Anzeige
Astronomie/Kosmologie

Das Eckige muss ins Runde

Hubbles Flügel - die Solarsegel des Teleskops

Alle Energie, die das Weltraumteleskop für seine Instrumente, seine Ausrichtung und das Senden seiner Daten benötigt, bezieht es von seinen Solarsegeln. Sie laden auch die Batterien auf, mit denen die Instrumente beim Flug durch die Nachtseite der Erde versorgt werden. Doch diese Segel so zu konstruieren, dass sie sowohl den harschen Bedingungen des niedrigen Erdorbits standhalten, als auch überhaupt dorthin gelangen, war alles andere als einfach.

Damit die Solarsegel ins Space Shuttle passen, waren sie eingeroillt. Im Orbit werden sie nun vorsichtig ausgefahren. © NASA/ESA

Eingerollt statt ausgeklappt

Die meisten normalen Satelliten besitzen starre Sonnensegel, die maximal wie eine Art Ziehharmonika gefaltet werden können. Doch mit solchen Segeln hätte das rund vier Meter dicke und gut 13 Meter lange Hubble nicht in das Space Shuttle gepasst – es blieb schlicht zu wenig Platz. „Die Segel mussten daher flexibel sein, damit sie zwischen die runde Hülle des Teleskops und die runden Wände der Ladebucht passten“, erklärt Lothar Gerlach, ESA Projektmanager für das Solarsystem von Hubble.

Um das zu gewährleisten, entwickelten die Ingenieure von NASA und ESA für Hubble einrollbare Solarsegel – wie ein Art Rollo, das mit Solarzellen beschichtet ist. Beim Transport des Teleskops war diese mehrschichtige Folie in einer eigenen Schutzhülle eingerollt. Sobald Hubble dann freigelassen war, fuhr ein motorgetriebener Stützrahmen aus, der die Solarsegel zwischen sich aufspannte. So jedenfalls der Plan.

Thermische Wechselbäder

Und noch etwas kam hinzu: Zwar waren die Solarsegel von Anfang an dafür ausgelegt, regelmäßig alle paar Jahre ausgetauscht zu werden. Dennoch mussten sie in der Zwischenzeit den extrem harten Bedingungen des niedrigen Erdorbits standhalten. „Alle 96 Minuten geht hier die Sonne auf und sinkt wieder“, erklärt Gerlach. „Jedes Mal ändern sich dabei die Temperaturen von plus 100 Grad in der Sonne auf minus 100 Grad im Schatten.“

Die Folie der ersten Solarsegel des Teleskops war hauchdünn © NASA/ESA

Innerhalb von fünf Jahren machen die Sonnensegel rund 30.000 solcher Wechselbäder mit – und das bleibt nicht ohne Folgen für das Material, das sich je nach Temperatur ausdehnt oder zusammenzieht. Die vom festen Rahmen auf Spannung gehaltene Solarfolie sollte dies aber aushalten – so dachte man jedenfalls.

Anzeige

Zuckungen im Orbit

Aber schon bald nach dem das Weltraumteleskop im Orbit war, gab es auch hier Probleme: Jedes Mal, wenn Hubble die Tag-Nacht-Grenze passierte, wurde das ganze Teleskop wie bei einem Fieberschub zehn Sekunden lang durchgeschüttelt. Und auch zwischendurch zuckte das Observatorium immer wieder kurz. Beobachtungen mit längeren Belichtungszeiten waren unter diesen Bedingungen nicht drin.

Schnell stellte sich heraus, wo das Problem lag: Hubbles Solarsegel waren schuld. Wie erwartet, dehnte sich das Material beim Übergang zur Sonnenseite der Erde aus. Doch die Kompensatoren, die das stabilisieren und ausgleichen sollten, funktionierten nicht richtig. Hinzu kam ein Konstruktionsfehler an dem aus eingerollten Stahlblechen bestehenden Rahmen der Segel. „Wenn eine Seite im Sonnenlicht lag und die andere im Schatten, dann dehnten sie sich unterschiedlich aus und ruckten gegeneinander wie bei kleinen Erdbeben“, erklärt Gerlach.

Die aktuellen Sonnensegel sind kleiner und steif © NASA/STScI

Klein, aber oho

Bei der ersten Service-Mission 1993 erhielt Hubble daher nicht nur eine Brille, es bekam auch einen neuen Satz Solarsegel verpasst, bei denen diese Probleme behoben waren. Auch die Akkus zur Energiespeicherung wurden bei jeder Wartung gegen neue Modelle ausgetauscht.

Seit 2002 trägt das Weltraumteleskop die dritte Generation von „Flügeln“. Diese sind nicht mehr siliziumbasiert, sondern bestehen aus Galliumarsenid-Halbleitern, die einen höheren Wirkungsgrad besitzen. Dadurch können die Solarsegel trotz einer gut ein Drittel geringeren Größe rund 20 Prozent mehr Energie gewinnen. Ein weiterer Vorteil: Die kleineren „Flügel“ senken den Reibungswiderstand des Teleskops, dadurch verliert es im Laufe der Zeit weniger schnell an Geschwindigkeit und damit an Höhe.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. 8
  18. |
  19. 9
  20. |
  21. weiter

Nadja Podbregar

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

30 Jahre Hubble-Teleskop
Wie das "Auge im All" unsere Sicht des Kosmos revolutioniert hat

Ein echter Star
Was macht das Weltraumteleskop so erfolgreich?

Gezielter Blick
Wie findet Hubble seine Zielobjekte?

Hubbles Augen
Wie funktioniert das optische System des Teleskops?

Das Eckige muss ins Runde
Hubbles Flügel - die Solarsegel des Teleskops

Hubbles Vermächtnis
Die wissenschaftlichen Highlights des Teleskops

Expansion und Dunkle Materie
Was Hubble über die dunkle Seite unsere Kosmos verriet

Schwarze Löcher, Sternenwiegen und Planeten
Noch mehr Hubble-Highlights

Und die Zukunft?
Wie es mit Hubble weitergeht

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Asteroid zerbricht auf mysteriöse Art
Hubble-Teleskop fotografiert bislang nur theoretisch bekannten Vorgang

Neue Supernova im Visier der Weltraum-Teleskope
Forscher nehmen astronomisches Rekordereignis genauer unter die Lupe

Mehr Minigalaxien im frühen Kosmos
Weltraumteleskop Hubble wirft ersten Blick auf zuvor verborgene Population ferner Galaxien

Geburt eines Quasars beobachtet
Beobachtung zeigt, wie Schwarze Löcher und Quasare ihre Heimatgalaxien beeinflussen

Wasserplanet mit Dampfhülle entdeckt
Planet GJ1214b bildet eine zuvor unbekannte Klasse von Himmelskörpern

Astronomen entdecken vierten Mond um Pluto
Hubble-Weltraumteleskop liefert erste Aufnahmen von Pluto-Trabant P4

Dossiers zum Thema

Dunkle Energie - Auf der Suche nach der geheimnisvollen Triebkraft des Universums

Salzseen - Bizarre Landschaften und extreme Lebensräume

Big Eyes - Riesenteleskope und die letzten Rätsel im Kosmos