugtasche im Lower Earth Orbit ihre Bahn: Sie entschwebte im November 2008 der amerikanischen Astronautin Heidemarie Stefanyshyn-Piper bei einem Außeneinsatz an der Internationalen Raumstation.

Gaskanone im Riesenmaßstab

Das alles klingt eher kurios. Aber bei einer Fluggeschwindigkeit von rund zehn Kilometern pro Sekunde wird selbst der vermeintlich harmlose Handschuh zu einem tödlichen Geschoss. Wie groß die Durchschlagskraft selbst kleinster Teilchen bei solchen Geschwindigkeiten ist, zeigen Experimente mit Hochgeschwindigkeitskanonen. Forscher führen sie beispielsweise am Experimental Impact Laboratory der NASA in Houston, aber auch hier in Deutschland am Ernst Mach Institut der Fraunhofer Gesellschaft in Freiburg durch.

Leichtgaskanonen im Hochgeschwindigkeitslabor am Johnson Space Center der NASA in Houston. Sie dienen unter anderem dazu, die Schutzwirkung von Raumanzügen und Raumfahrzeughüllen gegenüber einschlagenden Partikeln zu testen. © NASA/ JSC

In den spezialverstärkten Laborräumen stehen gewaltige, zwölf bis sogar 29 Meter lange Leichtgaskanonen. Sie feuern nach dem Prinzip eines überdimensionierten Luftdruckgewehrs: Eine Sprengladung treibt einen Bolzen an, der durch ein Rohr mit unter hohem Druck stehenden Wasserstoffgas gejagt wird. Dadurch komprimiert sich das Gas weiter und schießt schließlich durch ein Ventil in den eigentlichen, unter Vakuum stehenden Lauf der Kanone. Es trifft dort auf das Projektil, eine wenige Millimeter große Kugel aus Aluminium, und katapultiert es mit Hochgeschwindigkeit auf das Ziel. Eine Spezialkamera zeichnet auf, was beim Einschlag geschieht.

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Nadja Podbregar
Stand: 03.09.2010

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Weltraumschrott: Alarm im Orbit
Was tun gegen den Raumfahrtmüll im erdnahen Weltraum?

Verloren, explodiert und kollidiert
Kleine Chronik der Weltraumschrott-Ereignisse

Alarm auf der ISS
Weltraumschrott sorgt für Fast-Kollision

Bald wegen Überfüllung geschlossen?
Massenauftrieb im Erdorbit

Super-GAU im Orbit
Erste Kollision zweier Satelliten in der Erdumlaufbahn

Der tödliche Handschuh
Was macht die Schrottteilchen so gefährlich?

Schockwellen verflüssigen Metall
Wie werden Raumfahrtzeuge geschützt?

Der „China-Schlamassel“
Satellitenabschuss vervielfacht Trümmerbedrohung

Gefahr für Envisat
Teuerster Satellit der ESA muss ausweichen

Kampf dem Schrott
Was tun gegen die Vermüllung des Orbits?

Im rechtsfreien Raum
Juristische und politische Aspekte der Schrottentsorgung

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