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Chemie

Das Grauen des Ersten Weltkriegs

Wie Fritz Haber lernte, das Chlorgas zu lieben

Im großen Maßstab wurden chemische Kampfstoffe erstmals im Ersten Weltkrieg, als dies durch Fortschritte in der Forschung und die industrielle Massenherstellung von Chemikalien möglich wurde. Der Einsatz der neuen Waffen ist vor allem mit einem Namen verknüpft: Fritz Haber.

Der Einsatz von Chemiewaffen im ersten Weltkrieg geht vor allem auf den Chemiker Fritz Haber zurück.© unknown /CC-by-sa 3.0

Der Chemiker hatte durch seine Forschung schon vor dem Ersten Weltkrieg die Welt grundlegend verändert und dafür 1918 den Nobelpreis erhalten: Mit der Erfindung des Haber-Bosch-Verfahrens war erstmals die großtechnische Herstellung von Ammoniak aus Luftstickstoff und Wasserstoff möglich. Daraus konnte man erstmals Nitrate für Kunstdünger herstellen, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren.

Allerdings ließ sich daraus auch Schießpulver herstellen, was den Ersten Weltkrieg für das von Rohstoffen wie Chilesalpeter abgeschnittene Deutschland überhaupt erst möglich machte.

Der erste Feldversuch bei Ypern

Mit Kriegsbeginn im Jahr 1914 begann Haber intensiv mit Giftgasen zu experimentieren, die möglicherweise einen Vorteil in der modernen Kriegsführung bieten könnten. Auch wenn die deutsche Heeresleitung alles andere als begeistert war, den „Feind wie Ratten zu vergiften“, genehmigte sie den testweisen Einsatz.

Am 22. April 1915 nahm das Grauen dann seinen Lauf: In der Schlacht um Flandern in der Nähe des belgischen Ortes Ypern wurde erstmals Chlorgas als tödliche Waffe im größeren Maßstab eingesetzt. Als der Wind aus der richtigen Richtung wehte, ließen die deutschen Truppen Chlor aus 6.000 Stahlzylindern in Richtung der feindlichen Truppen ausströmen. Dabei starben schätzungsweise 5.000 Soldaten, weitere 10.000 wurde vergiftet.

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Während des Erstens Weltkriegs wurden zahlreiche chemische Waffen eingesetzt, vor allem Lungenkampfstoffe.© unknown/CC-by-sa 3.0

Einsatz trotz Haager Abkommen

Haber entschied sich bewusst für Chlor bei den ersten Versuchen, denn im Gegensatz zu anderen Substanzen war es schwerer als Luft und sammelte sich in Bodennähe. So konnte es leicht in die Schützengräben eindringen. Schon bald wurde dem Chlorgas immer mehr Phosgen (COCl2) zugesetzt, der ein noch effektiverer Lungenkampfstoff war.

Diese Substanz blockiert den Sauerstoffaustausch der Lungen, denn sie zersetzt sich in feuchter Umgebung zu Kohlendioxid und Salzsäure. Beim Einatmen gelangt es in die Lungenbläschen und verätzt dort das Lungengewebe und die Haut. Die Folgen: Quälender Reizhusten, Lungenödeme bilden sich, die Lungen füllen sich mit Blut, schließlich tritt der Tod ein.

Nach Einschätzung des Wissenschaftshistorikers Ernst Peter Fischer war der erste Einsatz des tödlichen Chlorgases der Moment, „in dem die Wissenschaft ihre Unschuld verlor“, da sie zum Töten eingesetzt wurde und nicht zur Verbesserung des menschlichen Lebens. Es war auch der erste Einsatz von Massenvernichtungswaffen in einem menschlichen Konflikt. Dabei war der Einsatz von Gift oder giftiger Munition schon zu diesem Zeitpunkt durch das Haager Abkommen von 1907 verboten.

Mit dem ersten Einsatz von Chlorgas war das Tabu nun gebrochen. Die anderen Kriegsteilnehmer zogen nach und setzten nun auch chemische Kampfstoffe ein. Der Einsatz von chemischen Giften sollte von nun an den Ersten Weltkrieg entscheidend prägen.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Chemiewaffen
Der unsichtbare Tod

Das Grauen des Ersten Weltkriegs
Wie Fritz Haber lernte, das Chlorgas zu lieben

Tödlicher Angriff auf Lunge, Haut und Nerven
Buntschießen mit Maskenbrechern

Tödliches Erbe
Sarin und andere Chemiewaffen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs

Die Gefahr von Anschlägen
Die Nutzung von Nervengiften außerhalb von Kriegen

Verbot der Entwicklung und Herstellung
Internationale Vereinbarungen zur chemischen Abrüstung

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