Anzeige
Geologie/physische Geographie

Der Tanz der Mikroplatten

Wachsmodell hilft Geowissenschaftlern

Noch nie hat ein Mensch eine Mikroplatte rotieren sehen – immerhin dreht sich das geologische Bruchstück in einer Million Jahren gerade mal um 20 Grad. Mit seinem Modell hat Bodenschatz vor kurzem aber erstmals gezeigt, wie das Wachstum der Mikroplatten ablaufen könnte. Denn in der Spreizungszone zwischen den Wachskrusten entstehen ebenfalls rotierende Mikroplatten.

Overlapping Spreading Centers erzeugen Wirbel am Meeresgrund. Hier biegen sich die Ränder des Mittelozeanischen Bruchs hakenförmig. Während sie sich voneinander entfernen, schieben sie die Kruste in Pseudoverwerfungen zusammen. In ihrem rotierenden Zentrum formen sich gleichzeitig Mikroplatten. © Rohrer (nach einer Vorlage des MPI für Dynamik und Selbstorganisation)

Da der Wachsvorschub mit wenigen Mikrometern pro Sekunde recht langsam abläuft, nimmt der Physiker die Szene von oben mit einer Videokamera auf und spielt die Sequenz anschließend im Zeitraffer ab. 20 Stunden schrumpfen dabei auf wenige Sekunden.

Das Resultat überrascht: An der Nahtstelle der Platten bilden sich immer wieder neue Fragmente, die plötzlich zu rotieren beginnen. Sie wachsen wie Schneebälle, die zu Tal rollen und werden unvermittelt von der Spreizungszone fortgerissen. Schließlich stranden sie inmitten der Wachsplatte – wie ein eingefrorener Strudel. Eberhard Bodenschatz war begeistert. Er rechnete die Modelle der Geophysiker nach, verglich sie mit den Bewegungen der wächsernen Mikroplatten – und staunte.

Wachsmodell erklärt Bildung von Mikroplatten

Berücksichtigt man den unterschiedlichen Maßstab beider Systeme, zeigt sich, dass die Spreizungsrate an der Wachsbruchstelle, die Wachstumsrate der Mikroplatten und die Form der spiraligen Pseudofaults exakt denen der ozeanischen Vettern entsprechen. Ganz offensichtlich funktioniert das Wachsmodell, obwohl das Experiment etwa eine Milliarde Mal schneller abläuft als das natürliche Mikroplatten-Wachstum. Das Bruchstück aus Wachs rotiert immerhin in fünf Sekunden einmal um die eigene Achse.

Eine weitere Analogie zwischen Modell und Meeresboden verblüffte den Forscher. Geophysiker gehen davon aus, dass sich Mikroplatten an so genannten Overlapping Spreading Centers (OSCs) bilden. Hier verläuft der Mittelozeanische Bruch nicht glatt. Stattdessen sind die gegenüberliegenden Ränder gebogen, sodass sie wie Haken ineinander greifen, dabei aber in einer Ebene liegen. Bislang jedoch ließ sich diese Theorie nicht beweisen.

Anzeige
  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. weiter


Stand: 28.04.2006

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Plattentektonik im Zeitraffer
Die Welt am Meeresboden im Wachsmodell

Gigantische Narben der Erdkruste
Mittelozeanische Rücken und andere Phänomene der Plattentektonik

Ein Zentner Wachs für die Erdkruste
Forscher spielen unsichtbare Dynamik der Erde nach

Material aus der falschen Ölquelle
Wachs ist nicht gleich Wachs

Puzzlespiel am Meeresboden
Von Transformstörungen, Spreizungszonen und Mikroplatten

Der Tanz der Mikroplatten
Wachsmodell hilft Geowissenschaftlern

Wachsmodell wächst weiter
Test der Tektonik anderer Planeten möglich?

Diaschauen zum Thema

keine Diaschauen verknüpft

News zum Thema

Ingenieure des Lebens
DNA-Moleküle und Gentechniker von Huub Schellekens und Marian C Horzinek (Übersetzer)

Die fünf Zeitalter des Universums
Eine Physik der Ewigkeit von Fred Adams und Greg Laughlin

Mars: Und er bewegte sich doch…
Magnetfeldkarte deutet auf Existenz von Plattentektonik hin

Feuer und Wasser im Erdinneren
Erstmals Flüssigkeiten in absinkenden Erdplatten analysiert

Überraschende Einblicke in Geburt der ozeanischen Kruste
Daten des MELT-Experimentes enthüllen unerwartete Sprünge im Gesteinsverhalten

Rätsel um Entstehung Gondwanas gelöst
Forscher untersuchen Bildung und Zerfall des Ur-Kontinents

Äthiopischer Ozean im Entstehen
Riftgraben wandelt sich von kontinentaler zu ozeanischer Kruste

Kontinentalplatten wanderten früher schneller
Forscher klären wie die Mittelmeerregion im Jura bis an den Äquator kam

„Zahnräder“ im Ozeanboden entdeckt
Tektonische Mikroplatten rotieren gegeneinander

Tibet: Der Untergrund bewegt sich doch…
Neue Messungen zeigen Bewegung der Karakorum-Verwerfung

Wenn die Erdplatte abtaucht…
Der andinen Subduktion auf der Spur

Älteste Riftzone der Welt entdeckt
Plattentektonik schon vor rund 2,7 Milliarden Jahren

Gewaltiger "Wasser-Sauger" im Meeresboden entdeckt
"Anti-Plume" ist bisher unbekanntes Phänomen in ozeanischer Kruste

Rätsel um Hawaii-Wanderung gelöst
Mögliche Ursachen für unterschiedliche theoretische und tatsächliche Position entdeckt

Tiefseevulkane „spucken“ Asphalt
Neue Vulkanart im Golf von Mexiko entdeckt

Versinkende Erdplatten schmelzen doch
Fund von Fluoridgläsern in Erdmantelgesteinen widerlegt gängige Annahme

QUEST zum ersten Mal im Einsatz
Multitalent in der Tiefsee

Planet Erde im Wandel
Plattentektonik in der Frühzeit des Blauen Planeten

Tektonik der Erdplatten
Wie war das doch noch vor 3000 Millionen Jahren?

Dossiers zum Thema

Erdbeben - Vorhersagbar oder aus heiterem Himmel?