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Phänomene

Der erste Kontakt

Begegnung mit dem Suchtmittel Kokain

In der Küche ist es warm, wärmer als in den anderen Zimmern der Wohnung, denn hier halten sich viele Leute auf. Es ist ein entspannter Abend, es wird gelacht, gefeiert und ein bisschen getanzt. Später soll es noch in einen Club weiter gehen – schon jetzt ist die Musik laut und geeignet, den Klausurstress für ein paar Stunden zu vergessen.

Kokain-Klumpen: Das Pulver wird häufig für den Transport so stark komprimiert, dass es hinterher als fester Klumpen erscheint. © Thoric / CC-by-sa / 2.5

„Nur mal probieren“

Die Szenerie für den ersten Kontakt mit Substanzen wie Kokain, Alkohol oder THC könnte gut so oder ähnlich aussehen. Aus der Stimmung heraus könnte der der Gastgeber den Kühlschrank öffnen und ein Päckchen mit weißem Inhalt herausholen. Er würde es auf den Tisch und legen und sagen: „So, Leute, das ist mein heutiger Partybeitrag.“ Allen ist sofort klar: Es ist Kokain. Denn Speed oder andere sogenannte „Upper“ wären nicht auf Jens Niveau – viel zu günstig. Ein Gramm Kokain kostet schon seine 100 Euro auf dem Schwarzmarkt. Jens lässt sich nicht lumpen. Die Freude bei den Gästen ist umso größer.

Das weiße Pulver wird auf den Tisch geschüttet – auf eine Glasplatte, die als Unterlage dient. Dann mit einer Rasierklinge in zunächst nur dünne Linien gezogen, für die, die es nur mal ausprobieren wollen, so wie Hanna. Sie hat ein kleines Glasröhrchen in der einen Hand, ein Glas Whiskey in der anderen. Das mit den Geldscheinen sei quatsch, hat man ihr gesagt. Es gehe viel zu viel dabei verloren und sei unhygienisch. Sie beugt sich lässig über den Tisch, hält sich ein Nasenloch zu und atmet durch das Röhrchen tief ein. Dann legt sie instinktiv den Kopf zurück und schließt die Augen.

Koka-Pflanze: Seit Jahrhunderten wird sie als Rauschmittel eingesetzt. Ihre Blätter werden gekaut. © Darina / CC-by-sa / 3.0

Lokal betäubend

Der Geschmack ist bitter, scharf, warm und läuft ihren Rachen hinab. Es macht sich ein Taubheitsgefühl breit dort, wo das chemisch aufbereitete Pulver der Koka-Pflanze ihre Schleimhäute berührt. Ist es gestreckt, würde das gesamte Gesicht taub, denn häufig wird Kokain mit seinen Derivaten – zum Beispiel Lidocain versetzt. Sie sind billiger und erlauben daher einen höheren Gewinn für den Dealer, wirken aber nicht so lokal begrenzt wie Kokain, weshalb sich das Taubheitsgefühl dann auf das gesamte Gesicht ausweiten kann.

Was jetzt in Hannas Rachen und Nasenflügeln passiert ist komplex. Der Taubheitseffekt, den die junge Frau spürt, ist nur ein Teil der Wirkung des Rauschmittels. Denn auf das sogenannte periphere Nervensystem wirkt Kokain betäubend, weshalb das Kokain anfangs in der Medizin als Lokalanästhetikum eingesetzt wurde. Heute kommt es hier kaum noch zur Anwendung – das Suchtpotential ist zu hoch. Allerdings ist es eher die Wirkung des Koka-Extraktes auf das zentrale Nervensystem (ZNS), die für den Rausch und auch die Entstehung einer Kokainabhängigkeit verantwortlich ist.

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Kathrin Bernard
Stand: 22.02.2013

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Sucht
Wenn das Verlangen den Willen lenkt

Der erste Kontakt
Begegnung mit dem Suchtmittel Kokain

Tanz der Botenstoffe
Was passiert bei einem Rausch im Gehirn?

Von der Überlebenshilfe zum Suchtfaktor
Die Rolle des Belohnungssystems

Komplexes Gefüge
Körper und Psyche spielen auch bei der Sucht zusammen

Abhängigkeit hat viele Gesichter
Nicht nur Angst und Depression gehören zu den Suchtsymptomen, auch Leugnung

Schleichend in die Krankheit
Oft führt eine Gewohnheit kleinschrittig in die Sucht

Kaufen, spielen, Internet
Wenn Verhaltensweisen und Freizeitaktivitäten abhängig machen

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