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Physik

Das Higgs und die anderen

Den Wechselwirkungen des Higgs-Bosons auf der Spur

„Das Higgs-Boson ist der Grundstein des Standardmodells und daher ist alles, was wir über dieses Teilchen lernen, zentral für die Grundgesetze der Physik“, erklärt der Physiker Matthew McCullough vom CERN.

Standardmodell
Das Higgs-Boson hat einen zentralen Platz im Standardmodell der Teilchenphysik. © CERN/ Daniel Dominguez

Mit wem interagiert das Higgs?

Eine der entscheidenden Fragen nach der Entdeckung des Higgs-Bosons war daher die seiner Wechselwirkungen: Koppelt das Higgs wirklich auf die von der Theorie beschriebene Weise mit anderen Teilchen? Alle bei seinem Nachweis untersuchten Zerfälle betrafen Interaktionen mit anderen Bosonen – Photonen sowie W- und Z-Bosonen. Wenn das Higgs aber das gesuchte „Massegeber“-Teilchen ist, müsste es auch auf spezifische Weise mit Quarks und Leptonen interagieren. Zu letzteren gehören das Elektron und seine schwereren „Geschwister“ Myon und Tau-Lepton.

2016 gelang es den Physikern am LHC tatsächlich, die erste dieser Wechselwirkungen nachzuweisen, den Zerfall des Higgs-Bosons in Bottom-Quark und Tau-Leptonen. Damit war klar, dass das Higgs tatsächlich nicht nur mit Trägerteilchen der Grundkräfte interagiert, sondern auch mit Materieteilchen. Etwas länger dauerte der Nachweis des eigentlich häufigsten Zerfalls des Higgs-Bosons: „Dieser favorisierte Zerfall des Higgs in zwei Bottom-Quarks sollte eigentlich in 58 Prozent der Fälle auftreten“, erklärt Karl Jacobs, Sprecher der ATLAS-Kollaboration. „Er ist damit ein entscheidendes Teil im Higgs-Puzzle.“

Doch gerade diese Zerfallsform war im „Heuhaufen“ der vielen bei der Protonenkollision im Teilchenbeschleuniger erzeugten Partikel nur schwer eindeutig nachzuweisen. 2018 endlich war es dann soweit: Sowohl der ATLAS-Detektor als auch der CMS-Detektor am LHC lieferten Daten, die den Zerfall des Higgs-Bosons in zwei Bottom-Quarks mit einer Signifikanz von mehr als fünf Sigma belegten.

Schwergewichte unter sich

Nun fehlte noch eine entscheide Interaktion: Der Theorie zufolge müsste dabei die Kopplung des Higgs-Bosons an das schwerste Materieteilchen, das Top-Quark, am stärksten sein – erst so bekommt dieses seine große Masse. Ist dies der Fall, dann müsste bei einigen Protonenkollisionen im LHC ein Higgs-Boson gemeinsam mit einem Top-Quark und einem Anti-Top-Quark entstehen.

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ttH
Teilchenspuren eines ttH-Ereignisses – der Wechselwirkung des Higgs-Bosons mit einem Top-Quark.. © Thomas McCauley/ CMS Collaboration

Doch dieser sogenannte ttH-Produktionsprozess ist äußerst selten: „Nur ein Prozent der Higgs-Bosonen entstehen zusammen mit Top-Quarks“, erklärt Sandra Kortner vom Max-Planck-Institut für Physik. Weil die Top-Quarks nicht stabil sind, lassen auch sie sich wieder nur über ihre Zerfallsprodukte nachweisen. Die nötige Signifikanz erreichten die Messungen am LHC daher erst im Jahr 2018. „Dies ist das erste Mal, dass dieser Prozess experimentell verifiziert worden ist – und das mit überwältigender Signifikanz“, berichtete Jakobs.

„Dieser Nachweis ist ein Meilenstein in der Erforschung des Higgs-Bosons“, konstatierte der Sprecher der ATLAS-Kollaboration. „Wir haben damit nun alle Kopplungen des Higgs-Bosons mit den schweren Quarks und Leptonen der dritten Generation beobachtet und auch alle wichtigen Erzeugungsarten dieses Teilchens.“ Damit ist klar, dass das 2012 entdeckte Boson tatsächlich die Eigenschaften besitzt, die dem Higgs-Mechanismus und seinem Teilchen zugeschrieben werden.

Durch das „Higgs-Portal“ zur Dunklen Materie

Aber noch spannender als diese von der Theorie beschriebenen Wechselwirkungen mit schon bekannten Elementarteilchen könnten jedoch die noch unbekannten sein: Anders als andere Teilchen des Standardmodells hat das Higgs-Boson weder Ladung noch Spin und kann daher auch mit neutralen Partikeln wechselwirken – auch mit bisher noch unentdeckten Arten von Bosonen. Ein solches neutrales Teilchen könnte nach Vermutung vieler Physiker das lange gesuchte Teilchen der Dunklen Materie sein.

„Das macht das Higgs zu einem fantastischen Werkzeug für die Jagd nach der Dunklen Materie – wir nennen diese Chance auch das Higgs-Portal“, sagt der CERN-Physiker Matthew McCullough. Erkennen könnte man solche „dunklen“ Wechselwirkungen unter anderem daran, dass bei einigen Higgs-Bosonen im LHC ein Teil der Zerfallsprodukte zu fehlen scheint: Weil dabei die neutralen, nicht mit den Detektoren nachweisbaren „dunklen Bosonen“ entstehen, entweichen sie unerkannt oder erzeugen ein Ungleichgewicht in den bekannten Zerfallsmustern.

Bisher könnten die Physiker des CERN zwar erste Hinweise auf verräterische Abweichungen gefunden haben. Von einem Nachweis oder einer genaueren Eingrenzung, worum es sich dabei handelt, sind sie aber noch weit entfernt. Hier hoffen sie auf die besseren Daten und vermehrte Higgs-Produktion während der jetzt beginnenden dritten Laufzeit des LHC.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Das Higgs-Boson – und dann?
Standardmodell, Teilchenjagd und eine neue Physik

Wozu das Higgs?
Das Rätsel der Masse

Auf Teilchenjagd
Wie das Higgs-Boson entdeckt wurde

Das Higgs und die anderen
Den Wechselwirkungen des Higgs-Bosons auf der Spur

Die Geheimnisse des Higgs
Von Symmetriebrüchen, Sombreros und Selbst-Interaktionen

Wie es weitergeht
Was kommt nach Higgs und LHC?

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