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Phänomene

Das passende Projekt für jeden

Online-Plattformen bündeln Citizen Science

Eine Blutprobe nehmen lassen, einen Fragebogen ausfüllen oder an einem Verhaltensexperiment teilnehmen fällt noch nicht unter Citizen Science. Entscheidend ist, dass die Teilnehmer selbst aktiv Forschung betreiben – sie sind keine bloßen Versuchskaninchen. Die Leitung haben dabei noch immer hauptberufliche Wissenschaftler. Sie geben den beteiligten Laien nötige Vorgaben, damit die Amateurforscher auch wissen, nach welchen Informationen sie suchen.

Vom Galaxien-Zoo ins Zooniversum

Wegbereitend waren simpel klingende Fragen nach der Form von Galaxien: Welche Galaxien auf diesen Fotos sind elliptisch, welche spiralförmig? Falls spiralförmig, in welche Richtung drehen sich die Arme? Die Fotos stammten aus dem Sloan Digital Sky Survey und zeigten hunderttausende von Galaxien – jede einzelne davon zu klassifizieren, hätte Jahre gedauert.

Aus dem Galaxienzoo: Balkenspiralgalaxie NGC 1300, aufgenommen vom Hubble Space Telescope © NASA, ESA, The Hubble Heritage Team STScI/AURA / gemeinfrei

So entstand „Galaxy Zoo„, das bis heute zu den bekanntesten Citizen Science Projekten gehört. Eine enorme Anzahl von freiwilligen Astronomiebegeisterten nahm sich die Bilder vor und klassifizierte die Galaxien online. In mehreren Folgeprojekten von Galaxy Zoo verfeinerten sich die Fragestellungen, Bilder aus anderen Quellen wie etwa dem Hubble-Weltraumteleskop kamen hinzu. So entstand eine gewaltige Datenbank von Galaxien, sortierbar nach unterschiedlichen Eigenschaften wie Form, Farbe, Größe und vielem mehr – eine unerschöpfliche Datenquelle für Astronomen.

Vor allem, wie Galaxien im Laufe ihrer Entwicklung ihre Form und auch ihre Farbe wechseln, konnten die Forscher so herausfinden. Ergebnisse von „Galaxy Zoo“ waren die Grundlage für bislang 48 wissenschaftliche Artikel innerhalb der letzten acht Jahre. Da „Galaxy Zoo“ so erfolgreich war, entstanden schnell weitere Projekte nach demselben Muster. Viele davon sind nun über das aus „Galaxy Zoo“ hervorgegangene Internet-portal „Zooniverse“ erreichbar.

Mars-Spinnen und Schweizer Käse

„Planet Four“ beispielsweise ist dem Planeten Mars gewidmet. Auf vom Mars Reconnaissance Orbiter aufgenommenen Bildern des Roten Planeten gilt es, „Fächer“ und „Flecken“ zu erkennen. Im Folgeprojekt „Planet Four: Terrains“ fragen die Planetenforscher auch danach, ob das Marsgelände an Spinnen, Babyspinnen oder Schweizer Käse erinnert.

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Nach einer kurzen Einleitung mit leichten Übungsaufgaben gelingt das Auswerten der Marsfotos ganz ohne weitere Vorkenntnisse. Die verschiedenen Geländeformen liefern den Forschern übrigens Hinweise über Windrichtung, verdampfendes Trockeneis und das Klima des Mars.

Mittlerweile finden sich auf Zooniverse Mitmach-Projekte für jedermann aus praktisch allen wissenschaftlichen Fachbereichen. Nicht mehr nur Astronomie, auch Zoologie, Meteorologie oder Paläontologie und Teilchenphysik sind vertreten, ebenso wie Kunstwissenschaften oder Geschichte.

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Auf der Suche nach dem Higgs-Boson

In manchen Fällen ist die Aufgabenstellung schon komplexer, als ein Gelände auf dem Mars mit Spinnen oder Käse zu vergleichen: „Fossil Finder“ etwa fragt, ob im fotografierten Geröll um den kenianischen Turkana-See bereits Fossilien oder Steinwerkzeuge, aber auch spezifische Gesteinsarten wie Sand- oder Bimsstein erkennbar sind. Das Forscherteam um die Paläoanthropologin Louise Leakey erhofft sich daraus wertvolle Hinweise, wo sich die Suche nach Fossilien besonders lohnt. Fotografiert wurde der Boden des Beckens dafür Quadratmeter für Quadratmeter von einer Videodrohne.

Wer schon immer einmal einen kleinen Einblick in die Arbeit am Large Hadron Collider (LHC) gewinnen wollte, ist bei „Higgs Hunters“ genau richtig: In Daten aus dem ATLAS-Detektor des riesigen Teilchenbeschleunigers suchen Teilchenphysiker nach Zerfallsspuren des Higgs-Bosons, um mehr über dieses nach wie vor rätselhafte Teilchen zu erfahren. Auch hier sind wiederum menschliche Augen den Computeralgorithmen überlegen: Wer ein paar der Teilchenspuren aus dem Detektor selbst ausgewertet hat, sieht schnell die Fehler, die dem Computer unterlaufen.

Nicht abschrecken lassen

Doch was, wenn ein Teilnehmer Fossilien nicht von langweiligen Steinen oder Galaxien nicht von Gasnebeln unterscheiden kann? Davon braucht man sich nicht abschrecken lassen, denn auch hier hilft die Masse der Teilnehmer: Jedes Bild und jeder Datensatz wird stets von mehreren begutachtet. Markieren und benennen sie alle dieselbe Staubspur auf dem Mars oder dasselbe Tier in der Steppe, handelt es sich wahrscheinlich um einen Treffer. Fällt eine Markierung aus dem Rahmen, ist das möglicherweise ein Fehler. Besonderheiten der einzelnen Bilder lassen sich darüber hinaus auch kommentieren und diskutieren.

Die deutsche Plattform „Bürger schaffen Wissen“ folgt dem Beispiel von Zooniverse. Das Portal bündelt eine wachsende Zahl wissenschaftlicher Projekte aus Deutschland. Ziel ist, einen guten Überblick über Citizen-Science Projekte zu bieten und gleichzeitig die Wissenschaften und wissenschaftliches Arbeiten verständlich zu präsentieren. Schülertaugliche Projekte fördern insbesondere den Austausch zwischen Forschung und Schule. Die Suchfunktion von „Bürger schaffen Wissen“ macht es besonders leicht, ein Projekt nach eigenen Interessen, gestellter Aufgabe und Arbeitsaufwand oder Standort auszuwählen.

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Ansgar Kretschmer
Stand: 16.10.2015

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Citizen Science
Wissenschaft für alle

Warum Citizen Science?
Jeder Mensch kann der Forschung helfen

Das passende Projekt für jeden
Online-Plattformen bündeln Citizen Science

Nicht auswerten, selber machen
Bürgerwissenschaftler sammeln eigene Daten

Gamification: Spielerisch forschen
Wissenschaftliche Probleme als Computerspiel

Kickstart für wissenschaftliche Massenarbeit
Kleine Einzelbeiträge helfen dem großen Ganzen

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