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Lebensräume

Bush-Meat per Kalaschnikow

Wilderei und politische Unruhen erschweren die Forschung

Sorgen machten den beiden Jungforschern während ihrer Feldarbeit die politische Lage und die Wilderei. Seit mehr als zehn Jahren metzeln Wilderer in Zentralafrika ganze Elefantenherden nieder. Über 90 Prozent der Bestände in der Z.A.R. sind heute erloschen. Jedes Jahr zur Trockenzeit fallen die Banden auch ins Chinko-Becken ein. Fast alle kommen aus dem Sudan, wo das meiste Großwild längst abgeschlachtet ist. Waren die bis zu 200 Mann starken Horden vor 30 Jahren noch mit Speeren bewaffnet, tut es heute die Kalaschnikow.

Die Menschen in Zentralafrika sind arm - Wilderei ist für viele daher ein willkommender Nebenverdienst. © Mirco Kühne / CC-by-sa 3.0

Gefahr durch Wilderer und Nomaden

Auf den Märkten werden Buschfleisch, Felle, Edelhölzer, Elfenbein und andere Trophäen zu Geld gemacht. Vor allem das Elfenbein, das nach China und Südostasien geht, befeuert die Gier. Kein gutes Omen lieferten die Bilder der Kamerafallen: Auf den gleichen Pfaden, die Elefanten nutzten, waren zu anderer Zeit Wilderer zu sehen. Wilderern sind die zwei Forscher hin und wieder selbst begegnet. „Wir hatten immer Angst, dass sie uns für Militär halten“, so Aebischer. Missverständnisse konnten sie aber immer aufklären.

Zu den Wilderern gesellen sich im Chinko Viehnomaden aus dem Sudan mit Zehntausenden Tieren. Die Rinder und Ziegen fressen das Grün weg und schleppen Krankheiten ein, die auf Wildtiere überspringen können: Rinderpest, Staupe, Maul- und Klauenseuche. Und sie ziehen Löwen, Hyänen und Leoparden auf ihre Herden, was die Viehhirten wieder dazu treibt, den Raubtieren mit Giftködern oder dem Gewehr nachzustellen. Anfang 2012 fand David Simpson, der 25jährige Camp-Manager, den Kadaver eines vergifteten Löwen. „Leider töten die illegalen Viehhirten aus dem Sudan auch jeden Löwen, den sie sehen“, erzählt Aebischer. Die Nomaden haben es zwar nicht auf Elfenbein abgesehen, versorgen sich aber selbst mit Buschfleisch. Ein Feuerstoß aus dem Gewehr – und eine halbe Antilopenherde ist tot oder tödlich verletzt.

Bürgerkrieg und Putsch

In den Lauf der Kalaschnikow gucken in der Z.A.R. aktuell nicht nur Löwen und Antilopen. Während der zweiten Expeditionsreise der beiden Jungforscher griff im Dezember 2012 eine Rebellenallianz zu den Waffen. Seitdem versinkt das Land im Chaos. Plünderungen und Morde an Zivilisten sind vor allem im Norden des Landes Alltag. Kindersoldaten werden rekrutiert, Frauen vergewaltigt, Männer in die Zwangsarbeit verschleppt.

Bewaffnete Rebellen im Norden der Zentralafrikanischen Republik © hdptcar / CC-by-sa 2.0 us

Mitte März 2013 haben islamische Rebellen die Hauptstadt Bangui erobert und die Macht übernommen. Rebellenführer Michel Djotodia hat sich selbst zum Präsidenten ernannt und eine Regierung der „Nationalen Einheit“ gebildet. Ex-Präsident François Bozizé ist ins Ausland geflohen. De facto existiert der Staat nur noch in der Hauptstadt. „Die politische Lage in der Z.A.R. ist so schlecht wie seit langem nicht mehr und unsere Partner und wir verloren in den Wirren des Regierungssturzes sehr viel Material“, berichtet Aebischer. „Die Bevölkerung dort leidet mehr denn je unter Willkür und Chaos, was natürlich auch unsere Arbeit extrem erschwert.“

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Wilderei nimmt zu

Die Wilderei vor allem auf Elefanten hat unterdessen weiter zugenommen, berichtet der WWF Deutschland, der im Südwesten des Landes den Dzanga-Sangha Nationalpark managt. Anfang Mai drangen Wilderer in das „Elefantendorf“ Dzanga-Bai vor, gaben sich als Angehörige der Rebellenregierung aus und schossen mit Maschinenpistolen von einer Touristenaussichtsplattform auf die Waldelefanten. 26 Dickhäuter verendeten auf der Regenwaldlichtung. Elefantenfleisch wird in der Region auf lokalen Märkten offen verkauft. „Artenschutzerfolge, die über Jahrzehnte erkämpft wurden, drohen in wenigen Wochen vernichtet zu werden“, berichtet Johannes Kirchgatter, Afrika-Referent des WWF. Seine ausländischen Mitarbeiter hat der WWF aus dem Nationalpark evakuiert – „wegen massiver Kidnapping-Gefahr“.

Ihre Waffen finanzieren die Banden mit Gewinnen aus dem Elfenbeinhandel. In Asien werden für jeden Stoßzahn Zehntausende von Euro gezahlt. „Sollten nicht sofort entscheidende Maßnahmen eingeleitet werden, könnte der Elefant in Zentralafrika im kommenden Jahrzehnt ausgerottet sein“, warnt der WWF. In den letzten zehn Jahren sei allein der Bestand des Waldelefanten im gesamten Kongobecken um 62 Prozent gefallen. Derzeit sterben rund 30.000 Tiere dieser Elefantenart jedes Jahr – bei einem Gesamtbestand von nur noch 100.000.

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Kai Althoetmar
Stand: 11.10.2013

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Expedition ins Niemandsland
Zwei Jungbiologen unterwegs in der Wildnis Zentralafrikas

Unbekannte Wildnis
Kaum erforschter Artenreichtum am Fluss der Elefanten

Seltsame Allianz
Die Forscher und der Großwildjäger

Die Chinko-Expedition
Unter Wildhunden, Mangusten und Elefanten

Mit Malaria und Macheten
Feldforschung im Dschungel Zentralafrikas

Bush-Meat per Kalaschnikow
Wilderei und politische Unruhen erschweren die Forschung

Armut, Korruption und Chaos
Schwierige Bedingungen für Mensch und Tier in der Zentralafrikanische Republik

Projekt Schutzgebiet
Chinko soll zum Naturreservat werden

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